Wannsee: Schießen auf der ehemaligen Rose Range!
In Wannsee wird scharf geschossen. Und das hat Tradition. Bereits Kaiser Wilhelm hatte der DEVA (Deutsche Versuchs- und Prüfanstalt für Jagd- und Sportwaffen) ein Gelände in Berlin-Halensee zur Verfügung gestellt. Auf einem Gelände der Reichsbahn entstand ein erster Schießstand. 1927 musste das Areal an die Reichsbahn zurückgegeben werden. Der Grund hieß schon damals: Eigenbedarf.
Die DEVA bekam von der Stadt Berlin stattdessen ein sieben Hektar großes Ersatzgelände in Wannsee gestellt. Hier entstanden neben einem Verwaltungsgebäude mehrere Schießbahnen und auch ein Wurftaubenstand. 1936 fanden vor Ort sogar die olympischen Schießwettbewerbe statt.
Nach dem Zweiten Weltkrieg beschlagnahmte das US-Militär das Gelände. In Wannsee kannte man es fortan nur noch unter dem Namen „Rose Range“. Die Schießanlage wurde auch von der Berliner Polizei und vom amerikanischen Rod&Gun Club genutzt. 1994 zogen die Alliierten ab und haben das Gelände wieder an die DEVA zurückübertragen. Die Berliner Polizei nutzt es als Mieter weiterhin für die eigenen Schießübungen.
Vor Ort ist auch der BDS Landesverband 1 Berlin-Brandenburg e.V. präsent. Präsident Friedrich Gepperth (63): „Der Bund Deutscher Sportschützen ist 1975 entstanden, 1991 wurde Berlin als Landesverband gegründet. Zu uns gehören 240 Vereine mit 8.800 Mitgliedern in Berlin und Brandenburg. Das Selbstverständnis unserer Mitglieder ist das Großkaliberschießen. Wir schießen mit Kurz- und Langwaffen aller Art, aber auch mit Kleinkaliberwaffen. Wir bieten unseren Mitgliedern ein extrem abwechslungsreiches Sportprogramm, das sie fordert, aber nicht überfordert. Unsere Mitgliederzahlen wachsen kontinuierlich, auch immer mehr Frauen finden den Weg zu uns. Sicherlich werden wir die 10.000er Marke bald reißen.“
Die Sportschützen können natürlich in ihren Vereinen schießen. Es besteht aber auch die besondere Möglichkeit, Mitglied direkt im Landesverband zu werden, um die Schießbahnen in Wannsee mit benutzen zu können. 2.600 Einzelmitglieder nutzen diese Möglichkeit bereits.
Friedrich Gepperth, der seit 1996 Präsident im Landesverband ist: „Wir wissen natürlich, dass es nicht jeder gern sieht, wenn sich Schützen sportlich mit der Waffe betätigen. Zwei Argumente möchte ich gern anbringen. So sind wir absolut unpolitisch und möchten jede Form der Politik gern aus unserem Sport fernhalten. Und wir legen größten Wert auf Sicherheit. Um eine Großkaliber-Kurzwaffe oder eine mehrschüssige Langwaffe besitzen zu dürfen, muss man wenigstens 21 Jahre alt sein und ein psychologisches Gutachten vorweisen. Man muss, um sich eine eigene Waffe anschaffen zu dürfen, vorher wenigstens 12 Monate im Verband und im Verein geschossen haben. 18 Schießtermine sind Pflicht. Man muss außerdem eine Sachkundeprüfung ablegen, eine weiße Weste im Führungszeugnis haben und eine Verfassungsschutzabfrage überstehen – das alles hält ‚Spinner‘ fern. Die Behörde stellt anschließend eine Waffenbesitzkarte aus, mit der man bei einem Händler eine Waffe kaufen darf. Sie muss entladen und getrennt von der Munition in einem sicheren Waffenschrank gelagert werden.“
Laut Aussage des Vereins gibt es in Deutschland eine Million Waffenbesitzer und fünf Millionen Waffen. Ganz egal, ob Selbstladebüchse, Repetiergewehr, Smith & Wesson, 357 Magnum Revolver oder 9mm Luger Pistole: Im europäischen Mittel liegt Deutschland weit hinten, was die Versorgung der Bevölkerung mit Waffen anbelangt. Friedrich Gepperth: „Selbst in England, wo ganz viel verboten ist, gibt es mehr Waffenbesitzer. Und ganz Skandinavien ist bis an die Zähne bewaffnet.“
In Berlin gibt es viel zu wenig Schießstände, oft mieten sich die Vereine deswegen in Wannsee ein. Franz Renhart (73), 2. Vorsitzender im Verband: „Wir haben jeden Werktag ab 13 Uhr geöffnet, am Wochenende bereits ab 9 Uhr. Wie bei einem Golfplatz kann man sich online eine Startzeit buchen, wir sind da volldigital aufgestellt. Ganz wichtig ist: Niemand schießt alleine, es gibt immer eine Aufsicht, die von uns gestellt wird. Jeder, der zu uns kommt, schießt wenigstens 50 Schuss. Das wird eingetragen in das persönliche Schießbuch. Das ist auch wichtig für den Waffenerhalt, denn nur der, der regelmäßig schießt, darf die Waffe behalten. Vor Ort gibt es zwei Stände mit Entfernungen bis zu 50 Metern bei fünf bis sechs Bahnen pro Stand. Wir schießen alle Entfernungen und können auch die 300-Meter-Bahn der DEVA mitbenutzen.“
Die Mitglieder haben die Möglichkeit, sich vor Ort in Großkaliber-, Schwarzpulver-, Silhouetten- und auch in Westernwettbewerben zu beweisen. Gerade das Westernschießen ist ein großes Thema im Verband. Dazu ist das Fallplattenschießen auf Stahlscheiben äußerst populär. Mit der Schrotflinte hat man so etwa sechs Schuss, um fünf Targets zum Fallen zu bringen. Hier werden nur die geschossenen Zeiten pro Durchgang gewertet und addiert. Diese werden nicht etwa mit der Stoppuhr gemessen, sondern mit einem elektronischen Zeitmessgerät, Timer genannt. Dieser Timer zeigt immer die Zeit des zuletzt abgegebenen Schusses an.
Friedrich Gepperth: „Sehr gefragt ist bei uns auch das noch junge IPSC-Schießen. Das ist ein sehr moderner Schießsport – und sehr munitionsaufwendig. Wir nennen das auch dynamisches Bewegungsschießen. In einem Parcours schießt man nicht nur auf die Trefferquote hin, sondern auch auf Zeit. Die Trefferzahl wird durch die Zeit geteilt, um einen Hitfaktor zu errechnen. Das ist inzwischen in 110 Ländern ein echter Hochleistungssport geworden und es finden regelmäßig internationale Wettbewerbe statt – so auch bei uns.“ (Text/Fotos: CS)
Info: BDS Landesverband 1 Berlin-Brandenburg e.V., Stahnsdorfer Damm 12, 14109 Berlin, Tel.: 030-97992357, www.bdslv1.de
Dieser Artikel stammt aus „ZEHLENDORF.aktuell“ Ausgabe 79 (10/2020).
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