Scheibes Kolumne: Meine allerersten Jobs
Schon als Kind war mir klar: Geld regiert die Welt. Mensch, man musste sich doch nur einmal Onkel Dagobert und seinen Neffen Donald ansehen. Der eine ließ sich die Talerchen auf die Glatze regnen, und der andere musste sie polieren, um ein paar müde Kreuzer abzubekommen. Im eigenen Geld zu baden war mir immer schon wichtiger als fremde Taler blank zu putzen.
Der finanzielle Durchbruch kam früh, als meine Hinterhofgang im zarten Alter von acht, neun Jahren einen echten 10-Mark-Schein fand – und das mitten auf dem Bürgersteig. Wir waren plötzlich reich, unermesslich reich. Damals gab es noch Kioske, an denen man Brausetaler, Gummimäuse, Kaubonbonketten und Lakritze kaufen konnte – für Pfennige! Für zehn Mark konnten wir uns die Bäuche vollschlagen, bis uns übel wurde. Was es uns auch wurde, weil einer von uns auf die glorreiche Idee kam, im Fischladen auch noch geräucherte Sprotten zu kaufen. Das sind winzige Fische mit ganz viel Gräten. Und noch immer blieb genug Geld übrig, um eine Zehnerbox Streichhölzer zum Kokeln zu kaufen.
Leider hielt das Geld nicht lange vor – und der finanzielle Absturz danach war bitter. Schließlich wusste ich nun schon in jungen Jahren, wie es ist, reich zu sein. Plötzlich wieder von zwei, drei Mark Taschengeld im Monat leben zu müssen, war bitter. Immerhin subventionierte mir mein Opa meine YPS-Sammlung.
Also ging ich noch im Grundschulalter unter die Händler. Eine alte Gartendecke diente mir als Verkaufsstand – und mitten im Berliner U-Bahnhof um die Ecke versuchte ich, ausgelesene Micky-Maus-Hefte, nicht mehr funktionierende Erbsenpistolen und diversen Unrat aus dem Kinderzimmer zu veräußern. Erstaunlich war, dass sich wirklich Leute fanden, die mir meine Exponate abkauften. Ich verdiente zwar nur Groschen, aber hey, selbst Onkel Dagobert hatte seinerzeit mit einem einzigen Glückstaler angefangen.
Dummerweise musste ich schnell lernen, dass einfache Geschäfte anscheinend immer auch illegal sind. Damals gab es von der Polizei noch „Kontaktbereichsbeamte“, die zu Fuß durch ihr Viertel patrouillierten. Einer davon erwischte mich und gab mir die Belehrung mit auf den Weg, dass nicht jeder Hinz und Kunz einfach im U-Bahnhof Sachen verkaufen darf. Na toll. Ein aufstrebendes Handelsimperium – im Keim erstickt. Ich versuchte einen alternativen Standort gleich in der Siedlung hinter dem Müllhaus, aber ich lernte schnell: Es geht immer nur um Lage, Lage, Lage. Eine mitfühlende Oma meinte zu mir, ich brauche doch meinen Müll nicht in der Sonne zu trocknen, ich könnte ihn doch gleich in die Tonne werfen.
Doch so schnell war an eine Aufgabe nicht zu denken. Als leidenschaftlicher Käferfreund hatte ich immer lauter Gläser, Terrarien und andere Behälter für meine Sammelobjekte im Kinderzimmer zu stehen. Die schleppte ich kurzerhand zu den Großeltern, weil die ja eh den ganzen Tag Zuhause waren – und eröffnete einen Miniatur-Zoo. Die ganze Nachbarschaft pflasterte ich mit selbstgemalten Werbeplakaten und warb um potenzielle Besucher. 10 Pfennig sollte der Eintritt bei meinen ahnungslosen Großeltern kosten. Zu sehen gab es Feuerwanzen, Kreuzspinnen, Grashüpfer und als besondere Attraktion ein Aquarium mit selbstgesammelten Flußkrebsen. Zu meiner eigenen Überraschung kamen wirklich Besucher, die 10 Pfennig bezahlen wollten. Mein Opa wimmelte sie aber leider alle ab. Kurze Zeit später verschwanden alle meine Plakate aus der Nachbarschaft, sodass ich das Zoo-Projekt leider als Misserfolg zu den Akten legen musste.
Auf dem Gymnasium lasen wir dann alle mit Begeisterung wöchentlich erscheinende Science-Fiction-Heftromane wie „Perry Rhodan“ oder die „Terranauten“. Na, das können wir doch locker auch, dachten wir uns, schrieben dann aber nur Kurzgeschichten, weil anschließend schon die Zeigefinger vom Herumhacken auf der mechanischen Schreibmaschine wehtaten. Die ersten im Copycenter vervielfältigten Heftchen mussten wir aber leider verschenken, weil wider Erwarten kein einziger unserer Klassenkameraden dazu bereit war, auch nur einen Pfennig für diese Elaborate auszugeben. So gelang das Unterfangen leider nicht, bereits in der Schulzeit eigenes Geld zu verdienen. Ein Jammer. (Text: Carsten Scheibe)
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