Petition für den Schienenverkehr: Die Betriebe in der Goerzallee sind für die Goerzbahn!
Es gab schon einmal deutlich mehr Schienenverkehr in Deutschland. Vor allem nach der Wende wurden viele Zugverbindungen aufgrund mangelnder Wirtschaftlichkeit stillgelegt. Man sollte glauben, dass viele dieser Strecken angesichts der gewünschten Mobilitätswende mit Hochdruck wieder reaktiviert werden. Genau das passiert aber viel zu selten. Auch die Goerzbahn kommt nicht in Fahrt.
In der Goerzallee direkt an der Berliner Stadtgrenze ist in den letzten Jahren sehr viel passiert. Silvio Schobinger hat so etwa zusammen mit seinem Bruder das Goerzwerk gegründet und in einem alten Industriebau eine einzigartige Wirkungsstätte zahlreicher Startups aus den verschiedensten Wirtschaftsbereichen ins Leben gerufen. Auch sonst gibt es entlang der Goerzallee sehr viele Ansiedlungen von Gewerben aller Art. Viele dieser Unternehmen haben sich im Verein Goerzallee e.V. (www.goerzallee.berlin) zusammengeschlossen, um den gemeinsamen Interessen eine lautere Stimme zu geben. Vehement fordert der Verein nun: Lasst die Goerzbahn wieder rollen – und zwar für den Personenverkehr. Das würde den Mitarbeitern der Firmen dabei helfen, „die letzte Meile“ zum Arbeitgeber zuverlässig, pünktlich und zugleich auch nachhaltig und umweltfreundlich zu überbrücken.
Zu den Fakten: Die Goerzbahn wurde 1905 in Betrieb genommen. Die kleine Bahnstrecke zwischen Steglitz und Schönow wurde damals errichtet, um Baustoffe in das neue Schönower Industriegebiet zu transportieren. Ab 1919 wurden auch Menschen mit dem Zug transportiert. Damals aber nur, um die Goerz-Mitarbeiter zu befördern. Während der Teilung Berlins gab es nur noch den Güterverkehr vor Ort – und das mit stark abnehmender Tendenz.
Silvio Schobinger: „Am Ende gab es nur noch einen einzelnen Betrieb, der Autoteile mit der Goerzbahn transportieren ließ. 2018 fuhr der letzte Güterzug, der Versand der Autoteile wurde seitdem auf den LKW verlagert.“
Seit 1981 ist die AG Märkische Kleinbahn die offizielle Mieterin des ehemaligen Lokschuppens in Schönow direkt an der Goerzallee. Der Verein kümmert sich um den Erhalt des Bahngeländes, führt an Ort und Stelle ein Eisenbahnmuseum und lädt einmal im Jahr zu einem Tag der Offenen Tür mit Demonstrationsfahrten über die alten Schienen ein. Die Infrastruktur der Bahn ist also weiterhin intakt.
Silvio Schobinger, der Vorstandsvorsitzender und Hauptinitiator vom Netzwerkverein Goerzallee e.V ist, sagt: „Wir haben in der Goerzallee eine sehr unschöne Verkehrssituation. Alle zum Goerzwerk führenden Straßen sind einspurig. Das betrifft die Goerzallee selbst, aber auch den Dahlemer Weg und den Teltower Damm. Das führt dazu, dass PKWs, LKWs und Busse regelmäßig im Stau stehen. Die Erschließung der Goerzallee mit Bussen des öffentlichen Nahverkehrs reicht bei weitem nicht aus. Hinzu kommt, dass die bekannten Carsharing-Unternehmen die Goerzallee regelrecht aussparen. Ihr Radius endet etwa an der Sundgauer Straße. Das Problem ist, dass viele der in der Goerzallee tätigen Unternehmen händeringend Personal suchen. Die unbefriedigende Verkehrssituation hält aber potenzielle Mitarbeiter davon ab, einen Arbeitsvertrag zu unterschreiben. Wir haben bereits den Fall, dass expandierende Firmen den Standort verlassen und ins gut angebundene Berliner Zentrum oder in Gewerbezentren im Speckgürtel ziehen, die besser mit dem Thema Letzte Meile umgehen.“
Aus diesem Grund wünscht sich der Gewerbeverein sehr, dass die Goerzbahn wieder in den Betrieb genommen wird. Es geht um eine knapp acht Kilometer lange Strecke vom Rathaus Steglitz über den Bahnhof Lichterfelde-West bis hin zum Haltepunkt Schönow.
Silvio Schobinger: „Die Gleise liegen ja bereits, sie werden nur nicht genutzt. Einzig und allein am Bahnhof Steglitz wären bauliche Maßnahmen nötig. Notfalls reicht aber auch die drei Kilometer lange Strecke zwischen Lichterfelde-West und Schönow aus. Die nötigen Investitionen an dieser Stelle wären siebenstellig, aber überschaubar – und wenig im Vergleich zu den Kosten, die bei einem Streckenneubau anfallen würden. Es müssten auch etwa 40 ungesicherte Übergänge über die Gleise neu gesichert oder aber entfernt werden. In diesem Zusammenhang muss man wissen, dass das Bahngelände der Goerzbahn und der Bahnhof seit letztem Jahr der Stadt Berlin gehören. Es gibt eine Widmung, dass das Gelände für verkehrliche Belange genutzt werden soll. Wir wünschen uns hier aber keinen Fahrradschnellweg und auch keinen P&R-Parkplatz, sondern eine neue Goerzbahn, die die vorhandenen Strukturen perfekt nutzt.“
Der Goerzallee-Verein denkt bereits weiter und träumt von einem autonom fahrenden Elektro-Zug, der sich über eine App anfordern lässt und dessen Algorithmus dann an die Nachfrage angepasst den Fahrplan bestimmt.
Silvio Schobinger: „Alleine bei uns im Goerzwerk betrifft dies etwa 400 Mitarbeiter, die zwei Mal am Tag die Goerzbahn nutzen könnten. Und nicht nur das: Der Zug könnte Tag und Nacht durchfahren. So haben auch die Anwohner die Chance, das Auto stehen zu lassen und abends mit dem Zug zum Theater oder zum Kino zu fahren. Der Rückhalt der Bevölkerung aus unserem Kiez passend zu unserer Idee ist aus diesem Grund sehr hoch. In acht Minuten wäre man mit unserem Zug in Lichterfelde-West, in zwölf Minuten in Steglitz. Ab Lichterfelde könnte das Fahrzeug von der Goerzbahn auf die Gleise der alten Stammbahn wechseln, die parallel zur S-Bahnstrecke verlaufen. Zwei zusätzliche Haltepunkte entlang des Dahlemer Wegs könnten die Anbindung der angrenzenden Wohngebiete verbessern. Bei der Finanzierung des Elektrozuges würde sich die lokale Wirtschaft auch beteiligen.“
Um der Idee etwas mehr politischen Druck zu verleihen, gibt es seit dem 21. Januar eine Petition (www.openpetition.de/!tcxgd), die binnen zwei Wochen bereits 500 Unterschriften einsammeln konnte. Silvio Schobinger: „Wir brauchen jetzt die Unterstützung der Politik, damit die eingerostete Goerzbahn wieder ins Rollen kommt.“ (Text/Fotos: CS)
Dieser Artikel stammt aus „Zehlendorf Aktuell“ Ausgabe 107 (2/2023).
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