Schlosspark Theater: Abschiedsdinner
Das Schlosspark Theater von Dieter Hallervorden überrascht seit Jahren mit einem abwechslungsreichen Programm, bei dem das lautstarke Drama gleichberechtigt neben der schrulligen Komödie steht. In „Das Abschiedsdinner“ bleibt einem das humorvolle Lachen im Halse stecken. Denn nur allzu schnell wird dem Zuschauer klar, dass es gar nicht so leicht ist, sich dauerhaft von ausrangierten Freunden zu trennen.
Pierre (Karsten Kramer) und Clotilde (Krista Birkner) sind genervt. Der Alltag ist nervenaufreibend, der Tag hat viel zu wenige Stunden und das Sofa ist zu bequem, als dass man sich abends noch einmal aufraffen möchte, um Freunde zu treffen. Wie schön wäre es doch, einfach zu Hause zu bleiben und sich in trauter Zweisamkeit zu entspannen? Stattdessen muss man sich mit alten Freunden abgeben, die inzwischen nur noch nerven und die man am liebsten dauerhaft entsorgen möchte.
Pierre und Clotilde springen auf einen neuen Trend auf – das Abschiedsdinner. Dabei verwöhnt man unliebsame Freunde ein allerletztes Mal, bevor man sie dauerhaft entfreundet und anschließend nie wieder einlädt. Spontan beschließen die beiden, Pierres ältesten Freund Antoine (Dominique Horwitz) „abzuschießen“, der einfach nur noch nervig ist.
Der Zuschauer im Schlosspark Theater fühlt mit dem armen Pärchen auf der Bühne mit. Jeder hat wohl ein paar solche Freunde, die am eigenen Alltag hängen wie ein ausfallender Milchzahn an einem letzten Zipfel Zahnfleisch. Ein kleiner Ruck – und man wäre sie leicht für immer los. Insofern fühlt man sich Pierre und Clotilde wirklich verbunden, zumal ihr Sofa tatsächlich sehr bequem aussieht. Und so verwandelt man sich vom Zuschauer zum stillen, fiesen Supporter, der durchaus verstehen kann, dass dieser Antoine dringend weg muss.
Und dann kommt er auch schon vorbei. Antoine nervt von der ersten Sekunde an. Seine Lache ist unangenehm und laut, er erzählt viel zu ausführlich und zu umständlich, er hat komische Marotten – und noch dazu den stinkenden Mantel eines Penners an, den er gerade erst gegen seine eigene Jacke eingetauscht hat. Klar, dieser Nervkopf muss weg.
Und so kann man verstehen, dass sich Pierre und Clotilde umso mehr Mühe dabei geben, ein würdiges Abschiedsdinner auszurichten. Es gibt Antoines Lieblingsessen, seinen Lieblingswein und seine Lieblingsmusik. Pierre trägt sogar ein potthässliches Gewand, dass Antoine ihm einmal geschenkt hat. Und dann passiert das Schlimmste, was passieren kann: Antoine hat auch schon vom neuen Trend der Abschiedsdinner gehört – und kommt seinen „Freunden“ auf die Schliche.
Hier kehrt sich das ganze Theaterstück um – und auf einmal bekommt man Mitleid mit dem armen Antoine und wartet gespannt darauf, wie sich Pierre und Clotilde aus der unangenehmen Situation herauswinden.
„Das Abschiedsdinner“, Premiere war am 12. November, bereitet den Zuschauern viel Freunde. Das liegt auch am herrlich schräg aufspielenden Dominique Horwitz („Stalingrad“), der zum ersten Mal im Schlosspark Theater (www.schlossparktheater.de) zu sehen ist. Er bekommt in Karsten Kramer alias Pierre einen würdigen Gegenpart auf der Bühne, der sich nach der Entdeckung seines schändlichen Tuns auf herrlich wortreiche Weise windet, um die peinliche Situation irgendwie noch zu retten. Und der Zuschauer fühlt mit ihm.
„Das Abschiedsdinner“ ist nicht die beste Theaterkomödie aller Zeiten. Aber sie ist amüsant und pointiert – und animiert zum Nachdenken, wie man es mit den eigenen Freunden hält. Das Stück wird noch bis zum 26. Dezember gespielt. (Text: CS + Presse / Fotos: DERDEHMEL/Urbschat)
Dieser Artikel stammt aus „Zehlendorf Aktuell“ Ausgabe 105 (12/2022).
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