Scheibes Kolumne: Meine Fußballer-Karriere
Heute müssen wir ein sehr dunkles Kapitel in meiner Sportler-Karriere aufschlagen. Es geht um den Fußball. Der Druck, es in diesem Sport sehr weit zu bringen, wurde mir bereits mit in die Wiege gelegt. Mein zweiter Vorname ist nämlich Uwe. Das ist nix, worauf man stolz sein könnte – es gibt wirklich deutlich coolere Namen.
Verstörend ist allein, dass meine Eltern bei der Wahl des Namens an Uwe Seeler dachten. Das ist so ein dicker, kleiner Fußballgott aus dem hohen Norden. Ich hab mir das Vorbild meiner Eltern ein paar Mal angesehen und dann entschieden, meinen zweiten Namen über Jahrzehnte hinaus geheim zu halten.
In der Schule konnten die Mädchen coole Sachen wie Volleyball oder Hockey spielen. Wir Jungs „durften“ Fußball spielen. Ich war dann immer gern der Verteidiger. Der Verteidiger brauchte nämlich keine strategischen Kenntnisse und schon gar keine Dribbelkünste am Ball unter Beweis zu stellen.
Meine Aufgabe war es allein, schnurstracks auf einen sich nahenden Angreifer zuzurennen, um ihm den Ball vor den Füßen wegzukicken – egal, wohin. Zufrieden war ich immer dann, wenn ich in der „guten“ Mannschaft landete. Dann fand die ganze Action permanent vor dem gegnerischen Tor statt – und ich konnte in Ruhe mit dem zweiten Verteidiger quatschen, der auch keine große Lust auf Fußballspielen hatte.
Nun ist es so – ich komme aus einer Fußballerfamilie. Alles, was in meinem Umkreis männlich war, spielte Fußball bei Hertha 03 in Berlin-Zehlendorf. So verbrachte ich viele Sonntage meiner Kindheit auf dem Fußballplatz bei irgendwelchen Spielen, bei denen Erwachsene hin und her rannten und auf den Schiedsrichter schimpften. Am Ende verlagerte sich die ganze Begegnung stets ins Vereinshaus. Das Stiefeltrinken blieb mir im Gedächtnis kleben: Wie kommt man auf die Idee, mehrere Liter Bier in einen Glaskrug zu füllen, der wie ein Stiefel geformt ist – und der bei falscher Handhabung dem Trinkenden den gesamten Inhalt auf einmal ins Gesicht spült? Immerhin: Ab einem bestimmten Alkoholpegel fand sich für uns Kinder immer ein angetüdelter Familienvater, der uns eine Runde Eis spendierte.
Allerdings: Traditionen werden von Generation zu Generation weitergegeben. Und so war es natürlich klar, dass auch ich irgendwann zur „kleinen Hertha“ gehen musste. Die Vereinsmitgliedschaft hatte ich ja bereits von Geburt an – das gehörte sich so. Meine Eltern waren nur schockiert, dass ich nie, nie, nie zu einem Spiel aufgestellt wurde. Der Trainer: „Liebe Frau Scheibe, ihr Sohn hat ja Spaß am Fußball. Aber sobald ein Käfer über das Spielfeld fliegt, rennt er lieber dem hinterher als dem Ball.“ Ja nun, es flogen eben die tollsten Käfer über so ein prall in der Sonne liegendes Fußballfeld. Und ich wollte doch schon immer Biologe werden.
Immerhin: Auch mein Sohn musste zum Fußball. Das Probetraining bei einem Falkenseer Verein war für mich wieder so ein komischer Moment: Alle Eltern standen am Spielfeldrand, rauchten Kette, zeigten ihre Tätowierungen und brüllten ihre Kinder an, bis sie heiser waren. Als ich meinen Sohn dann fragte, ob er wirklich weiter Fußball spielen wollte und er den Kopf schüttelte, da wusste ich:
Familientraditionen müssen auch einmal beendet werden. Familie Scheibe ist keine Fußball-Familie mehr – und das ist auch gut so. (Carsten Scheibe)
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