Merksport für Senioren in Lichterfelde: Gedächtnistraining!
„Zehn zornige Zebras.“ Wenn sich die Zehlendorfer Senioren alle zwei Wochen unter der Leitung der zertifizerten Gedächtnistrainerin Eva Niggemann treffen, geht es vor Ort nicht nur darum, das eigene Merkvermögen zu schulen. Bei den ganzheitlichen Aufgaben der Gedächtnistrainerin wird auch die Fantasie ordentlich angeregt. Und im Stuhlkreis darf es schon einmal richtig lustig werden.
Was man nicht benutzt, verkümmert. Das gilt nicht nur für die verschiedenen Muskeln im Körper, sondern auch für das Gehirn. Im übertragenen Sinn ist das Gehirn ja auch nur ein Muskel. Wenn auch nur fürs Denken.
Die ausgebildete und zertifizierte Gedächtnistrainerin Eva Niggemann (70) ist im Bundesverband Gedächtnistraining (BVGT e.V., www.bvgt.de) tätig und wird im Auftrag der evangelischen Kirche für die Kirchengemeinde Petrus-Giesensdorf in Lichterfelde tätig, um allen Senioren, die Spaß an einer solchen Betätigung haben, dabei zu helfen, die eigenen grauen Zellen zu fordern und damit auch zu fördern.
Alle 14 Tage öffnet Eva Niggemann (www.greatmindmanagement.de) ihren Stuhlkreis für die Senioren in Lichterfelde: „Wir treffen uns alle zwei Wochen immer am Mittwoch von 9:45 bis 11:30 Uhr in der Parallelstraße 29. Es kommen meist um die zehn Senioren, vor allem die Damen sind sehr interessiert. Wer einmal vorbeikommt, bleibt in der Regel auch, manche sind bereits seit vielen Jahren mit dabei. Erst sitzen wir bei Kaffee und Kuchen zusammen, dann machen wir ein Bewegungsspiel, damit alle wissen, dass der gesellige Teil nun vorbei ist. Dann gehen wir zu unserer Gedächtnisarbeit über. Hier arbeite ich sehr gern mit ganzheitlichen Methoden, damit wir unsere Aufgaben mit allen Sinnen auf einmal lösen können.“
Die Teilnehmer sitzen dann immer im Stuhlkreis zusammen und harren der Aufgaben, die Eva Niggemann sich ausgedacht hat – und die im schnellen Wechsel nacheinander zum Einsatz kommen.
Da geht es mitunter darum, nacheinander bis zur Zahl Zwanzig hochzuzählen, um – sobald man an der Reihe ist – den Anfangsbuchstaben der Zahl weiterzuspinnen zu einem Adjektiv und einem Substantiv. Bei der Vier werden da schon einmal „vier verhaltensgestörte Vagabunden“ ins Rennen geschickt und bei der Neun „neun niesende Nudelbäcker“ beobachtet. Bei diesen assoziativen Spielen darf gern gelacht werden. Überhaupt geht es bei den einzelnen Aufgaben immer entspannt zu. Ein wie auch immer gearteter Leistungsdruck soll gar nicht erst aufkommen, jeder macht mit, so gut er oder sie das eben schafft. Leistungsdruck sei schädlich fürs Gehirn, sagt die Trainerin.
Eva Niggemann: „Ich habe eine Teilnehmerin, die bereits eine Demenz aufweist. Ich weiß nicht, ob meine Merkspiele hier wirklich etwas bewirken können. Aber ihr Mann sagt mir, dass seine Frau nach den Merkvormittagen immer mit guter Laune nach Hause kommt. Auch das ist ein Erfolg.“
Zum Angebot in der Gedächtnistraining-Stunde gehören auch Fingerübungen. Ein großes T muss an vorbereiteten Schnittmarken in vier Teile zerlegt werden – um es anschließend neu zusammenzusetzen. Und was so einfach klingt, ist plötzlich fast ein Ding der Unmöglichkeit.
Auch eine tolle Idee: Eva Niggemann verteilt Theaterkarten, auf denen jeweils fünf Buchstaben mit Leuchtmarker hervorgehoben sind. In mehreren Runden müssen die Teilnehmer nun erfinden, mit wem sie ins Theater gehen, was sie anziehen, was sie vor Ort trinken, welchen Promi sie entdeckt haben und wie sie das Stück fanden. Die Antworten müssen immer zu den markierten Buchstaben auf den Theaterkarten passen.
Die Schwierigkeit ist es natürlich, sich zu merken, was man bereits gesagt hat, um dann nach jeder Runde alles zu wiederholen und hinten noch eine neue Aussage anzuhängen. Eva Niggemann (eniggemann@bvgt.de): „Manchmal wird man ungeduldig und möchte jemandem, der sich partout nicht an das eben Gesagte erinnern kann, die Lösung vorsagen. Besser ist es aber, stattdessen eine Brücke zu bauen. Da haben dann beide etwas davon.“
Die Theaterkarten sind echt, sie stammen von Theaterbesuchen der Gedächtnistrainerin, die zum Teil schon Jahrzehnte her sind. Eva Niggemann: „Als Gedächtnistrainerin entwickelt man schnell eine gewisse Sammelleidenschaft. Man kann so viele Dinge noch einmal neu verwenden, um eine Übungsstunde abwechslungsreicher zu gestalten. Ich habe einen sehr großen Fundus an solchen Dingen.“
Die Truppe, die sich in der Parallelstraße trifft, ist bereits im September 2007 an den Start gegangen.
Helga (86) ist fast von Anfang an mit dabei: „Ich denke schon, dass unsere Treffen mir dabei helfen, fit im Kopf zu bleiben. Immer, wenn ich wieder einmal vergesslich bin, ermahne ich mich, nur ja kein Treffen auszulassen.“
Auch Ruth (90) ist gerne mit dabei: „Ich habe früher selbst Theater gespielt und mich da gern engagiert. Leider hat sich unsere Gruppe während der Corona-Zeit aufgelöst. Beim Gedächtnistraining bin ich aber weiterhin immer mit vor Ort.“
Eva Niggemann: „Keine Stunde ist wie die andere, ich denke mir immer wieder etwas Neues aus. Als die neue Regierung an die Macht kam, haben wir etwa gelernt, wie man die neuen Namen der Minister am eigenen Körper verankert. Das hat sehr gut funktioniert. Ich arbeite auch sehr gern themengebunden. Nachdem ich in China war, mussten alle Teilnehmer in meinem Kurs Dinge mit Stäbchen aufsammeln und chinesische Zeichen abmalen.“
Die Menschen werden immer älter, die Demenz nimmt stetig zu. Eva Niggemann: „Angebote wie eben das Gedächtnistraining für Senioren sind sehr wichtig – und sie helfen. Ich kämpfe im Verband dafür, dass wir zertifizierten Gedächtnistrainer genauso gut bezahlt werden wie die Ergotherapeuten. Die Krankenkassen möchten hier aber leider noch kein neues Kostenloch aufmachen.“ (Text/Fotos: CS)
Dieser Artikel stammt aus „Zehlendorf Aktuell“ Ausgabe 111 (6/2023).
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