Scheibes Glosse: Strom zapfen – Mit dem E-Auto auf der Autobahn!
Seit knapp vier Jahren fahre ich nur noch elektrisch. Mit meinem Hyundai Kona Elektro brause ich durch die Stadt und finde mühelos den Weg von A nach B. Einmal in der Woche kommt das Auto an die firmeneigene Wallbox, dann ist wieder genug Saft im Akku für knapp 500 neue Kilometer. Längst haben wir uns auch an lange Strecken herangetraut, die Ladeinfrastruktur entlang der Autobahnen ist super. Kleine Ausnahmen bestätigen die Regel. Heute erzähle ich von diesen Ausnahmen.
Zuletzt sind wir mit dem E-Auto nach Belgien gefahren. Knapp 700 Kilometer quer durch ganz Deutschland.
Für solche Wege haben wir inzwischen eine spezielle App im Smartphone. Diese füttern wir mit Start und Ziel – und schon berechnet die mobile Software, wie viele Stopps zum Auftanken wir brauchen – und wo sie eingeplant werden. Das App-eigene Navigationssystem führt uns dabei zielgerecht zur angepeilten Ladesäule. So wird auch ein langer Trip mit dem E-Auto zur entspannten Spazierfahrt.
Auf dem Hinweg nach Belgien ging tatsächlich alles glatt. Wir brauchten nur zwei Stopps. Die App führte uns stets auf einen großen Autohof. Meist fanden sich hier viele, viele Strom-Zapfsäulen gleich von mehreren Anbietern: Welche hätten Sie denn gern?
In solch einer Situation parkt man einfach vor einem freien Schnelllader, schließt das dort bereitliegende Ladekabel ans Auto an, hält die eigene Ladekarte für die finanzielle Abrechnung an die Säule – und los geht es mit dem Tanken flinker Elektronen.
Profis tanken nur bis 80 Prozent, danach nimmt die Ladegeschwindigkeit deutlich ab. Ein kleiner Imbiss, ein Kaffee – und nach einer halben Stunde kann die Fahrt weitergehen.
Da auf dem Hin-Weg nach Belgien alles so gut funktioniert hatte, hatten wir auch auf dem Rückweg keinerlei Bedenken. Allerdings riet uns die App dieses Mal zu drei Stopps.
Wir fuhren los. Dank einiger Baustellen und Staus konnten wir gar nicht so schnell fahren wie gewünscht – und verbrauchten deswegen auch nicht so viel Strom wie gedacht. Schnell keimte der Gedanke auf, doch einfach noch ein bisschen weiterzufahren, damit am Ende vielleicht doch nur zwei Stopps nötig wären.
Bei einsetzender Dunkelheit und aufkommenden Nebelfeldern rangen wir so dem Auto einen Kilometer nach dem anderen ab. Die App machte am Ende auf einen neuen Autohof aufmerksam – und schlug die hier vorliegenden Ladesäulen für einen Halt vor.
Mit 20 Kilometern Restleistung im Akku und bei inzwischen vollständiger Dunkelheit rollten wir auf einen völlig verlassenen Autohof. Zum Glück sahen wir in der schwarzen Nacht die grünen Lichter der Ladesäulen im Nebel aufblinken. Die Rettung. Halleluja. Bei 20 Kilometern Restleistung war uns ja schon im Vorfeld klar gewesen: Wenn hier keine Ladesäule steht, werden wir nicht mehr genug Saft für einen weiteren Stopp haben.
Der Schock: Eine heruntergelassene Schranke versperrte uns unwiderruflich den Weg zu den blinkenden Ladesäulen im Hintergrund. Rien ne va Plus. Da standen wir nun fröstelnd im Nichts im Nirgendwo, hatten keinen E-Sprit im Tank und kamen nicht an die Säulen heran.
Ein Glück: Hinter dem McDonalds auf dem Autohof fanden wir dann doch noch einen gut versteckten und auch unbelegten Schnelllader. Uff.
300 Kilometer weiter, kurz hinter Helmstedt, war der Stromtank wieder leer. Die App führte uns erneut auf einen Autohof, wieder dunkel, verlassen, nass im Nebel liegend. Menschenleer.
Ein weiterer Schock: Die versprochenen Schnelllader waren da, aber alle außer Betrieb. Oh Mann! Zum Glück gab es eine ganze Reihe mit Tesla-Ladestationen. Die hatten sogar den richtigen Adapter, sodass wir auch unseren Hyundai anschließen konnten.
Meine Ladekarte wurde aber sofort von der Säule abgelehnt. Auch eine vorgehaltene EC-Karte fand keine Zustimmung. Ich versuchte es mit meiner Kreditkarte. Ohne weitere Nachfrage machte es plötzlich Ka-TSCHING, das Ladekabel verschloss sich – und der Strom begann zu fließen.
Super! Wir gingen in die nächste Tankstelle, bestellten einen Kaffee und spielten eine inzwischen mitternächtliche Partie UNO. Nach einer guten halben Stunde stand die Ladeleistung vom Auto bei 80 Prozent. Zeit zum Weiterfahren.
Aber – wie beendet man eigentlich den Ladevorgang an einer Tesla-Säule? An der Säule gab es keinerlei Möglichkeit zur Interaktion. Im Internet gab es immerhin einen Tipp: Halten Sie als Tesla-Fahrer Ihr registriertes Handy neben den Tankadapter und drücken dabei den Knopf auf der Oberseite des Tankrüssels. Wir drückten und drückten – aber wir waren ja weder Tesla-Fahrer noch registrierte Handy-Besitzer.
Wie löst man den Tankrüssel, wenn man Fremdmarken-Fahrer ist? Das Internet sagte: Wenn Sie den Tankvorgang in der Tesla-App gestartet haben, können sie ihn auch da beenden. Ahhhh ja. Tesla-App. Hatten wir nicht.
Ängstlich saßen wir schlotternd um halb eins in der Nacht auf einem gottlos verlassenen Parkplatz im Nirgendwo – und warteten noch einmal 30 Minuten, bis der Ladevorgang komplett abgeschlossen war. Ka-KLOCK: Bei genau 100 Prozent Ladeleistung gab uns die Tesla-Ladesäule wieder frei und wir durften weiterfahren. Halbe Sachen macht Tesla nicht.
Jetzt wissen wir: Tank-Stopps gibt es nur noch dann, wenn wir wenigstens 100 Kilometer Restladung im Tank haben. Damit wir schnell Reißaus nehmen können, sobald uns eine Ladesäule komisch vorkommt. (CS)
Dieser Artikel stammt aus „Zehlendorf Aktuell“ Ausgabe 128 (11/2024).
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