Gastspiel im Schlosspark Theater: “Die Kehrseite der Medaille”!
Im Steglitzer Schlosspark Theater von Dieter Hallervorden werden nicht nur die eigenen Produktionen aufgeführt. Regelmäßig schauen auch Schauspieler von anderen Häusern zu einer Stippvisite vorbei. Im Januar machten vier Schauspieler Halt in Berlin, um die Komödie “Die Kehrseite der Medaille” aufzuführen. Äußerst vergnüglich wurde aufgezeigt, was zwei Pärchen wirklich übereinander denken, wenn sie einen Abend lang manierlich zusammen am Esstisch sitzen.
Daniel (Timothy Peach) ist so jemand, der erst redet und dann nachdenkt. Ansonsten hätte er vielleicht lieber seine Klappe gehalten, als er seinen alten Kumpel Patrick (Martin Armknecht) auf der Straße trifft – und ihn prompt samt Begleitung zum Essen einlädt.
Das Dilemma: Patrick hat sich gerade erst von Laurence getrennt, der aller-allerbesten Freundin von Daniels Frau Isabelle (Nicola Tiggeler). Noch schlimmer: Mit der blutjungen und äußerst attraktiven Emma (Mia Geese) gibt es inzwischen bereits eine “Neue” an der Seite des Freundes.
Ein gemeinsames Essen verspricht also jede Menge sozialen Sprengstoff zu entzünden. Aber natürlich geben sich beide Paare extrem höflich. Alle Beteiligten versuchen, nicht im Beziehungs-Treibsand zu versinken und umschiffen alle schwierigen Themen mit belanglosem Small Talk.
Und nun kommt es zur absoluten Besonderheit im Stück. Immer wieder frieren die Figuren auf der Bühne ein und erstarren in den unmöglichsten Posen. Das erlaubt es einer Person, einmal völlig ungehemmt Klartext zu sprechen und die geheimsten Gedanken herauszuwürgen.
Das ist für die Zuschauer im Publikum ungemein erfrischend, weil man sich dabei ertappt, genau das gleiche zu denken. Und natürlich erst recht, weil man so unangenehme Situationen auch aus dem eigenen Leben kennt.
So ist Daniel von der jungen Emma sofort mehr als nur begeistert – und kann weder seine Augen noch seine Hände von ihr nehmen. Kein Wunder, dass seine Frau Isabelle in einer dieser eingefrorenen Pausen wütend losdonnert: “Der balzt sie an wie ein brünstig brüllender Bulle.”
Aber auch Emma, die alle spitzen Bemerkungen und sogar die Anmachversuche von Daniel weglächelt, rastet in einer Pause plötzlich lautstark aus, weil die frostige Isabelle ihr permanent die kalte Schulter zeigt: “Wie redet die denn mit mir!”
“Die Kehrseite der Medaille” ist eine Komödie von Florian Zeller, der sein Figuren-Ensemble um Daniel und Patrick bereits in den Vorgänger-Stücken “Die Wahrheit” und “Die Lüge” auf die Bühne brachte. Das Stück wurde ursprünglich in Frankreich uraufgeführt, für die deutsche Übersetzung sorgten Annette und Paul Bäcker. Bei der Produktion vom EURO-Studio Landgraf führte Pascal Breuer Regie. Im Schlosspark Theater konnten die Besucher das Stück zwischen dem 3. und dem 12. Januar bewundern.
“Wenn es um Frauen geht, stehen doch alle Männer auf dasselbe – auf dem Schlauch.” Das sagt die kesse Emma im Stück. Damit gibt sie bereits das große Thema vor, das den ganzen Abend über irgendwie die ganze Diskussion bestimmt. Die in Würde gealterte Isabelle fühlt sich von ihrem Mann Daniel nicht mehr wahrgenommen, obwohl sie doch mehrmals am Abend das Kleid wechselt. Das sorgt dafür, dass sie verbittert klingt und mit spitzen Kommentaren für eine frostige Atmosphäre sorgt. Das nimmt Daniel alles gar nicht wahr, hat er doch nur noch Augen für Emmas Reize, die aus ihm einen paarungswilligen Primaten machen. Kein Wunder, dass er in einer der vielen “Pausen” im Stück wie ein Primat um das Weibchen herumspringt und es anzubalzen versucht.
Patrick hingegen hat anscheinend Geld ohne Ende – und entpuppt sich als ziemlicher Angeber, der mit den gezogenen Trumpfkarten für Haus, Auto und Urlaub seinen “Freund” Daniel kleinhalten möchte. Auch hier überrascht es nicht, dass die beiden Freunde in einer “Pause” einander wie Gorilla-Männchen gegenüber stehen und sich in Macho-Posen versuchen.
“Die Kehrseite der Medaille” zeigt wunderbar humorvoll auf, wie dünn die Tünche der Zivilisation ist. Es macht richtig Spaß und Freude, den vier Menschen auf der Bühne dabei zuzuhören, wie sie wenigstens für kurze Zeit einmal ungefiltert Klartext sprechen. Wie befreiend muss das sein!
Im Schlosspark Theater geht es derweil munter weiter. Die überaus gelungene Eigenproduktion “Achtsam morden” – nach dem Roman von Karsten Dusse und nun mit Bürger Lars Dietrich in der Rolle des Achtsamkeits-Therapeuten – wird am 17. Januar wieder aufgenommen – und dann am Stück bis zum 23. Februar gespielt. (Text: CS / Fotos: Dietrich Dettmann)
Info: Schlosspark Theater, Schloßstraße 48, 12165 Berlin, Tel.: 030–7895667-100, www.schlossparktheater.de
Dieser Artikel stammt aus „Zehlendorf Aktuell“ Ausgabe 130 (1/2025).
Seitenabrufe seit 7.01.2025:
Anzeige
Sie haben eine Artikelidee oder würden gern eine Anzeige buchen? Melden Sie sich unter 03322-5008-0 oder schreiben eine Mail an info@zehlendorfaktuell.de.