Premiere im Schlosspark Theater: Achtsam morden
Achtsam sein, das bedeutet, sich ganz auf den Moment zu konzentrieren. So lassen sich anstehende Probleme am besten lösen. Auch wenn es bedeutet, dass man auf diese Weise zum mehrfachen Mörder wird. Das Schlosspark Theater hat nun den Bestsellerroman “Achtsam morden” von Karsten Dusse auf die Bühne geholt. Dieter Hallervorden, Mario Ramos und Ines Nieri machen aus der Krimikomödie ein herrliches Bühnenspektakel, bei dem die Schauspieler in einundzwanzig Rollen schlüpfen – sehr zum Vergnügen der Zuschauer.
Strafverteidiger Björn Diemel (Mario Ramos) sollte eigentlich ein erfolgreicher, glücklicher Mann sein. Doch das Leben läuft nicht so, wie es sein sollte. So muss er ausgerechnet für einen aufbrausenden Unterwelt-Mafiosi namens Dragan (Dieter Hallervorden) arbeiten, der ihm zu jeder Tages- und Nachtzeit moralisch sehr verwerfliche Dinge abfordert. Zugleich trennt sich seine Frau Katharina (Ines Nieri) zumindest räumlich von ihm und fordert ein, dass er endlich seine Work-Life-Balance in Ordnung bringen soll.
Das treibt den Anwalt, der auch noch einen Kindergartenplatz für seine Tochter organisieren muss, zum Achtsamkeits-Coach (Dieter Hallervorden). Und der gibt ihm den wertvollen Rat, immer ganz im Augenblick zu verweilen. Auch wenn das mitunter äußerst mörderische Konsequenzen für die Mitmenschen in Björns direktem Umfeld hat.
Man muss ganz klar sagen: Bereits der Roman “Achtsam morden” von Karsten Dusse ist ein äußerst schwarzhumoriges Vergnügen. Wenn der von allen Seiten getrietzte und mit Forderungen eingedeckte Strafverteidiger seinen Mandanten einfach im Kofferraum seines Autos in der Sonne liegen lässt, weil er – ganz achtsam – lieber mit seiner Tochter im See badet, dann ist das auf der einen Seite unfassbar brutal, schrecklich und in der Konsequenz sogar mörderisch. Aber auch so lustig – auf eine gemeine, schadensfreudige Art und Weise.
Aber: Wie viel Eier muss man haben, um es ernsthaft zu versuchen, ein gedrucktes Buch auf die lebendige Theaterbühne zu bringen? Das Schlosspark Theater wagt das Wagnis – und gewinnt auf allen Ebenen. Für die Bühnenbearbeitung war Bernd Schmidt verantwortlich, um die Regie kümmert sich Philip Tiedemann.
Eine krasse Entscheidung: Auf der Bühne sind nur drei Schauspieler zu sehen, die in einem atemberaubend schnellen Wechsel aber 21 verschiedene Rollen spielen.
Tränen des hemmungslosen Giggelns, Lachens und Prustens stehen den Zuschauern im Theatersaal in den Augen, wenn Dieter Hallervorden noch einmal alle Register seines Könnens zieht. So verkörpert er die Rolle des schmierigen Großstadtganoven Dragans mit Pelzmantel, Krückstock und russischem Akzent ebenso einzigartig und souverän wie die des leicht durchgeknallten und wie bekifft wirkenden Achtsamkeits-Coachs (“Pling!”), der mit seinen Kalenderweisheiten und Achtsamkeitsfloskeln den nervlich geschundenen Anwalt doch irgendwie auf den rechten Kurs führt. Hallervorden überzeugt aber auch als rothaariges Kitakind, als eingeschnappte Chefsekretärin der Anwaltskanzlei oder als Dragan-Konkurrent Boris.
Richtig viel zu tun bekommt auch Ines Nier, die nicht nur die fürchterlich nervtötende Ehefrau von Strafverteidiger Björn spielt, sondern auch noch zehn weitere Rollen annimmt. Sie mimt auch die kleine Tochter Emily, den Kleinganoven Sascha und den im Hintergrund ermittelnden Polizeikommissar.
Ein wirklicher Gewinn für das Stück ist Mario Ramos in der Rolle des Björn – ein Schauspieler, der schon viele Mal im Schlosspark Theater zu sehen war. Mario Ramos erzählt die Geschichte des Björns mit großem Tempo. Als Zuschauer wird man förmlich mit hineingerissen in den unerträglichen Alltag des Strafverteidigers, der mehr Probleme jonglieren muss, als er sie nervlich verkraften kann. Und der ausgerechnet mit den friedfertigen Sinnsprüchen der Achtsamkeit herausfindet, wie er sein Leben wieder auf die Reihe bekommt (und das von anderen beendet). Sogar ein eigener Kindergarten springt dabei für den geschundenen Anwalt heraus.
Für die Bühne und die Kostüme ist Stephan von Wedel verantwortlich, der sich so richtig austoben durfte. Die Kostüme sind einfach der Wahnsinn. Wenn man als Schauspieler schon so schnell in neue Rollen schlüpfen muss, dann braucht man auch ikonische Kostüme, damit der Zuschauer sofort versteht, wer da gerade auf der Bühne steht. Das ist vortrefflich gelungen. Die Schauspieler unterstützen den Effekt oft sogar noch, indem sie ihren Figuren unterschiedliche Dialekte geben.
Was für viel Freude bei den Zuschauern sorgt, ist der überbordende Einfallsreichtum beim Bühnenbild. Wenn Puppenbeine sofort für die passende Kindergröße sorgen und ein Lenkrad in der Hand umgehend das Gefühl vermittelt, dass hier ein Auto über die Straße rumpelt – dann hat man den Eindruck, kein starres Theater zu sehen, sondern einen rasant geschnittenen Film, der an zig verschiedenen Orten spielt. Hier beweist das Theater einen Einfallsreichtum, der seinesgleichen sucht. Dabei zeigt sich aber auch, dass es keine teure Technik braucht, um zu vermitteln, dass hier ein Auto viel zu schnell über die Straße kachelt. Es reicht aus, ein paar Stofftiere in die Luft zu werfen, die vermeintlich gerade über den Haufen gefahren wurden.
Das Publikum zeigt großes Interesse an diesem mehr als ungewöhnlichen Vorlagenstoff: Die Premiere von “Achtsam morden” am 23. März war restlos ausverkauft. Gespielt wird das Stück am Schlosspark Theater noch bis zum 5. Mai.
Und wenn das Interesse der Zuschauer nach einem “Weitermachen” schreit, dann gibt es ja auch noch vier Romanfortsetzungen, die man auf die Bühne bringen könnte. (Text. CS / Fotos: DERDEHMEL/Urbschat)
Dieser Artikel stammt aus „Zehlendorf Aktuell“ Ausgabe 121 (4/2024).
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