Patientenakademie im Krankenhaus Bethel Berlin: Wissenswertes rund um den Dickdarm!
Wissen ist Macht. Gerade, wenn es um den eigenen Körper, die Gesundheit und um anstehende medizinische Eingriffe geht, lohnt es sich durchaus, einmal hinter die Kulissen zu schauen. Die Ärztinnen und Ärzte vom Krankenhaus Bethel Berlin laden deswegen ganz in diesem Sinne regelmäßig zu einer kostenlosen Patientenakademie ein. Am 8. August war es wieder einmal so weit. Das Thema des Abends hieß: “Neues aus dem Reich der Mitte: Wissenswertes rund um den Dickdarm.” Das Interesse war riesig.
Die Ärztinnen und Ärzte aus dem Krankenhaus Bethel Berlin (www.BethelNet.de) in der Promenadenstraße 3-5 helfen den Patienten nicht nur im Operationssaal dabei, schnell wieder gesund zu werden. Auch jenseits von Skalpell und Tupfer kümmern sie sich darum, den Menschen aus der Nachbarschaft das moderne Wissen aus dem Reich der Medizin nahezubringen.
Regelmäßig finden deswegen vor Ort kostenfreie Informationsveranstaltungen statt, die im Rahmen einer “Patientenakademie” in der Aula des Krankenhauses abgehalten werden. Bei kühlen Getränken, Obst und Bretzeln können sich die Menschen im Auditorium in kurzen Vorträgen zu einem besonderen Thema schlau machen.
Am 18. April wurde der Abend etwa unter dem Themenaspekt “Wunden heilen: Gliedmaßen retten, Amputation vermeiden” abgehalten. Ganz nach dem Motto: “Wie durch gezielte Operationen die Selbstheilungskräfte des Körpers aktiviert werden.”
Am 4. Juli ging es weiter mit der Patientenakademie “Große Gelenke: Behandlungsmöglichkeiten”.
Nach der Sommerpause luden die Verantwortlichen zu einem neuen Doppelvortrag ein. Am 8. August ging es um 18 Uhr weiter in der Patientenakademie und zwar mit dem Thema “Darmgesundheit”. Ausgeschrieben stand hier auf der Agenda: “Neues aus dem Reich der Mitte. Wissenswertes rund um den Dickdarm”. Das Thema kam bei den größtenteils schon älteren Besuchern so gut an, dass es vor dem Start um 18 Uhr keinen freien Platz mehr in der Aula gab. Es mussten sogar Kinderstühle aus der benachbarten Kita besorgt werden.
In der Vorankündigung stand: “Der Darm und seine Gesundheit spielen eine entscheidende Rolle für unser Wohlbefinden. Darmkrankheiten sind in Deutschland weit verbreitet. Darüber hinaus ist Darmkrebs eine der häufigsten Krebserkrankungen im Land.”
Dr. med. Aviva Raatz, Chefärztin für die Abteilung Innere Medizin I im Bethel-Krankenhaus, eröffnete den Abend mit einem gut halbstündigen Vortrag zum Thema “Überblick über die häufigsten Darmerkrankungen”. Dabei ging es etwa um die Divertikelkrankheit, um die Kolitis und um das Leaky-gut-Syndrom.
Besonders interessant für die Gäste in der Aula waren dabei die Ausführungen der Chefärztin über die Darmbakterien. Die Zusammensetzung des Darmbioms mit unterschiedlichen Bakterien hat nach den neuesten Erkenntnissen der Forschung einen großen Einfluss auf die eigene Gesundheit. So hieß es im Vortrag: “Bakterien produzieren aus unverdauten komplexen Kohlenhydraten Botenstoffe, welche die Darmmembran passieren und viele Reaktionen im Körper auslösen können.”
Das Mikrobiom würde über diese Botenstoffe sogar mit unserem zentralen Nervensystem kommunizieren, um das Appetitverhalten, das Körpergewicht, die seelische Verfassung oder das Temperament zu manipulieren. Ein gut zu verstehendes Beispiel sind hier Bakterien, die gern Zucker konsumieren und sofort für einen Zuckerheißhunger sorgen, sobald der Mensch als Träger nicht ausreichend Süßes zu sich nimmt. Die Bakterien stehen aber auch im Verdacht, Erkrankungen wie etwa Parkinson, Multiple Sklerose oder Rheuma mit zu begünstigen.
