Scheibes Glosse: Familienzeit in Quarantäne!
Am Anfang der Corona-Krise: Die sonst hart arbeitende Familienmama Karin freut sich über die Ansage, dass in der Corona-Zeit möglichst alle Bürger Zuhause bleiben sollen, die nicht systemrelevant sind: „Endlich haben wir die Zeit, uns als Familie komplett neu kennenzulernen. Das wird toll, das verspreche ich Euch. Endlich kann ich mit meinem Mann stundenlang kuscheln und verliebt spazierengehen. …
… Und meine Kinder, die ich sonst kaum noch sehe, die werden mir sicherlich zeigen, zu welch wunderbaren Menschen sie sich in den letzten Jahren entwickelt haben.“
Am Ende der Corona-Krise
„Please stay at home“ ist Geschichte, das normale Leben kann nach dem Abklingen der Corona-Pandemie langsam wieder beginnen. Das ist der perfekte Moment, um mit der Familie abzurechnen, mit der man zuletzt viel zu viel Zeit verbracht hat. Wie unsere liebevolle Durchschnitts-Mutti jetzt wohl reagiert? Wir haben einmal zugehört.
Karin: „Lieber Ehemann Martin. Sollte jemals jemand auf die blöde Idee kommen, uns gemeinsam über einer einsamen Insel abzuwerfen, dann sollte er mir bitte passend zum Bikini auch einen Strick samt Mühlstein in den Koffer packen: Damit ich gleich ins Meer hüpfen und mich willentlich ertränken kann. So einiges ist mir während unserer kleinen gemeinsamen Quarantäne-Zeit aufgefallen: Dein geistiges Seelenleben hat nicht mehr Substanz als ein Stück vertrockneter Tofu. Wenn du nicht stundenlang irgendwelche Sportaufzeichnungen oder Actionfilme im Fernsehen schaust, dann schläfst du auf dem Sofa ein und schnarchst zum Gotterbarmen. Letztens hast du damit sogar eine Elchkuh angelockt, die deinen Brunftrufen von Norwegen bis hierhin gefolgt ist.
In den letzten Wochen hast du mich nicht auch nur mit dem Arsch angeguckt und stattdessen deine ekligen Rückenhaare im ganzen Bad verteilt. Alles lässt du liegen, wo du stehst – Socken, vollgerotzte Taschentücher, leergegessene Teller. Ich denke, selbst mit einem verhaltensgestörten Gorilla aus dem Zoo hätte ich mich während Corona besser unterhalten als mit dir.“
Ärger gibt es auch mit der großen Tochter: „Elisabeth, das machst du also den ganzen Tag, wenn ich arbeiten bin: Deine Klamotten im ganzen Zimmer verteilen, den Tag auf dem Bett liegen und am Handy spielen! Um nach der täglichen Konferenz-Videoschaltung mit deiner Schulklasse die Lösungen für die gestellten Aufgaben per WhatsApp zugeschickt zu bekommen. Und wenn ich dann mit dir Hausaufgaben mache, hast du nicht mehr Ahnung von Trigonometrie als ein lobotomiertes Meerschweinchen auf Möhrchenentzug! Vielleicht solltest du das mit dem Abi noch einmal überdenken und lieber eine Karriere als Live-Verkehrsüberwacherin an einer stillgelegten Ampel im ruhigen Gewerbegebiet Nord in Betracht ziehen. Und wenn du noch einmal meine Anziehsachen klaust, ohne zu fragen, veranstalte ich mit deiner Frisur ein Makeover, gegen das die Neugestaltung bei Heidi Klum nur ein gepflegtes Spitzenschneiden ist.“
Auch der kleine Sohn bekommt sein Fett weg: „Gabriel, ich weiß zwar nicht, wo du kleiner Krimineller das Konsolenspiel ‚Killerblut 2020‘ her hast, aber ich weiß, dass es erst ab 18 Jahren spielbar ist. Da bist du noch meilenweit und eine ganze Pubertät von entfernt. Und nachdem, was ich da auf dem Bildschirm gesehen habe, würde ich Arnold Schwarzenegger einen Softie schimpfen und die Jungs von der Fremdenlegion Warmduscher und Luschen nennen. Solltest du nicht gleich nach der Grundschule in das Spezial-Killer-Corps einer südamerikanischen Putsch-Regierung eintreten wollen, dann war es aus pädagogischer Warte durchaus richtig von mir, die Spiele-DVD zu zerschneiden.
Du hättest auf diese erzieherische Maßnahme aber durchaus anders reagieren können. Das Passwort zum Familien-WLAN zu ändern, war bereits frech. Im Fernseher sämtliche Stationen mit ARTE zu belegen, war eine Gemeinheit, die deiner nicht würdig ist. Das war wirklich fast das Äußerste an Gemeinheit, was mir in dieser Familie je untergekommen ist. Meinen Kleiderschrank aber mit deinem Fahrradschloss abzusperren, das war die Krönung. Ich bin sehr froh, wenn du endlich wieder in die Schule darfst, damit auch einmal andere Menschen in den Genuss deines destruktiven Einfallsreichtums kommen.“ (CS, Foto: Tanja M. Marotzke)
Dieser Artikel stammt aus „ZEHLENDORF.aktuell“ Ausgabe 74 (5/2020).
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