Die Duft-Skabiose: Neues Artenschutzprojekt auf der Berliner Pfaueninsel!
Immer wieder ist die Rede vom großen Insektensterben. Doch das beginnt oft schon mit dem Aussterben wichtiger Pflanzenarten. Drei große Berliner Institutionen setzen nun dem Artensterben etwas entgegen. Die Stiftung Preußische Schlösser und Gärten Berlin-Brandenburg (SPSG), der Botanische Garten Berlin (BO) und die Stiftung Naturschutz Berlin (SNB) üben den Schulterschluss, um drei vom Aussterben bedrohte Pflanzenarten auf der Berliner Pfaueninsel anzusiedeln.
Wer hat in den letzten Jahren schon jemals etwas von der Duft-Skabiose, dem Deutschen Ginster oder dem Behaarten Ginster gehört? Wohl nur die allerwenigsten Menschen. Denn die 150 Tier- und Pflanzenarten, die nach Aussage der Wissenschaftler jeden einzelnen Tag auf der Erde aussterben, haben in der Öffentlichkeit keine Lobby. Sie sterben still und leise aus, vor allem aber unwiderruflich.
Zumindest im botanischen Rahmen ist es möglich, vorbeugend tätig zu sein. Die dem Botanischen Garten Berlin angegliederte Dahlemer Saatgutbank sammelt so bereits seit 1994 die Samen gefährdeter und seltener Wildpflanzen. Dazu gehören auch 200 sogenannte “Verantwortungsarten”. Das sind vom Aussterben bedrohte Pflanzenarten, deren Verbreitungsgebiet vorrangig in Deutschland liegt, sodass Deutschland auch eine hohe Verantwortung dafür trägt, diese Arten zu erhalten. Eine Möglichkeit ist es dabei, Samen und Pflanzen gezielt neu in der Natur auszubringen, um so für neue Vorkommen zu sorgen. Das ist allerdings gar nicht so leicht, denn viele dieser betroffenen Pflanzen benötigen ganz spezielle Biotope, die in Deutschlands Kulturlandschaften nicht mehr so oft anzutreffen sind.
Justus Meißner, Leiter der Koordinierungsstelle Florenschutz Berlin (SNB): “Viele Berliner Pflanzen sind bedroht, da ihre Lebensräume nach und nach verschwinden: Magere, sandige Böden, auf denen sie vorkommen, verändern sich durch Nährstoffeinträge aus der Luft.”
Ausgerechnet die Berliner Pfaueninsel, die bereits seit vielen Jahren Naturschutzgebiet ist, viele unterschiedliche Biotopsformen aufweist und zahllosen seltenen Tieren und Pflanzen eine Heimat bietet, eignet sich sehr gut für solche Artenschutzprojekte. Um die Ausbringung weiterer seltener Pflanzen auf der Pfaueninsel zu ermöglichen, haben sich die Stiftung Preußische Schlösser und Gärten Berlin-Brandenburg (SPSG), der Botanische Garten Berlin (BO) und die Stiftung Naturschutz Berlin (SNB) zu einem gemeinsamen Projekt zusammengeschlossen.
Professor Dr. Michael Rohde, Gartendirektor der SPSG: “Die Pfaueninsel ist die ideale Fläche für diese Rote-Liste-Arten. Sie bietet den geeigneten mageren Boden, ist Naturschutzgebiet und wird durch unsere Gartenteams hervorragend betreut.”
Prof. Thomas Borsch, Direktor des Botanischen Gartens Berlin, weiß, dass allein in Berlin 700 Wildpflanzenarten akut bedroht sind: “Wenn die Berlinerinnen und Berliner in ihrer Stadt die Biodiversität erhalten möchten, müssen wir als Stadtgesellschaft jetzt handeln. Solche Aktionen müssen jedoch wissenschaftlich begleitet werden, damit sie langfristig erfolgreich sind. Denn man kann nicht einfach irgendwelche Arten irgendwohin pflanzen.”
Am 9. November setzten die Wissenschaftler mit der Fähre vom Wannseer Festland auf die Pfaueninsel über, um den theoretischen Planungen endlich Taten folgen zu lassen.
Auf der Heidefläche gleich hinter dem historischen Rosengarten wurden so etwa fünfzig Zwergsträucher der Rote-Listen-Arten Deutscher Ginster (Genista germanica) und Behaarter Ginster (Genista pilosa) in den Boden gebracht. Diese Pflanzenarten waren ursprünglich in Berlin und Brandenburg verbreitet, sind aber heute vom Aussterben bedroht. Im Gegensatz zum häufig vorkommenden und hoch aufschießenden Besenginster bleiben die beiden bedrohten Ginster-Arten sehr klein. Sie sind in der Heideumgebung kaum auszumachen.
Die Pfauen auf der Pfaueninsel sind keine Bedrohung für die neu in den Boden gesetzten Pflanzen. Bedrohlich wären da schon eher die vielen Waschbären, die wie eine unerwünschte Plage auf der Pfaueninsel vorkommen. Sie graben gern einmal die Wiesen um. Die Menschen dürften der Anpflanzung mit ihren Schuhen nicht zu nahe kommen: Sie sind eh angehalten, die eigentlichen Wege nicht zu verlassen.
Am 9. November kamen auch noch hundert Duft-Skabiosen (Scabiosa canescens) mit in den Boden. Sie wurden auf der Wiese an der UNESCO Welterbestätte Meierei mit der Hilfe weißer Pflanzscheiben ausgesetzt. Die Duft-Skabiose kommt in Berlin nur noch an einem einzigen Standort in freier Wildbahn vor – in einem Dünengebiet im Norden der Stadt, dessen Standort geheimgehalten wird, um ihn nicht zu gefährden. Einzelne zerstreute Vorkommen gibt es außerdem noch im Brandenburger Havelland, entlang des Rheins und in Bayern. Etwas häufiger wächst die Duft-Skabiose im nördlichen und östlichen Harzvorland, im Saale-Unstrut-Gebiet und im Kyffhäusergebirge.
Alle drei Pflanzenarten, die nun auf der Pfaueninsel eine neue Heimat gefunden haben, gehören zu den 92 bedrohten Arten, für deren Erhaltung Deutschland eine besondere Verantwortung im Rahmen des “Bundesprogramms Biologische Vielfalt” übernommen hat.
Wie geht es nun weiter? Klar ist, dass der normale Besucher der Pfaueninsel von den neuen Anpflanzungen kaum etwas mitbekommen wird – dafür sind die Pflänzchen zu unscheinbar. Wichtig ist, dass die 150 Jungpflanzen zumindest im kommenden Frühjahr von den Gärtnern weiter gepflegt werden. Die zuletzt in Berlin deutlich spürbaren Trockenphasen ohne Regen sorgen im Frühjahr dafür, dass viele Jungpflanzen eingehen. Sie müssen also observiert und gegossen werden.
Bei Erfolg könnte das Modell auf der Pfaueninsel sicherlich Schule machen: Vielleicht folgen ja noch mehr Pflanzenarten nach, die hier eine neue Heimat finden. (Text/Fotos: CS)
Dieser Artikel stammt aus „Zehlendorf Aktuell“ Ausgabe 117 (12/2023).
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