Neue Haare: Zu Besuch im Perückenstudio Zehlendorf!
Haare gehören zu einer Person einfach mit dazu. Sie geben ihr das gewohnte Aussehen, Charakter und nicht selten auch Selbstvertrauen. Es gibt viele Gründe, statt auf die eigenen Haare auf eine Perücke zu setzen. Jacqueline Späthe (54) kennt sie alle. Im Kastanienhof an der Clayallee betreibt sie seit Dezember 2019 ihr „Perückenstudio Zehlendorf“. Geöffnet hat es immer am Dienstag und am Donnerstag von 11 bis 18 Uhr. (ANZEIGE)
Mittwoch und Samstag werden Termine „nach Vereinbarung“ vergeben. Gern unternimmt die Perückenexpertin zu dieser Zeit sogar Hausbesuche. Etwa im nahen „Rosenhof“, in dem sie bereits mehrere Kundinnen gewinnen konnte.
Wer das Ladengeschäft betritt, in dem früher Kochtöpfe und Terrinen verkauft wurden, entdeckt in den Räumlichkeiten etwa ein Dutzend Perücken – und viel Mode. Jacqueline Späthe: „Vielen Kundinnen und auch Kunden fällt der erste Schritt in das Geschäft nicht immer leicht. Mein Modeangebot gibt ihnen oft einen Grund, mein Perückenstudio überhaupt zu betreten. Nachdem sie sich umgeschaut haben, kommt dann oft schon die erste Frage: ‚Sie kennen sich doch mit Perücken aus, ich habe da ein Anliegen.‘ Wenn ich beobachte, dass sich Leute vor dem Geschäft für die Perücken interessieren und sich nicht hineintrauen, dann spreche ich sie auch schon einmal direkt an und frage, ob ich helfen kann. Ich bin ein sehr offener, kommunikativer Typ.“
Die gelernte Friseurin, die hauptberuflich als Verkäuferin arbeitet, sieht das Perückenstudio als ihr zweites Standbein: „Inzwischen hat auch schon der erste Mann nach einem Toupet gefragt. Auch hier kann ich helfen. Der Kunde wollte nur noch rasch mit seinem Boot nach Kiel segeln, bevor er das Thema Haarteil endlich einmal in Ruhe angehen kann.“
In Ruhe. Das ist sicherlich auch das Kernthema, wenn es um die Perückenberatung geht. Jacqueline Späthe: „Natürlich kommen zu mir auch Frauen, die Krebs haben und die nun ihre Haare verlieren und nach einer passenden Perücke suchen. Hier ist besonders große Sorgfalt angeraten, weil die Kopfhaut durch die Chemotherapie oft so empfindlich ist, dass das Tragen einer Perücke kaum möglich ist. Trotzdem ist es für viele Frauen sehr wichtig, eine natürlich wirkende Perücke zu finden, um im Alltag nicht aufzufallen. Viele erzählen auf ihrer Arbeit gar nicht, dass sie krank sind und möchten nicht, dass es den Kollegen auffällt.“
Inzwischen gibt es nicht mehr viele Perückenstudios in Berlin. Jacqueline Späthe: „Ich bin das erste Perückenfachgeschäft im Bezirk. Dabei ist mir eine gute Beratung sehr wichtig.“
Bei den meisten Kundinnen, die in den Kastanienhof finden, handelt es sich um Damen fortgeschrittenen Alters. Jacqueline Späthe: „Frauen in der Menopause stellen fest, dass sie sich vielleicht auch in der Zukunft Gedanken um ihr Haarkleid machen müssen. Hier werden die Haare dünn und die Damen frieren am Kopf. Sie könnten natürlich eine Mütze tragen. Aber eine Perücke kleidet sie auch immer sehr gut. Viele sind überrascht, wie gut sie mit der passenden Perücke aussehen. Eine Kundin sagte letztens zu mir: Mich werden Sie nicht mehr los, ich komme immer wieder. Ich bin für alle da, die Bedarf haben, ihre Haare aufzufüllen. Ich habe auch Herren- und Kinderperücken.“
Wer sich auf das Abenteuer Perücke einlässt, findet im Studio bereits eine erste Auswahl vor. Ansonsten wird das Notebook hervorgeholt. Dann wird zunächst der Kopf der Kundin vermessen. Jacqueline Späthe: „Ob groß oder klein: Je nach Kopfform wird die Frisur und die Haarfarbe zum Hauttyp ganz individuell abgestimmt. Und wenn man eine kurze Stirn hat, dann darf man das mit der Perücke nicht auch noch weiter betonen. Als Friseurin habe ich einen guten Blick dafür, außerdem war ich auf der Maskenbildner-Schule. Anschließend blättern wir am Rechner die Kataloge von mehreren Herstellern durch und schauen uns das vorhandene Angebot an. Auch die Haarfarbe klären wir dabei, sie muss ja ebenso wie der Schnitt zum Typ passen.“
Und bevor eine ganz individuelle Perücke bestellt wird, muss natürlich auch immer die allerwichtigste Frage geklärt werden: Kunst- oder Echthaar?
