Scheibes Kolumne: Der Winter naht – Großalarm!
Es ist immer wieder das gleiche. Im Urlaub steht man am Strand, die glühend heiße Sonne fräst einem kleine Brandblasen auf den Rücken, das Meereswasser umspült die ins Nass getauchten Beine – und wohlig seufzt der Mann: „Ach, hier ist es schön. Für mich könnte es immer Sommer bleiben!“
Unisono nicken die Frauen, um dann aber innezuhalten und sofort zu ergänzen: „Aber auf die Jahreszeiten, auf die könnte ich nicht verzichten. Für mich hat ja auch der Winter etwas!“
Ja, was denn? Die Tage werden so kurz, dass man eigentlich permanent im Dunkeln steht. Auf dem Weg zur Arbeit und auch wieder von der Arbeit zurück. Schnell kommt man sich vor wie ein Vampir, der jeden Kontakt mit der Sonne scheut. Mangels Sonne schrumpfen die Vitamin-D-Vorräte im Körper, der Teint wird madenweiß und die Haut nimmt die Konsistenz eines alten Käsekuchens an, der seit Tagen in der Küche austrocknet.
Derweil wächst die eigene Plauze, weil die ganzen Weihnachtsleckereien vom Gänsebraten bis zum Bratapfel mit Vanillesoße locken – und man die Pfunde so herrlich einfach unter all den Lagen Kleidung verstecken kann, die man braucht, um bei gefühlten Temperaturen von minus 70 Grad nicht den Eindruck zu bekommen, nach Sibirien gereist zu sein.
Winter, das ist ja so schön! Meint ihr das ehrlich, ihr Frauen? Morgens sind die Scheiben der Autos von oben bis unten zugefroren und wir Männer müssen kratzen, Schnee vom Autodach fegen und für klare Sicht sorgen. Klar, derweil sitzt ihr schon im Auto und wärmt euch den Hintern an der Sitzheizung. So kann man es natürlich auch machen. Kennt ihr Klebeeis? Das ist dieser ganz besonders lästige Autofrost, der auch mit dem schärfsten Schaber nicht von der Frontscheibe weichen möchte. Eigentlich müsste doch in der „Höhle der Löwen“ längst jemand einen Flammenwerfer vorgestellt haben, der das Auto in nur einer Sekunde komplett enteisen kann.
Und dann – Spaziergänge! Sind ja sooo schön im Winter. Na klar. Auf der Glatze bleiben die Schneeflocken kleben, unter der Nase bilden sich Eiszapfen, die Lungenentzündung ist nicht fern und im Schnee sieht man es auch nicht, wenn man in Hundedreck tritt, der tretminenartig unter der weißen Decke wartet. Ganz romantisch! Und kaum betritt man wieder warme Gefilde, beschlägt einem die Brille, dass man minutenlang ohne Orientierung darauf wartet, dass die Sicht wiederkehrt.
Aber wir Männer ahnen schon, was für Frauen am Schmuddelwetter bei Minusgraden so schön sein soll. Und wir sprechen das grausige Unwort mutig aus – Deko! Jawohl, Winter ist Dekozeit. Das Haus muss geschmückt werden. Ein Adventskranz muss her, Lichterketten müssen aufgehängt werden, Schnickschnack gilt es zu verteilen. Die Aufgabe des Mannes ist es auch hier, die Kiste mit der Weihnachtsdeko aus dem engen Kabuff hervorzuholen, wo sie zuvor hinter den Kisten mit der Osterdeko versteckt wurde. Und dann gilt es auch noch, „freudig“ beim Dekorieren zu helfen. Also ehrlich: Lieber würden wir die Zeit damit verbringen, uns mit einem Hammer auf den kleinen Zeh zu hauen.
Gibt es denn irgendetwas Erfreuliches an der Winterzeit? Weihnachtsmärkte etwa? Oh nein. Auf denen gibt es nur noch mehr Dekokram zu kaufen. Dekokram, den der Mann durch die in den Gängen verkeilte Masse transportieren muss, die aus im Schneckentempo voraneilenden und über die gesamte Gangbreite verteilte Großfamilien, sich innig abschleckenden Frischverliebten oder Müttern mit extrabreiten Kinderwagen besteht.
Da stehen wir also wieder an unserem Strand, genießen die Wärme, die Sonne, die Helligkeit, die erfrischende Briese und die Aussicht auf ein schönes leichtes Essen mit frischem Fisch – und denken über die Jahreszeiten nach. Und ja, sie können uns Männern gestohlen bleiben. Für uns kann es gern immer Sommer bleiben. (Carsten Scheibe, Foto: Tanja M. Marotzke)
Seitenabrufe seit 21.12.2016:
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