Botanischer Garten im Wandel: Wir stellen vor – das Internationale Wissenszentrum der Botanik – BO Berlin!
Die Klimakatastrophe und das Artensterben sorgen dafür, dass der Botanische Garten Berlin sein Zukunftskonzept für die kommenden zehn Jahre überdacht und neu ausformuliert hat. Die Vision ist es nun: „Wir wollen, dass der Mensch einen neuen Zugang zur Natur findet und den Reichtum des Lebens bewahrt.“ Dafür verpasst sich der Botanische Garten eine neue visuelle Gestaltung – und wird in Sachen Biodiversität deutlich aktiver.
Am 25. August hatte Professor Dr. Thomas Borsch als Direktor des Botanischen Gartens Berlin zu einer besonderen Presseveranstaltung in das Victoriahaus eingeladen. Den Anwesenden wurde das Zukunftskonzept für den Botanischen Garten vorgestellt.
Zunächst einmal präsentiert sich der Botanische Garten als Marke ab sofort deutlich moderner. Das neue Logo ist ein weißes Viereck auf petrolgrünem Grund, in dem unten in dicken weißen Lettern die Buchstaben „BO“ zu sehen sind. Nicht von ungefähr erinnert dieses Zeichen an einen Baustein im Periodensystem der Elemente. Passend zum Kürzel nennt sich der Botanische Garten nun „BO Berlin – Internationales Wissenszentrum der Botanik“. Dazu passt die neue Homepage www.bo.berlin.
Damit unterstreicht der Botanische Garten seine Bedeutung als besonderer Ort der Wissensgenerierung und -vermittlung. „Wir bewahren Wissen, wir mehren Wissen und wir teilen es mit der Welt. Im globalen Netzwerk als Knotenpunkt der Biodiversitätsforschung. Und in Berlin als Forum für Natur-Erlebnisse“, so Professor Dr. Thomas Borsch. Tatsächlich arbeiten die Kollegen im Museum bereits daran, die eigenen Daten und den gesamten Fundus an gesammelten Pflanzen (darunter auch die Humboldt-Sammlung) zu digitalisieren. Diese Daten sollen fortan allen Forschenden auf der Welt im Open-Access-Verfahren dauerhaft kostenfrei zur Verfügung stehen – im direkten Kampf für den Erhalt der Arten. Denn das aktuelle Artensterben, das zurzeit vor allem bei den schwindenden Insekten bemerkt wird, ist nur eine direkte Folge des bereits länger schwelenden Verlustes bei den Pflanzenarten.
Professor Dr. Thomas Borsch: „Wir haben uns einiges vorgenommen. Wir möchten in der Zukunft noch deutlicher als Wissenschaftsstandort wahrgenommen werden. Wir haben die gesellschaftliche Aufgabe, uns für mehr Biodiversität einzusetzen und vor der Klimakatastrophe zu warnen. Wir werden viele neue Angebote im Garten und auch im Museum schaffen.“
In der direkten Folge ist im Botanischen Garten bereits ein Zentrum für Biodiversitätsinformatik und Sammlungsdatenintegration entstanden, das in den kommenden zehn Jahren noch weiter ausgebaut werden soll. Leiter der neuen Anlage ist der Biodiversitätsinformatiker Anton Güntsch: „Wir entwickeln hier neue Standardmethoden, um Daten zu sammeln und weltweit miteinander auszutauschen. Die von uns entwickelte Software wird bereits von Wissenschaftlern auf der ganzen Welt eingesetzt. Es geht darum, Sammlungen zu digitalisieren und sie für internationale Forschungen zur Verfügung zu stellen.“
Das freut auch den Präsidenten der Freien Universität, Professor Dr. Günter M. Ziegler: „Globale Krisen wie den weltweiten Artenverlust lösen wir nur, wenn Wissenschaft über Ländergrenzen hinaus praktiziert wird.“
Professor Dr. Thomas Borsch: „Unser Botanischer Garten Berlin mit seiner 300-jährigen Geschichte ist der zweitgrößte Garten der Welt. Wir erhalten hier lebende Exemplare von 20.000 Arten. Das ist nicht nur Anschauungsmaterial für Besucher, sondern auch ein nachwachsender DNA-Pool für Forschungen aller Art.“
Botanischer Garten Berlin stellt Zukunftskonzept vor: Mehr Garten, mehr Museum, mehr Wissen!
