Scheibes Glosse – Nehmt doch gleich alles!
Früher hat man als kleiner Bauer auf dem Land der Obrigkeit stets „den Zehnten“ gegeben. Ich weiß nun nicht, ob im Mittelalter eher der Adel oder aber der Klerus die gierige Hand hingehalten hat, um ehrlich verdiente Taler abzugreifen. Ich weiß nur, dass die damalige Abgabe im Vergleich zu den heutigen Gebräuchen fast schon wie eine bedeutungslos niedrige Spende wirken muss.
Heute wäre man fast geneigt, gönnerisch zu sagen: „Ach, nehmt doch ruhig gleich 20 Prozent von meinem Geld mit, wenn ihr mit dem Goldsäckel schon einmal vor meiner Tür steht.“
Denn mit 20 Prozent Abgaben wäre man als deutscher Bundesbürger noch sehr gut gestellt. Tatsache ist, dass der Regierungsbeamte in nichts eine so hohe Erfindungsgabe entwickelt wie bei der Aufstellung neuer Steuern. Steht nicht gerade erst wieder eine neu zu entrichtende CO2-Abgabe im Raum?
Letztens haben wir uns erst wieder mit mehreren Geschäftsleuten aus dem Mittelstand unterhalten: Warum rinnt uns eigentlich jeden Monat das Geld wie Wasser zwischen den Fingern hindurch?
Nun: Schaffe ich es am Ende des Monats nach einer Gegenrechnung von Einnahmen und Ausgaben, ein Plus zu erwirtschaften, so zahle ich als Geschäftsführer einer GmbH gleich mehrfach – ich berappe Körperschaftssteuer, Gewerbesteuer, Lohnsteuer und Einkommensteuer. Auf die Versicherungen, die die Firma abgeschlossen hat, werden Versicherungssteuern fällig. Das Benzin, das im Firmenwagen landet, ist ebenfalls hoch belastet. Gar nicht einmal so sehr mit giftigen Kohlenwasserstoffen, dafür aber mit umso höheren Steuern: Der Großteil des Preises, den ich an der Tankstelle entrichte, landet nicht im Geldsäckel der Ölmultis, sondern im Klingelbeutel des Staates.
Als Empfänger eines monatlichen Gehaltes geht es munter weiter. Bei jedem Einkauf werden 7 oder 19 Prozent Mehrwertsteuer fällig. Über den Daumen gepeilt bekommt der Staat also automatisch einen Euro von jedem Fünfer, den ich beim Einkaufen ausgebe. Dabei ist noch gar nicht berücksichtigt, dass ja in vielen Preisen sowieso schon Steuern enthalten sind. Wer hat denn schon einmal von einer Bier-, einer Branntwein- oder einer Kaffee-Steuer gehört? Die gibt es nämlich auch. Die Tabaksteuer kennt ja jeder.
Wer in seinem persönlichen Umfeld jeden Stein umdreht, findet unter jedem Findling sofort eine neue Steuer vor. Denn Steuern sind auch auf Hunde zu entrichten, auf die Energie, die im eigenen Haus verballert wird oder auf die Mitgliedschaft in einer Kirchengemeinschaft. Es gibt eine Kraftfahrzeugssteuer, eine Luftverkehrssteuer, eine Rennwett- und eine Lotteriesteuer. Und sogar eine Feuerschutzsteuer.
Viel zu schnell wird einem schwindelig, wenn man sich einmal überlegt, wie oft einem der eigene Staat in die Tasche greift. Das Gehalt, was bereits versteuert ist, wird immer wieder neu angegriffen. Beim Einkauf kommt eben nicht nur die Mehrwertsteuer hinzu, sondern auch zahllose Zusatzsteuern, die in den einzelnen Preisen bereits inkludiert sind. Wer diesem Wahnsinn entfliehen und sich einmal so richtig ordentlich die Mütze wegballern möchte, kann auch gleich den Staat auf den Nachbarsitz setzen: Noch nie etwas von der Vergnügungssteuer gehört?
Einige Steuerarten sollten übrigens nur temporärer Natur sein. So hat man die Schaumweinsteuer 1902 zur Finanzierung der kaiserlichen Kriegsflotte eingeführt, dann aber leider über die Jahrzehnte vergessen, sie wieder zu streichen. Wir haben ja gar keine kaiserliche Kriegsflotte mehr. Mit dem Soli ist es ähnlich. Den zahlen wir bestimmt in hundert Jahren noch.
Sollte es mir gelingen, trotz Einfuhrumsatzsteuer, Alkopopsteuer, Grunderwerbssteuer, Kapitalertragssteuer, Spielbankabgabe, Zweitwohnsitzsteuer und Zwischenerzeugnissteuer doch noch ein wie auch immer geartetes Vermögen anzuhäufen, so wollen mir garstige Parteien bereits zu Lebzeiten mit einer noch ausstehenden Vermögenssteuer an die Penunse.
Der Staat hingegen weiß – er braucht nur Geduld zu haben. Denn wenn ich einmal sterbe, dann werde ich nicht einmal mehr den Taler haben, um den Fährmann in den Hades zu entlohnen. Denn vorher muss ja noch die Erbschaftssteuer bezahlt werden. (CS, Foto: Tanja M. Marotzke)
Dieser Artikel stammt aus „ZEHLENDORF.aktuell“ Ausgabe 66 (9/2019).
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