60 Flipper in der Flipperhalle Berlin: Kugel frei!
Es ist eine riesige Halle am Rand von Berlin, dort, wo ansonsten nur Autowerkstätten, Büros und kleine Firmengebäude zu finden sind. Um sie betreten zu können, muss man draußen erst einmal klingeln. Dann öffnet Jörg Meissner (54) die schwere, metallene Tür und lässt den Besucher ein – ins elektronische Paradies. Denn in der großen Halle sind auf etwa 250 Quadratmeter Fläche über 60 Flipper in mehreren Reihen aufgestellt. (ANZEIGE)
Sie alle sind eingeschaltet. Lichter blinken hektisch, bekannte Erkennungsmelodien werden abgespielt, Soundeffekte schrillen im Ohr und Flipperkugeln knallen mit lautem Tock in die Hindernisse. Es ist eine geballte Überforderung der Sinne – und doch so etwas wie ein wahr gewordenes Eldorado der Erinnerungen.
Denn die Flipperhalle Berlin huldigt einem elektronischen Unterhaltungsgerät, das früher in jeder Kneipe stand und inzwischen nur noch selten in der freien Wildbahn auszumachen ist.
Jörg Meissner: „Mein ältester Flipper, das ist der ‚Four Seasons‘ aus dem Jahr 1968. Er funktioniert noch elektromechanisch. Das bedeutet, dass es keine elektronischen Anzeigen gibt. Hier klicken noch echte Relais. Der neueste Flipper in der Halle, das ist der ‚Stranger Things‘ aus dem Jahr 2020. Zurzeit warte ich auf den neuen ‚Ninja Turtles‘ Flipper. Und auf den ‚Hot Wheels‘, den habe ich schon probegespielt, der ist lustig. Aber da klemmt die Lieferung noch – wegen Corona.“
Corona macht den Betrieb der einzigartigen Flipperhalle zurzeit sowieso etwas schwierig. Jörg Meissner: „Vor Corona hatten wir bis zu 200 Besucher am Tag, zurzeit sind es deutlich weniger. Vor allem die Berlin-Touristen fehlen, bei denen ist unsere Flipperhalle ein echter Geheimtipp. Aber auch viele Stammkunden machen derzeit eine Pause. Dabei haben wir ein ausgefeiltes Sicherheitskonzept. Wir lassen immer nur 50 Personen gleichzeitig in die Halle, desinfizieren die Geräte regelmäßig und halten für die Besucher sogar Stoffhandschuhe bereit.“
Wer Spaß an einer Runde Flipper hat, kann sich Freitag und Sonnabend von 14 bis 22 Uhr in der Halle einfinden. Man bezahlt nur einmal zehn Euro Eintritt (Kinder bis 6 Jahre frei, bis 12 Jahre 5 Euro) – und darf dann an den Geräten spielen, so lange man es möchte. Da gibt es kein hektisches Fummeln in der Gesäßtasche mehr, ob man nicht doch noch einen letzten Euro findet. Und kein Bangen, ob das Gerät am Ende ein Freispiel spendiert, weil die letzten beiden Ziffern im Score die richtigen sind.
Jörg Meissner: „Wir haben Leute, die bleiben acht Stunden und spielen, spielen, spielen. Die meisten sind so etwa zwei Stunden bei uns, dann haben sie alle für sie interessanten Geräte einmal durchprobiert. Eine Liste der Hallen-Highscores führen wir nicht. Es gibt hier Spezies, die kennen jeden Kniff und jeden Trick: An deren Scores würde kein Gelegenheitsspieler herankommen. Die wissen, wie man an die Bonuspunkte gelangt und in welcher Reihenfolge sie die Targets und Rampen anspielen müssen.“
Früher standen nur 30 Flipper in der Halle, heute sind es 60. Wobei die Auswahl sich immer wieder einmal ändert, um für Abwechslung zu sorgen. Wer also mit der „Addams Family“ in die Gruft steigen, mit den „Guardians of the Galaxy“ im UFO abheben oder mit den „Herren der Ringe“ nach Mittelerde durchstarten möchte, kann dies gern tun. Es gibt Terminator-Flipper, Star-Wars-Geräte und sogar einen gruseligen Walking-Dead-Flipper. Star Trek, Kiss, The Flintstones, Indiana Jones und Game of Thrones: Für jedes Franchise gibt es den passenden Flipper.
Da müssten die Kiddies doch ausrasten, oder? Jörg Meissner lacht: „Man darf eins nicht vergessen: Die meisten Kinder haben noch nie einen Flipper gesehen. Die sind mit den Konsolen aufgewachsen. Aber an so einem Gerät zu stehen und mit den Fingern die Flipperärmchen zu bedienen, während die Metallkugel lautstark durch den Flippertisch furcht, das ist Adrenalin pur. Wir haben hier viele Kindergeburtstage in der Halle – die haben richtig viel Spaß mit diesen alten Geräten, mit denen ihre Väter groß geworden sind.“
Jörg Meissner stattet auch Events mit seinen Flippertischen aus, repariert die Geräte für Sammler, kauft und verkauft die Tische und engagiert sich im Flipperverein (www.flipperverein.de). Ist in der Halle etwas kaputt, wird es selbst repariert: „Ansonsten würde sich das nicht rechnen.“
Inzwischen hat sich der Flipperhallenbetreiber beim „Metallbau Zehlendorf“ gleich gegenüber noch etwas Platz hinzugemietet. Hier unterhält Jörg Meissner seine Werkstatt und sein Materiallager: „Außerdem bauen wir hier noch eine kleinere Halle mit Flippertischen auf, die man für Feiern und Festlichkeiten mieten kann. Inzwischen ist es manchen Feiernden zu teuer, die große Halle zu buchen.“
Dabei kann man über die Preise echt nicht meckern. Für einen Zehner Eintritt kann man deutlich länger spielen als in jeder Kneipe. Und viel mehr Geräte ausprobieren. Inzwischen steht auch ein Lounge-Bereich zum Ausruhen bereit: Getränke kosten hier nur einen Euro.
Nervt es den Betreiber, wenn die Spieler mitten im Game die Tische wechseln und dann eigentlich noch ein, zwei Kugeln zu spielen wären? Jörg Meissner: „Ach iwo, das spielt der nächste Spieler einfach weg. Wir finden es nur doof, wenn Getränke auf oder unter die Flippertische gestellt werden. Da fallen sie um – und es gibt eine Sauerei.“ (Text/Fotos: CS)
Info: Flipperhalle Berlin, Kleinmachnower Weg 1, 14165 Berlin, Tel.: 0172-3011913, www.flipperhalle-berlin.de
Dieser Artikel stammt aus „ZEHLENDORF.aktuell“ Ausgabe 77 (8/2020).
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