Neuer Betreiber für das Kult-Kino in Zehlendorf: Auf ins Bali!
Zehlendorf hat wirklich Glück: Erst drohte dem berühmten Café Anneliese am Teltower Damm das Aus, dann einen Steinwurf weiter dem kleinen BALI-Kino. In beiden Fällen haben sich aber neue Betreiber gefunden, die die Häuser in bester Tradition weiter betreiben möchten. Das BALI-Kino am Teltower Damm 33 hat der Kino-Liebhaber Andreas Neun übernommen. Nach drei Monaten Renovierung lud er nun am 5. Oktober zu einer großen Wiedereröffnungsparty ein.
Am 5. Oktober war auf der abgesperrten Straße direkt vor dem kleinen Flachbau mit dem plakativen BALI-Schriftzug ordentlich etwas los: Es gab Musik, Würstchen vom Grill wurden ausgegeben und Kinder durften sich ein eigenes Daumenkino basteln.
Viele Zehlendorfer ließen es sich nicht nehmen, persönlich vorbeizuschauen, um dem neuen BALI-Besitzer und Betreiber zu danken, dass er eins der letzten bestehenden Kinos im Bezirk rettet. Das hätte schließlich auch anders ausgehen können. Vor Ort hörte man von vielen älteren Mitbürgern den Satz: “Im BALI war ich schon als kleines Kind immer gern zu Gast. Ach, was habe ich da für Filme gesehen.”
Tatsächlich ist es so: Der kleine Flachbau gehörte ursprünglich zum 1900 gebauten “Burg Hotel” – es handelte sich um einen nachträglich angeflanschten Anbau, der vor allem für Tanzfeste verwendet wurde. 1946 ließen die Russen hier bei ihrem Abzug eine Projektionsanlage zurück. Sie wurde sofort genutzt – und aus dem Tanzsaal wurde ein Kino. Der Name stand schnell fest: BALI steht hier aber nicht für eine bekannte Urlaubsinsel, sondern markiert eine gänzlich fantasielose Abkürzung. Das Kürzel bedeutet ausgeschrieben nämlich nichts anderes als “Bahnhofslichtspiel”.
Von 1973 bis 1978 machte Manfred Salzgeber aus dem BALI eins der führenden politischen Kinos in Deutschland. Es präsentierte sich als “Politkino der Bundesrepublik und West-Berlin”.
1979 übernahm Helgard Gammert das BALI. Sie gilt als die gute Seele vom BALI. Über 45 Jahre lang hat sie alles, aber wirklich alles dafür getan, um das kleine Kino irgendwie am Leben zu erhalten. Das war ganz bestimmt nicht einfach. Sie legte den Fokus auf wirklich gute Filme und entwickelte sich zu einem Programmkino mit Anspruch. Die ganz großen Kino-Blockbuster liefen zu dieser Zeit auch schon längst an anderer Stelle, nämlich in den großen Kinopalästen in der Berliner City. Eine gute Idee war es sicherlich, großen Wert auf ein Kinder- und Jugendprogramm zu legen. Viele Kinder haben im BALI an der Seite ihrer Eltern und Großeltern die Freude an spannenden Filmen entdeckt.
Inzwischen ist Helgard Gammert aber auch schon fast 80 Jahre alt. Aus diesem Grund hat sie in diesem Jahr einen Strich unter das BALI gemacht – und sich Ende Juni mit einer ganz besonderen Filmreihe von ihrem Publikum verabschiedet: Sie rief den “Gammert-Monat” aus und zeigte nur noch ihre absoluten Lieblingsfilme.
Das große Glück: Mit Andreas Neun (54) fand sich ein neuer Besitzer und Betreiber, der das BALI nicht nur übernimmt, sondern es in bester Tradition fortsetzt. Der frühere Anwalt aus dem Berlin-nahen Kyritz in Brandenburg kümmert sich ab sofort in Vollzeit um das Kino (www.balikino-berlin.de) in Bahnhofsnähe: “Mit Frau Gammert kam ich bereits vor vier Jahren in Kontakt.”
