Scheibes Glosse: Passwörter
Früher hat man einen Schatz mit blutrünstigen Fallen und wirksamen Flüchen geschützt, notfalls wurde sogar das Übernatürliche angerufen. Und heute? Aus Gold und Silber sind längst persönliche Daten geworden. Und die sichert man am besten mit – na klar, einem Passwort. Dabei ist die Wahl des richtigen Passwortes längst zu einer regelmäßig wiederkehrenden Sisyphusarbeit geworden. Und wer das perfekte Passwort gefunden hat, darf es nicht einmal mehr behalten.
Das allererste Passwort, mit dem ich es am Computer zu tun bekommen hatte, stand in dünnen Buchstaben aufgedruckt auf einer Diskettenhülle. Man musste es bei der Installation eines Computerspiels eingeben, um sich als tatsächlicher Besitzer der Originaldateien auszuweisen.
Von da an wurde es nur noch schlimmer. Obwohl es erst noch lustig war. Etwa, als mir der Mann von der Telekom erlaubte, das kryptische WLAN-Passwort anzupassen. Während ihrer gesamten Pubertät mussten meine Kinder ihren Freunden deswegen sagen, dass unser Familien-Passwort für das WLAN „Keinsexvorderehe“ ist. Alles klein, nur am Anfang groß.
Dann ging es aber auch schon los mit dem Internet-Boom. Von Amazon, eBay und PayPal über das E-Mail-Konto bis hin zum Online-Zeitungs-Abo: Überall wurde plötzlich ein Passwort verlangt.
Natürlich wusste ich genau, dass man hier nicht die Namen der Kinder, das Kosewort des Haustieres, den Geburtstag der Ehefrau oder Klassiker wie „ABC“ oder „123456“ in die Eingabemaske tippt. Stattdessen verwendete ich Wörter, die ich selbst gern benutze, die Fremde aber nicht erraten können. Etwa „Krippenschnitzer“, „Zapfenpflücker“ oder „Seppel“.
Das ging eine Weile lang gut. Bis mir mein Computer plötzlich bei der Eingabe eines Passwortes mitteilte: „Durch eine Datenpanne auf einer Website oder in einer App wurde Ihr Passwort preisgegeben.“
Oha. Anscheinend gelingt es kaum einer Firma, die gesammelten Passwörter in der Kombination mit den E-Mail-Adressen für sich zu behalten. Was für ein Sicherheitsloch. Nur deswegen musste ich mich leider von meinem Passwort „Seppel“ verabschieden, das ich viel zu großzügig in Dutzenden Diensten verwendet hatte.
Aber der „Seppel“ sollte zu mir zurückkehren. Denn schon bald hieß es bei der Vergabe neuer Passwörter, dass Buchstaben alleine nicht mehr ausreichen. Ich sollte doch noch ein paar Sonderzeichen und Zahlen mit ins Rennen schicken. Mein Computer schlug mir fürsorglich Zeichenkolonnen wie „fgg2312GH**w33!!2 3§§4$5“ vor.
Aber wer kann sich das schon merken? Nur deswegen habe ich den „Seppel“ wieder vorgekramt und daraus „Seppel@123“ gemacht. Mit dem Sonderzeichen-Seppel kam ich bestimmt ein ganzes Jahr lang über die Runden. Bis die Online-Dienste plötzlich verlangten, dass ich mein Passwort alle paar Wochen gegen ein neues austausche. So kamen nach und nach auch „Krippenschnitzer@123“ und „Zapfenpflücker@123“ hinzu. Da ich aber gelernt hatte, dass es nicht besonders schlau ist, das gleiche Passwort in vielen verschiedenen Diensten zu verwenden, wurden es immer mehr Passwörter. Das verwirrte mich.
Schon bald wurden die Regeln abermals verschärft. Nun sollten die Passwörter auf einmal wenigstens 14 Zeichen lang sein. Und es durfte kein Großbuchstabe mehr am Anfang stehen. Stattdessen wurde er in der Mitte des Wortes verlangt. Ich kam schwer durcheinander. Hieß mein neues Passwort nun „butlerParker@123“ oder „butleRparker@123“?
Mit der Zeit wurden die Dienste, die nach einem Online-Passwort verlangen, immer mehr. Ich denke da nur an die vielen Streaming-Dienste. Disney+, Netflix, Paramount, Amazon Prime, Apple-Plus – wer soll sich diese ganzen Passwörter nur merken? Haha, Safari tut das. Mein treuer Web-Browser sichert die Passwörter inzwischen vollautomatisch für mich und gibt sie selbstständig in die Abfragemaske ein, sobald ich meinen Zeigefinger zur Autorisierung auf die entsprechende Sensor-Taste auf der Tastatur lege. Gutes Safari!
Mein Problem kam aber zurück, sobald ich den Browser wechselte. Google Chrome kannte meine Passwörter leider nicht. Und schon geriet ich wieder ins Schwitzen.
Für den Fall, dass ich mal wieder einen Aussetzer habe, trickse ich deswegen ab sofort. Ich klicke einfach auf „Passwort vergessen“. Sofort kriege ich eine hilfreiche Mail, vergebe ein neues Passwort – und alles ist gut. Bis zum nächsten Mal.
Da das natürlich nicht die Lösung für immer sein kann, schreibe ich alle meine Passwörter jetzt in eine Passwort-geschützte Liste hinein. Da habe ich sie alle beisammen wie einen Sack Flöhe, den ich hüten muss. Nur leider, leider bin ich manchmal so verwirrt, dass mir auch das Passwort für den Passwort-Safe nicht mehr einfallen möchte. (Carsten Scheibe)
Dieser Artikel stammt aus „Zehlendorf Aktuell“ Ausgabe 110 (5/2023).
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