Während der Botanische Garten international um Vernetzung ringt und die Forschung voranbringen möchte, muss auch der gesellschaftliche Auftrag am Bürger verstärkt wahrgenommen werden.
Professor Dr. Thomas Borsch: „Viele junge Menschen kennen die wichtigsten Pflanzen und Tiere in unserer Natur überhaupt nicht mehr. Ohne Pflanzen würde es uns aber längst nicht mehr geben. Deswegen ist es wichtig, dieses Wissen um die Natur wieder neu zu vermitteln. Wir müssen die Menschen wieder alphabetisieren.“
Aus diesem Grund wird zurzeit etwa ein ganz neuer Nutzpflanzengarten angelegt. Er zeigt den Besuchern, welche Früchte in der aktuellen Saison geerntet werden können – und widerspricht so dem Permanentangebot im Supermarkt, das suggeriert, dass es gar keine Jahreszeiten mehr gibt.
Neu sind auch 1,20 Meter breite Schautafeln, die im Botanischen Garten aufgestellt die 21 wichtigsten pflanzengeografischen Kernzonen vom Westlichen Himalaya über die Alpen bis nach Japan in Wort und Bild vorstellen – und dem Besucher so mehr Orientierung geben. Dr. Gerald Parolly: „Bislang brauchte man einen Gartenplan oder angeleitete Führungen, um die Grundstruktur des Botanischen Gartens mit seinen Ökozonen zu erfassen.“
Bis 2023 fließen allein 17 Millionen Euro als Fördergelder in den Botanischen Garten. Ziel ist es mit diesem Geld auch, bis 2022 ein neues Besucherzentrum am Königin-Luise-Platz zu bauen und das Botanische Museum bis 2023 mit einer neuen Dauerausstellung zu bestücken.
Dringender Appell: Blühstreifen nur mit regionalen Samen anlegen
Einmal mehr warnte Professor Dr. Thomas Borsch davor, willkürlich Blühstreifen anzulegen, um so etwas gegen das Artensterben und für die Insekten zu tun: „Im schlimmsten Fall sind da nur drei, vier Pflanzenarten in der Mischung – und davon ist die Hälfte nicht einmal einheimisch. Oft denkt man: Mit einem bisschen bunter Wiese ist die ganze Welt gerettet. Dem ist aber nicht so.“ Wenn schon Wildwiesen ausgebracht werden, so solle man unbedingt darauf achten, dass diese ausschließlich mit einheimischen, im besten Fall sogar nur mit regionalen Pflanzenarten angelegt werden.
Wie das funktioniert, zeigt der Botanische Garten gleich selbst. Denn in der „Dahlemer Saatgutbank“ erhält der Botanische Garten die Samen von zahllosen Pflanzen – tiefgefroren im „Tresor für den Notfall“.
Die Kustodin Dr. Elke Zippel: „Wir haben die Saatgutdatenbank 1995 ins Leben gerufen. Wir trocknen die Samen und frieren sie bei acht bis zehn Prozent Restfeuchte ein, um auf diese Weise die Keimfähigkeit länger zu erhalten. Die Samen ernten wir selbst im Feld – und bringen sie auch gezielt an geeigneten Stellen wieder aus, um so neue Vorkommen seltener Arten zu schaffen. Wir verspüren dabei einen enormen Druck: Das Artensterben bei den Pflanzen hat in den letzten 25 Jahren enorm zugenommen. Wir sind durch ein völkerrechtliches Abkommen übrigens sogar dazu verpflichtet, seltene Pflanzen zu erhalten. Wir haben uns den Standort Deutschland mit vier weiteren Saatgutdatenbanken aufgeteilt. Wir versuchen hier gezielt, die Pflanzen des ehemaligen DDR-Gebietes zu sammeln.“ (Text/Fotos: CS)
Dieser Artikel stammt aus „ZEHLENDORF.aktuell“ Ausgabe 90 (9/2021).
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