UNESCO-Welterbe: Waldsiedlung in Zehlendorf könnte “Siedlung der Berliner Moderne” werden!
Es gibt Stätten auf dieser Welt, die sind aus den verschiedensten Gründen so sehr von Bedeutung, dass sie unbedingt für die Nachwelt erhalten werden müssen. Sie schützt der Status, anerkanntes “UNESCO Welterbe” zu sein. Auf dieser Liste stehen übrigens auch schon sechs “Siedlungen der Berliner Moderne”. Die berühmte Waldsiedlung um den U-Bahnhof “Onkel Toms Hütte” herum könnte nun die Nummer sieben werden.
Die UNESCO bewahrt bestimmte natürlich entstandene oder von den Menschen erschaffene Orte davor, zerstört oder verändert zu werden. Eben weil sie so einzigartig sind, dass sie unbedingt für zukünftige Generationen erhalten werden müssen. Selbst in Kriegsfällen sollen die Staaten, die sich freiwillig dazu verpflichtet haben, auf eine Zerstörung des so ausgezeichneten “Welterbes” verzichten. Im Januar 2023 gab es bereits 1.157 mit dem Status “UNESCO Welterbe” (www.unesco.de) ausgestattete Stätten in 167 Ländern, darunter 51 in Deutschland.
Bereits im Jahr 2008 hat die UNESCO sechs “Siedlungen der Berliner Moderne” auf die Liste schreiben lassen. Alle sechs Siedlungen seien “Ausdruck der politischen, sozialen, kulturellen und technischen Fortschrittlichkeit im Berlin zu Zeiten der Weimarer Republik”.
Alle auf diese Weise gewürdigten und zwischen 1913 und 1934 gebauten Siedlungen hätten in architektonischer und städtebaulicher Hinsicht echte Akzente gesetzt und für Veränderungen vor allem im sozialen Wohnungsbau gesorgt, die bis heute nachwirken. Gebaut wurden sie allesamt als einfallsreiche und neu gedachte Lösung auf die große Wohnungsnot in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts.
Zu den sechs “Siedlungen der Berliner Moderne” zählen die Gartenstadt Falkenberg in Treptow, die Schillerpark-Siedlung im Wedding, die gern “Hufeisensiedlung” genannte Großsiedlung Britz in Neukölln, die Wohnstadt Carl Legien im Prenzlauer Berg, die Weiße Stadt in Reinickendorf sowie die Großsiedlung Siemensstadt.
Bemängelt wurde seit dem Jahr 2008, dass die Liste der “Siedlungen der Berliner Moderne” einfach nicht vollständig sei ohne die Waldsiedlung in Zehlendorf.
Die Waldsiedlung ist in den Jahren 1926 bis 1932 entstanden – um den U-Bahnhof “Onkel Toms Hütte” herum, der zeitgleich gebaut wurde. In der Waldsiedlung haben sich die drei Architekten Bruno Taut, Hugo Häring und Otto Rudolf Salvisberg verwirklicht. Entstanden sind vor Ort zahlreiche Mehrfamilienhäuser, die bis zu drei Stockwerke hoch sind, und viele Einfamilenhäuser.
Die Bauten wurden damals als Genossenschaftsprojekt konzipiert, um Wohnraum für verschiedene soziale Schichten bereitstellen zu können – auch für die nicht so gut betuchte Arbeiterschaft, die nicht so viel Miete bezahlen konnte. Architektur, eine grüne Umwelt und eine starke Funktionalität gingen hier eine besondere Symbiose ein – und die Häuser fügten sich nahezu organisch in die zuvor unbebaute Fläche ein.
Bruno Taut war es, der sich ein ganz besonderes Farbkonzept für seine “Wohnziegel” ausgedacht hatte. Die Fassaden, die nach Osten zeigen, wurden in leuchtenden Gelb- und Grüntönen angemalt, während die Fassaden in Richtung Westen in Braun und Dunkelrot eingefärbt sind. Insbesondere in der Nazizeit wurde die Waldsiedlung deswegen oft abfällig als “Papageiensiedlung” bezeichnet. Diesen Namen nutzen die Bewohner der Häuser und Wohnungen aber inzwischen voller Stolz und ganz bewusst.