Bei der großen Wiedereröffnungsfeier am 5. Oktober verriet er den vielen im Kinosaal zusammengetrommelten Gästen: “Mich haben bereits Besucher gefragt, was wir denn eigentlich in den drei Monaten getan haben, während der das BALI renoviert wurde. Man würde ja gar nichts sehen. Das werte ich einmal als Kompliment. Wir wollen das Kino nämlich unbedingt im Großen und im Ganzen so lassen, wie es war.” Der alte hölzerne Tanzboden ist also noch vorhanden, die kultige Posterreihe mit Filmplakaten aus den 70er Jahren an einer Seitenwand des Kinosaals wurde erhalten und auch die roten Sitze sind geblieben, auch wenn sie grundlegend gesäubert wurden.
Endlich gibt es nun aber eine Toilette direkt im Kino – und nicht ein paar Häuser weiter. Auch ein neuer Filmprojektor auf dem neuesten Stand der Technik wurde angeschafft, um das BALI zukunftssicher zu machen. Nur eins ist geblieben: Popcorn gibt es auch weiterhin nicht im Kino.
Andreas Neun, dessen erster eigener Kinobesuch als Kind einem Film mit Oliver Hardy und Stan Laurel in einem Kino an der Ostsee galt, brach eine Lanze dafür, dass Kinos, Gaststätten und Kneipen nicht geschlossen werden dürfen. Sie müssten stattdessen dringend erhalten bleiben: “Das sind Orte der Begegnung. Der Mensch ist nicht dafür gemacht, einsam auf dem Sofa oder vor dem Computerbildschirm zu sitzen.”
Die ersten Filme, die nach dieser Rede im BALI gespielt wurden, waren Konzertfilme. Das war sicherlich keine schlechte Wahl, erlauben sie es den Besuchern doch, mitten im Film zu kommen und auch wieder zu gehen. Schließlich drängten während des Festes immer wieder neue Besucher in den Saal, um sich vom neuen alten Zustand des Kinos zu überzeugen.
Andreas Neun, der bereits 1989 nach Berlin gekommen ist und aktuell sogar nach mehreren Umzügen im Bezirk Steglitz-Zehlendorf wohnt: “Es heißt übrigens im Kinojargon nicht ‘Film ab’. Auf einer Filmkunstmesse in Leipzig habe ich erfahren, dass der offizielle Gruß wie folgt lautet: ‘Gute Projektion’.”
Die Frage ist nun natürlich auch: Auf welche Filme wird der neue Betreiber Wert legen, wie wird er im Kinoprogramm vom BALI seine ganz eigene Handschrift hinterlassen? Andreas Neun: “Ich verfolge keine bestimmte politische Richtung. Trotzdem machen wir aber schon ein politisches Kino, indem wir Filme zeigen, die sich mit aktuellen gesamtgesellschaftlichen Fragestellungen befassen. So zeigen wir in einer ersten Filmreihe bewusst Filme mit starken Frauen in der Hauptrolle. Indem wir Stoffe auswählen, die eine Bedeutung für unser Zusammenleben haben, senden wir auch eine politische Botschaft. Wir bleiben aber auch weiterhin ein regionales Kinder-Kino. Das gehört sozusagen zu unserer DNA ganz fest mit dazu. Der Kinderfilm wird immer von Donnerstag bis Sonntag um 16 Uhr gezeigt.”
Andreas Neun hofft auf Förderungen und kann zur Not auch noch eigenes Kapital einbringen. Aber: “Mit einem kleinen Programmkino in den schwarzen Zahlen zu bleiben, das wird sehr schwierig werden. Daran werde auch ich als neuer Betreiber nichts ändern können.”
Den Unterschied macht der Kinobesucher. Er muss “seinem” BALI auch weiterhin die Treue halten. (Text/Fotos: CS)
Dieser Artikel stammt aus „Zehlendorf Aktuell“ Ausgabe 127 (10/2024).
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