Scheibes Glosse: Gut informiert!
Bei uns steht eine Veranstaltung an. Fünfzig Teilnehmer aus der Region wollen kommen. Damit niemand den Termin vergisst und alle wissen, was sie erwartet, kümmere ich mich rechtzeitig darum, alle Informationen per Mail zu versenden. Das geht gründlich schief. Im Strudel der digitalen Möglichkeiten gehen wichtige Nachrichten inzwischen schneller verloren als eine Brieftaube auf dem Weg durch das Jagdgebiet ausgehungerter Falken.
Susanne (Name geändert) schreibt mir per WhatsApp: „Wann war das Ding doch gleich noch mal?“
Ja, richtig, Susanne. Unser großes Event, ausgerichtet von unserem Verlag, steht kurz davor, endlich stattzufinden. Ich habe es mir längst angewöhnt, alle Teilnehmer vor einer Veranstaltung rechtzeitig per Mail noch einmal anzuschreiben. Einerseits, um zu fragen, ob sie auch weiterhin vorhaben zu erscheinen, andererseits, um den Leuten noch einmal klar mitzuteilen, wo die Veranstaltung stattfindet, um wie viel Uhr die Anmeldung vor Ort erfolgt, wo man parken kann, wie es mit dem Essen aussieht oder ob Geld mitzubringen ist.
Bei dem neuen Event ist meine Mail recht lang. Alles, was die Teilnehmer fragen könnten, habe ich hier bereits beantwortet. Ein Mausklick – und die Mail macht sich auf ihren Weg zu 50 Empfängern.
In den nächsten Stunden passiert – nichts. Es gibt kein Feedback, dabei hatte ich doch extra darum gebeten, dass sich alle noch einmal bei mir zurückmelden, ob sie nun wirklich zum Event kommen. In der Regel melden sich ja doch einige wieder ab, weil sie plötzlich erkrankt sind oder weil die Oma ganz überraschend Geburtstag hat.
Nur Susanne schreibt per WhatsApp: „Wo war das doch gleich?“
Beim Einkaufen treffe ich Sebastian. Warum er mir nicht geantwortet hat, frage ich. Er sagt: „So lange Mails lese ich prinzipiell nicht. Da kriege ich Kopfschmerzen.“
Stefan treffe ich auch. Er kratzt sich am Kopf: „Ich blick bei meinen Mails nicht mehr durch, ich krieg doch so viele. Deine hab ich noch gar nicht gesehen.“
Klaus sagt: „Bei mir landet fast alles im Spam. Da guck ich nicht rein, das lösche ich. E-Mail ist tot, das nutzt doch keiner.“
Ach herrjeh, ist die Mail wirklich tot? Ich gucke, mit welchen Teilnehmern des Events ich per WhatsApp verbandelt bin. Dann packe ich meinen Mail-Text eben bei WhatsApp rein. Petra meckert: „Wer soll das denn alles lesen?“
Andreas ist der erste von 50, der mir sofort antwortet: „Ich komme weiterhin, alles im grünen Bereich.“ Endlich kann ich in meiner Liste einen ersten Haken setzen.
Michael ruft mich aus einem Zufall heraus an: „WhatsApp? Hab ich gelöscht. Ich bin inzwischen nur noch bei Threema, Signal und Telegram. Schicks mir da.“
Ja, die drei Messenger-Dienste hab ich aber gar nicht. Sicherheitshalber guck ich im Facebook Messenger, wer gerade von meinen Teilnehmern online ist – und schick die Meldung dort noch mal ab.
Vera antwortet sofort: „Du musst mir nicht alles drei Mal senden. Ich komme ja. Muss ich denn immer sofort antworten? Ich habe auch noch ein Leben neben deinem tollen Event!“
Susanne schreibt per WhatsApp: „Was kostet das gleich noch einmal?“
Ich antworte: „Hab ich dir eben geschickt. Direkt über deiner Frage steht der Text, ich kann ihn sehen.“
Sie schreibt: „Hab ich nicht gelesen, ist viel zu lang. Dafür reicht meine Aufmerksamkeitsspanne nicht aus.“
Nachdem ich einen halben Tag immer wieder zwischen E-Mail, WhatsApp und dem Facebook Messenger hin und her gehüpft bin, beschließe ich, noch einmal eine kürzere Mail zu versenden. Sie kommt umgehend zurück. Die Botschaft: „Sie verschicken Spam. Ihre Mail wurde au diesem Grund abgelehnt und konnte leider nicht zugestellt werden.“
Oh schöne neue digitale Welt. Wie macht man das denn nun heutzutage? Soll ich Briefe mit der Post versenden? Dafür reicht die Zeit einfach nicht mehr aus.
Während ich noch überlege, schnurrt mein Handy. Susanne. WhatsApp. Sie schreibt: „Irgendwie bin ich verwirrt. Findet das Event überhaupt noch statt?“
Torsten hat sich bislang noch gar nicht gemeldet. Ich rufe ihn an und frage wegen dem Event noch einmal nach.
Er sagt: „Ach hättest du früher angerufen. Ich habe ja ewig nichts mehr von dir gehört. Sonst meldest du dich doch immer noch einmal vorher. Deswegen dachte ich, das Ding wäre abgesagt – und habe mir leider etwas anderes für den Abend vorgenommen.“
Am Abend des Events klappt dann doch alles – und fast alle Spieler kommen. Da niemand meine schönen langen Infotexte gelesen hat, muss ich alles noch einmal erzählen.
Nur die Susanne kommt nicht. Ich schreibe sie an: „Wo bist du?“
Sie antwortet: „Ich dachte, das wäre morgen.“ (Carsten Scheibe)
Dieser Artikel stammt aus „Zehlendorf Aktuell“ Ausgabe 108 (3/2023).
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