Diva der falschen Töne im Schlosspark Theater: Premiere von “Knapp daneben ist auch vorbei!”
Was für ein grandioser Spaß der schiefen Töne: Das Schlosspark Theater bringt das Leben der wohl “schlechtesten Opernsängerin” aller Zeiten auf die Bühne – und lässt die Zuschauer im Saal am Gesang der Florence Foster Jenkins teilhaben. Sie füllte in den Vierziger Jahren die berühmte Carnegie Hall, obwohl sie keinen einzigen Ton treffen konnte. Das Theaterstück präsentiert das schräge Gesangsdesaster erstaunlich warmherzig und humorvoll.
Man muss nur immer ganz fest an sich selbst glauben, dann kann man wirklich alles erreichen. So ging es im New York der frühen 1940er Jahre zumindest der selbsternannten Opernsängerin Florence Foster Jenkins (1868-1944). Die Sopranistin sah sich selbst als mit einer glockenhellen Stimme gesegnet, traf als “Diva der falschen Töne” aber tatsächlich keine einzige Note. Dank eines großen Erbes und der Unterstützung ihrer Liebsten konnte sie sich aber als ebenso gefeierte wie auch amüsiert belächelte Sängerin auf Wohltätigkeitsveranstaltungen und Bällen in Szene setzen. Am Ende gelang es ihr sogar, ihren absoluten Traum zu leben – und alles auf eine Karte zu setzen. Sie stand mit ihrem gesamten Vermögen dafür ein, einmal sämtliche Plätze in der Carnegie-Hall zu verkaufen. Und das gelang ihr sogar, obwohl die meisten Zuschauer sicherlich nur gekommen waren, um sie einmal voller Schadenfreude schief singen zu hören.
Wie macht man aus dieser ungewöhnlichen Lebensgeschichte ein Theaterstück? Peter Quilter schrieb 2005 das Bühnenstück “Glorious” – und eroberte mit seiner liebevollen Komödie das Londoner West End. Für die deutsche Übersetzung zeichnet Horst Johanning verantwortlich. Als “Die Diva der falschen Töne” inszenierte nun Regisseur Frank-Lorenz Engel das Stück in Berlin. In einer Koproduktion mit den Schauspielbühnen in Stuttgart feierte “Die Diva der falschen Töne” am 13. Januar Premiere im Schlosspark Theater.
Im Theater mimt Antje Rietz die Florence Foster Jenkins mit solcher Hingabe, dass dem Zuschauer sofort klar ist, dass diese Frau den Gesang mit jeder einzelnen Faser ihres Körpers liebt – und felsenfest davon überzeugt ist, eine geborene Opernsängerin zu sein. Wie sie nach jeder Gesangsepisode mit vor Freude weit aufgerissenen Augen ins Publikum strahlt und voller Glück auf den Applaus wartet, das hat etwas so unschuldig Reines an sich, dass man gar nicht anders kann, als herzlich die eigenen Hände zum Klatschen zu animieren.
Der blutjunge Pianist Cosme McMoon (in der Premiere gespielt von Peter Lewys Preston) wird für viel Geld engagiert, um Madame am Piano zu begleiten. Und wie entgleisen diesem armen Musiker die Gesichtszüge, als er die Diva das erste Mal singen hört. Das kann doch nicht ihr Ernst sein. Das ist doch kein Gesang! Man kann es dem Pianisten förmlich ansehen, wie entsetzt er über die schiefen Töne ist, wie er seine neue Chefin zunächst bemitleidet und dann plötzlich daran denkt, dass die Sopranin mit dem fehlentwickelten Sangesorgan wohl ganz sicher auch seine Karriere mit in den Abgrund reißen wird. Aber wie charmant löst Florences Mann St. Clair Bayfield (herrlich: Max Gertsch) auch dieses Problem: “Egal, was Ihnen die anderen bezahlen, wir zahlen das Dreifache!”
Das ganze Stück wird in der Folge aus den Augen des Pianisten erzählt, der als einziger ganz neu in die Umlaufbahn der Sängerin eintaucht – und hier nicht nur auf den netten Lebensgefährten, sondern auch auf Florences liebe Freundin Dorothy (Anette Daugardt) stößt. Selbst das grantige Dienstmädchen Maria (Sophie Göbel) scheint trotz ihrer großen Übellaunigkeit und der spanischen Flüche insgeheim ein Fan von Madame zu sein.
Ja, glauben denn all diese Menschen tatsächlich, dass Florence Foster Jenkins wirklich schön singen kann? Mitnichten. Aber alle anderen haben noch vor dem Pianisten Cosme McMoon erkannt, dass es völlig egal ist, ob die Frau singen kann oder nicht. Einem Menschen, der mit solcher Leidenschaft auf die Bühne strebt, der mit einer solch reinen und unschuldigen Energie an das eigene Talent glaubt, dem darf man sich einfach nicht in den Weg stellen, dem muss man Flügel umbinden. Man merkt als Zuschauer von Minute zu Minute mehr, wie sich auch Cosme in den Dienst der Florence Foster Jenkins stellt, um ihr im kindlichen Streben nach der Bühne nicht im Weg zu stehen.
Das Stück “Knapp daneben ist auch vorbei” strebt ohne spürbare Längen und mit einer unfassbar großen Empathie für ihre historisch verbürgte Sängerin dem Höhepunkt entgegen. Und auch, wenn den Zuschauern schon bald die Ohren bluten – auch die schrillen Gesangseinlagen sind einfach zum Niederknien.
Denn eins ist klar: Schauspielerin Antje Rietz kann tatsächlich singen wie ein Opernstar. Sie ist nur aufgrund ihres Könnens dazu in der Lage, sich bestens zu verstellen und die schiefen Töne ganz gezielt aus der eigenen Kehle zu quetschen. Zum Ende des Stückes hin darf sie ein einziges Mal wirklich so glasklar und perfekt singen, wie sich Florence Foster Jenkins zumindest im eigenen Kopf wohl ihren Gesang vorgestellt haben mag. Da darf der Gast im Publikum auch ein echtes Tränchen der Rührung verdrücken.
Die schlechteste Opernsängerin der Welt ist im Schlosspark Theater (www.schlosspark-theater.de) noch bis zum 25. Februar zu hören. (Text: CS / Fotos: DERDEHMEL/Urbschat)
Dieser Artikel stammt aus „Zehlendorf Aktuell“ Ausgabe 119 (2/2024).
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