Scheibes Kolumne: Als Hund eine Katastrophe
„Mein Hund ist als Hund eine Katastrophe, aber als Mensch unersetzlich.“ Das hat Johannes Rau gesagt – und er kennt anscheinend auch unseren zeckengeplagten Golden Retriever. Becky ist seit acht Jahren bei uns. Völlig zu Unrecht hat der mit einem schrägen Humor beschlagene Hundegott dem armen Tier ein weißes Fell gegeben.
Was nicht lange die Farbe hält, wenn das wuffende Dreckschwein mit tänzelnden Schritten in jedem Moddergraben verschwindet, sich in jeder Schlammpfütze den Unterboden kühlen lässt und mit Hingabe seitlich und mit dem Hals voran in jeden Wildschweinkackhaufen hineinschliddert. Das Suhlen in frisch aufs Feld aufgebrachtem Kuhdung, in vor Sekunden aus dem Pferd gerollten und noch dampfenden Kötteln oder in gegärtem und entsprechend miefenden Rasenschnitt ist dem Vierbeiner ein inniges Bedürfnis – auch wenn danach die Badewanne ruft. Das Schlimmste in der achtjährigen Laufbahn des müffelnden Katzenfeindes war ein verrotteter Fisch im Wald und ein orange vergorener Kürbis auf dem Komposthaufen eines unverhofft heimgesuchten Nachbarn.
Als Einbrecherschutz ist das Tier auch nicht zu gebrauchen. Ärger gibt es nur, wenn der Paketbote nicht schnell genug in die Leckerlitasche greift. Dann entsteht ein Grollen tief im Schlund des ewig unterernährten Hundes, das Darth Vader zur Ehre gereichen würde. Fressen ist der größe Antrieb des ansonsten geistig nicht eben überauffällig gewordenen Hausbewohners. Dieses Ansinnen erweckt dann schnell kriminelle Energie. Die Mitarbeiterinnen im Büro haben schnell die Regeln begriffen: Alle Stullen, die unter Hüfthöhe gehalten werden, gehören dem Hund. Notfalls wird die menschliche Hand gleich mit verspeist. Immerhin kann dieser Trieb beim Kochen mitgenutzt werden. Alles, was beim Schnippeln auf die Fliesen fällt, ist sofort weg: Die Küche ist dank haarigem Staubsauger immer sauber.
Streit gibt‘s nur im Büro. Der Hund möchte gern so auf der Terrassentürschwelle liegen, dass der Kopf im warmen Büro liegt, der Hintern aber mit Frischluft gekühlt wird. Die ständig geöffnete Tür bringt uns Menschen aber einen Schnupfen – und jede Menge Fliegen ein, die um den Hund kreisen. Machen wir die Tür zu, gibt‘s Ärger. Im Minutentakt wufft der Hund und möchte erst raus, dann wieder rein, dann wieder raus. Also doch lieber frieren?
Als Hund ist das Tier also wirklich eine Katastrophe. Aber als Mensch? Da ist Becky unersetzlich. Niemand strahlt so viel Ruhe aus, wenn es im Alltag wieder hektisch wird. Niemand freut sich so sehr, dich zu sehen, wie der Hund. Niemand hat so stoisch gute Laune, egal, was passiert. Und niemand tröstet so gut in schlechten Zeiten. (Bild: cs / Text: Carsten Scheibe)
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