Jacqueline Späthe: „Kunsthaar ist nicht so anfällig, es hält einfach länger. Gerade bei Frisuren mit kurzen Haaren eignet es sich sehr gut. Vor allem meine Seniorinnen entscheiden sich gern für das Kunsthaar. Eine solche Perücke kostet zwischen 250 und 700 Euro – und sie ist auch recht pflegeleicht. Eine Echthaar-Perücke kostet zwischen 1.000 und 3.000 Euro. Der Preis hängt auch davon ab, ob indisches Echthaar oder das teurere europäische Haar verwendet wird. Vor allem junge Leute entscheiden sich gern für Naturhaar, das darf dann auch einmal deutlich länger sein. Allerdings ist das verwendete Haar ebenso anfällig wie unser echtes. Wer sich ganz frisch Locken eingedreht hat, braucht also nur in den Regen zu kommen – und die Locken lösen sich sofort auf.“
Tatsache ist, dass eine Perücke nicht ein Leben lang hält, sondern bereits nach einem halben bis ganzem Jahr gegen ein Nachfolgemodell ausgetauscht werden muss.
Jacqueline Späthe: „Wer viel schwitzt, muss die Haare regelmäßig waschen. Wer viel in der Sonne unterwegs ist, muss damit rechnen, dass die Haare mit der Zeit ausbleichen. Wenn die Perücke gut gepflegt wird, hält sie auch einmal länger, als der Hersteller verspricht. Dafür biete ich auch gern einen eigenen Pflegeservice an. Zum Glück zahlt so manche Krankenkasse bei einem entsprechenden Befund etwas zur Perücke dazu. Trotzdem bleibt ja noch ein Eigenanteil: Nicht jeder kann sich eine Perücke leisten. Mitunter bleiben nur Mützen oder Tücher als Alternative übrig.“
An eine Zielgruppe hatte Jacqueline Späthe zunächst gar nicht gedacht: „Ich bekomme auch viel Besuch aus einer ganz anderen Welt. Viele queere Kunden schauen bei mir nach der passenden Mode, haben aber auch ein großes Interesse an den verschiedenen Perücken. Gerade vor dem Christopher Street Day gibt es da immer eine gesteigerte Nachfrage. Ich freue mich, dass ich auch hier helfen kann.“ (Text+Fotos: CS)
Info: Perückenstudio Zehlendorf, Clayallee 347a, 14169 Berlin, Tel.: 0172-5494540
Dieser Artikel stammt aus „ZEHLENDORF.aktuell“ Ausgabe 78 (9/2020).
Seitenabrufe seit 23.10.2020:
Anzeige
Sie haben eine Artikelidee oder würden gern eine Anzeige buchen? Melden Sie sich unter 03322-5008-0 oder schreiben eine Mail an info@zehlendorfaktuell.de.