Die Ärztin berichtete, dass der Mensch bei seiner Geburt zunächst noch völlig keimfrei ist und anschließend sehr schnell besiedelt wird. Im eigenen Körper leben schließlich an die 100 Billionen Bakterien, die meisten davon im Verdauungstrakt. Dr. med. Aviva Raatz: “Das sind deutlich mehr Bakterien, als wir menschliche Zellen haben. Und sie haben zusammen ein hundert Mal höheres metabolisches Potenzial als die menschliche Leber. Wir müssen uns deswegen immer fragen: Wer steuert hier wen? Wir die Bakterien oder sie uns?”
Zwei bis drei Kilo unserer Lebendmasse seien dabei allein auf die Bakterien zurückzuführen. Zwar sei es mit fortlaufendem Alter immer schwieriger, Einfluss auf die eigene Bakterienzusammensetzung im Darm zu nehmen, aber der Versuch lohnt sich immer: “Hätten wir die entsprechenden Bakterien im Darm, könnten wir uns auch von Zeitungspapier ernähren.”
Um die “guten” Bakterien im Darm gezielt zu fördern, rät die Ärztin vor allem zu einer Ernährungsvielseitigkeit: “Ich empfehle, 30 verschiedene Pflanzen pro Woche zu essen. Und ich weiß: Das, was der Supermarkt uns hier anbietet, reicht da gar nicht aus.”
Der Vorteil der “guten” Bakterien: Sie produzieren Vitamine wie B und K, die der Körper braucht. Sie senden antientzündliche Botenstoffe aus. Sie trainieren das Immunsystem. Sie bilden kurzkettige Fettsäuren, die Herz und Gefäße schützen. Sie bilden einen Schleim, der die Darmzellen gesund hält und Zellzwischenräume abdichtet. Und sie schützen vor pathogenen Durchfallbakterien.
Die zweite Hälfte des Vortrags gestaltete Dr. med. Katharina Paul-Promchan, Chefärztin für Allgemeinchirurgie, aus. Sie befasste sich “aus chirurgischer Sicht” mit der Sigmadivertikulitis und dem Darmkrebs.
Ein spannendes Thema war hier vor allem die Sigmadivertikulitis. Bei der Divertikulose handelt es sich um kleine Aussackungen der Darmwand in den Bauchraum hinein oder um eine Schwachstelle der Darmwand, sodass es zu Gefäßdurchtritten kommen kann. Die Divertikulose tritt häufig linksseitig im Sigma-Teil des Dickdarms in der sogenannten “Hochdruckzone” auf.
Eine Bindegewebsschwäche, Bewegungsmangel, Übergewicht, Nikotin, eine ballaststoffarme Kost und ein hoher Konsum an rotem Fleisch können die Divertikulose begünstigen. Sie tritt überraschend häufig auf. 30 Prozent der 50- bis 70-jährigen sind betroffen, bei den über 85-jährigen sind es bereits 66 Prozent. 30 Prozent aller Menschen entwickeln eine Sigmadivertikulose, die Tendenz ist steigend.
Eine Sigmadivertikulose sorgt für linksseitige Unterbauchschmerzen, Übelkeit, Erbrechen, Fieber, Druckschmerz und anale Blutungen. Dafür sorgen entzündliche Vorgänge in den kleinen Aussackungen, wenn sich hier Nahrungsbrocken festsetzen. Und die Blutgefäße, die freigelegt werden, können eben auch Blutungen verursachen.
Unkomplizierte Stadien lassen sich konservativ etwa mit Antibiotikum behandeln, bei einem Darmdurchbruch oder einem Abszess würde man allerdings operieren. Das gilt auch bei akuten Blutungen, chronischen Stadien oder häufig wiederkehrenden Entzündungsschüben.
Der Aha-Effekt: Nicht jede Blutung im Darm muss zwingend von einem Darmkrebsgeschwür stammen. Es gilt aber weiterhin: “Darmkrebsvorstufen und kleine Karzinome als ernste, strukturelle Schädigungen am Darm verursachen keinerlei Beschwerden.” Deswegen wird weiterhin mit großem Nachdruck zu einer Vorsorge-Endoskopie für alle ab dem 50. Lebensjahr geraten. (Text/Fotos: CS)
Dieser Artikel stammt aus „Zehlendorf Aktuell“ Ausgabe 113 (8/2023).
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