Seit dem Jahr 1995 steht die Waldsiedlung unter Denkmalschutz. Der Status als UNESCO Welterbe würde diesen Schutz der Bauten natürlich noch einmal deutlich erhöhen.
Bislang hat es die farbenfrohe Waldsiedlung in Zehlendorf verpasst, zu den ursprünglichen sechs “Siedlungen der Berliner Moderne” hinzugezählt zu werden.
Aber was nicht ist, kann ja noch kommen. Nach einer Pause von zehn Jahren durfte Deutschland nun wieder neue Vorschläge an die UNESCO-Kommission in Paris übermitteln. Jedes Bundesland hatte im Vorfeld die Möglichkeit, zwei Vorschläge zu unterbreiten. Sieben Vorschläge haben es am Ende auf die sogenannte Tentativliste geschafft, die nun im Februar ausgewertet wird.
Zu den neuen Vorschlägen zählen etwa die Fundstätte der 300.000 Jahre alten Schöninger Speere in Niedersachsen, das “Pretziener Wehr” in Sachsen-Anhalt, der Fernsehturm in Stuttgart und auch der Olympiapark in München. Auf Platz 1 der Liste steht aber die Waldsiedlung in Berlin-Zehlendorf, “weil sie eine bereits existierende Welterbestätte vervollständigt”. Damit verbunden ist eine hohe Wahrscheinlichkeit dafür, dass die sechs von der UNESCO geschützten “Siedlungen der Berliner Moderne” bald sieben sein werden.
Unter den Bewohnern der Waldsiedlung halten sich aber Begeisterung und Kritik die Waage.
Kritisiert wurde unter anderem, dass vom ursprünglichen Gedanken, vor Ort eine Reihenhaussiedlung auch für Menschen mit niedrigem Einkommen zu entwerfen, nicht mehr viel übrig geblieben ist. Viele Jahrzehnte lang hatte die städtische Wohnungsbaugesellschaft GEHAG das soziale Wohnen vor Ort möglich gemacht – auch mit langen Wartelisten interessierter Nachmieter. 2007 hat die Deutsche Wohnen die Gebäude übernommen, zeitgleich wurden viele Wohnungen an die ehemaligen Mieter und auch an Externe verkauft. So wird das Wohnen in der Waldsiedlung inzwischen zum Luxus.
Viele Bewohner kritisieren auch, dass sie schon jetzt unter den starren Vorgaben des Denkmalschutzes leben müssen. So sei es nicht möglich, gerade in der Außengestaltung der Häuser Veränderungen vorzunehmen, was Fassadenfarbe oder die Wahl der Fenster anbelangt. Die Sorge sei groß, dass nach der Hochstufung zum UNESCO Welterbe noch mehr Vorgaben zu erfüllen seien. Eine Eigentümerin in der Siedlung fürchtet gar: “Muss ich dann in Küche und Bad wieder die Fliesen herausnehmen und wieder das alte Linoleum verlegen?”
Auch um die Ruhe vor Ort könnte es bald schlecht bestellt sein. Als UNESCO Welterbe und als ausgezeichnete “Siedlung der Berliner Moderne” würde die Waldsiedlung für Berlin-Touristen sehr attraktiv werden. Es könnte sein, dass bald Touristengruppen durch die Siedlung geführt werden, die sich die bunten Häuser und ihre Bewohner ganz genau anschauen.
Es gibt aber auch Anwohner vor Ort, die sich über die UNESCO-Auszeichnung freuen würden: “Dann wird noch mehr sichergestellt als jetzt schon, dass die Siedlung in ihrem aktuellen Zustand auch für die Zukunft erhalten bleibt – und nicht plötzlich die Bagger anrollen, um die Grünflächen zwischen den Häusern zu bebauen, wie wir es ja schon so oft in Berlin erlebt haben.” (Text/Fotos: CS)
Dieser Artikel stammt aus „Zehlendorf Aktuell“ Ausgabe 118 (1/2024).
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