Scheibes Glosse: Hardcore-Aufräumen: Was keine Miete zahlt, muss raus!

Alles fing mit dem Gewürzregal an: Es wurde von mir beim Kochen aufgeräumt und entmistet. Das sorgte für eine Kettenreaktion der besonderen Art: Zwischen den Jahren ging es immer mehr Keimecken im Haus an den Kragen, in die schon jahrzehntelang niemand mehr hineingesehen hatte. Am Ende schmerzten alle Muskeln, der Müll türmte sich in ungeahnte Höhen und das Gefühl der Befriedigung war sehr groß.
Beim Kochen schaue ich stets auf meine kleine Sammlung von Gewürzen am Herd. Im Grunde genommen verwende ich stets und immer die gleichen Zutaten, die sich schnell verbrauchen und entsprechend häufig ersetzt werden.
Trotzdem stapeln sich die Dosen, Tütchen und Flaschen, weil hier auch vieles zu finden ist, was ich gar nicht benutze. Das sind exotische Gewürze aus vergangenen Urlauben, Geschenke von Dritten und Zeugs, das mitunter nur für die Umsetzung eines einzigen Rezepts angeschafft wurde.
Mitten beim Kochen kam ich zwischen den Jahren auf die Idee, hier gründlich aufzuräumen. Alles kam in den Müll, was inzwischen abgelaufen war und was ich eh nie verwende. Ich staunte nicht schlecht. Wird Curry schlecht, nur weil es aus dem letzten Jahrtausend stammt? Wie kann es sein, dass Bio-Kräuter aus der Provence zu einem dichten Pelz aus Biomasse verschmelzen? Und wer nutzt Öle, die mit Aromen wie Zitrone oder Chili versetzt sind?
Es war ein zutiefst befriedigendes Gefühl, nun auf eine Gewürzsammlung zu schauen, die ausschließlich aus den Zutaten besteht, die ich auch wirklich nutze.
Diese Initialzündung einer chronischen Aufräumeritis beflügelte nicht nur mich. Die Beste aller Ehefrauen räumte erst die Kommode im Wohnzimmer und dann den Wäscheschrank im Dach mit den Handtüchern und der Bettwäsche auf. Mehrere Säcke mit ausrangierten Bettdecken, Handtüchern und Bettwäschesets (weiß mit roten Blümchen) kamen sofort ins Auto, um damit einen Textilcontainer in der Nachbarschaft zu füttern.
Ich konterte und entkernte den Süßigkeitenschrank, räumte das Konservenfach (zuletzt 2021 geschehen, wie man am Ablaufdatum der Büchsen sehen konnte) auf und trug Schicht um Schicht mit Gedöns ab, der den Pokertisch im Büro blockierte.
Längst waren die Mülltonnen vor dem Haus voll bis zum Rand und wir stopften neuen Unrat bereits in spezielle Mülltüten, die wir für kleines Geld auf dem Wertstoffhof der Stadt gekauft hatten.
Dann wagten wir uns an den Elektrokeller heran, der seit Jahren eigentlich nicht mehr zu betreten war, weil wir hier alles eingelagert hatten, was man vielleicht noch einmal gebrauchen könnte. Das Geschleppe könnte man durchaus mit einem Monat Fitnessstudio gleichsetzen. Dutzende Farbeimer von alten Renovierungsarien der letzten drei Jahrzehnte, Hunderte loser Nägel und zahllose echte Glühbirnen und Neonröhren, für deren Besitz man alleine in die Öko-Hölle der Energiesünder kommt, fanden sich hier.
Hier entdeckten wir auch eine Tüte aus Marokko – mit lauter duftenden Dingen, die uns ein findiger Verkäufer auf einem Markt angedreht hatte. Auch das landete in einem großen Müllsack, der zum Wertstoffhof gefahren wurde. Beim Wiegen der Müllsäcke verbreitete sich sehr schnell ein intensiv-penetranter Geruch nach Kampferöl, marokkanischem Bergtee und Jasmin-Duftsteinen, den ein misstrauischer Mitarbeiter auch leicht als Odem des Todes aus der Crystal-Meth-Chemiedrogenhölle hätte fehlinterpretieren können.
Im Elektrokeller fanden sich auch die gesammelten Roll- und Schlittschuhe der Familie aus den vergangenen Dekaden an. Angesichts der Tatsache, dass ich im fortgeschrittenen Alter inzwischen schon froh bin, unfallfrei geradeaus zu laufen, kam dieser Fortbewegungsschatz sofort vor die Tür. Alles, was man dort an den Zaun lehnt, ist meist schon nach einem Tag “verschwunden”. Bei den Roll- und Schlittschuhen dauerte es keine Stunde. Auch alte Tastaturen und ein uralter Drucker lösten sich auf diese Weise in Luft auf.
Der letzte Endgegner der Ordnung: Der Raum unter der Treppe, 1:1 so vorstellbar wie das Kabuff in den Harry-Potter-Filmen. Hier lagert schon seit 28 Jahren der Oster- und Weihnachtsbaumschmuck der Familie. Was “hinter” den Kisten noch verborgen ist, wusste längst niemand mehr. Wir trugen alle Kisten nach draußen und sortierten sie neu – und arbeiteten uns auf einer Schicht aus zerbröselten Plastikostereiern und schon lange nicht mehr kompatiblen Computerkabeln weiter ins Unbekannte vor – und entdeckten niemals ausgepackte Standfüße für Lautsprecher, leere Golf-Bags und alte Rucksäcke aus der Studentenzeit, die extrem ungemütlich und sperrig wirkten.
Schon mein alter Weggefährte Werner Tiki Küstenmacher schrieb ein Buch darüber: “Simplify Your Life”, besser formuliert: “Raus mit dem Mist”. Aufräumen und Entrümpeln kann richtig schön sein. (CS)
Dieser Artikel stammt aus „Zehlendorf Aktuell“ Ausgabe 130 (1/2025).
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