Zehlendorfer Schützengilde von 1893: Neue Halle, neue Mitglieder, neues Königshaus!

Die alten Traditionen, sie werden auch in Zehlendorf noch bewahrt. Seit 1893 gibt es die “Zehlendorfer Schützengilde”, die 1966 ihr Gildehaus in der Onkel-Tom-Straße 42 gleich neben dem Fußballplatz von Hertha 03 bezogen hat. Vor Ort legt der Verein das Fundament für die Zukunft: Eine neue Schießhalle wurde in den letzten zwei Jahren errichtet. Nach fünf Jahren Pause konnte Ende August endlich ein neues Königsschießen durchgeführt werden.
Erst kam Corona, dann wurde auf dem Vereinsgelände auch noch gebaut: Die 55 Mitglieder der “Zehlendorfer Schützengilde” (www.zehlendorfer-schuetzengilde.de) mussten in den letzten fünf Jahren viel Geduld beweisen.
Denn der alte Schießstand, der kein Dach hatte und sich als offener Stand präsentierte, wurde abgerissen und durch eine geschlossene Halle ersetzt. Knapp 350.000 Euro nahmen die Schützen selbst in die Hand, um eine neue Halle zu errichten. Ein Großteil der Summe stammte dabei übrigens aus dem Erbe eines verstorbenen Mitglieds. Ihm zu Ehren wurde die neue Schießhalle Klaus-Dieter-Wurl-Halle getauft. Am 22. Juni diesen Jahres wurde sie nach zwei Jahren Bauzeit eingeweiht.
Wilfried Mayer gehört zum Vorstand des Vereins: “Die neue Schießhalle erlaubt uns das wetterfeste Schießen auch bei Regen oder kalten Wintertemperaturen. Zugleich schluckt sie alle Geräusche, sodass die Nachbarn uns nicht mehr hören können. Es gibt 13 Schießstände, von denen 12 Liga-tauglich sind. Wir schießen mit dem Luftgewehr und der Luftpistole auf eine Entfernung von zehn Metern – das sind beides olympische Sportarten. Wir schießen freihändig. Ältere Schützen können übrigens beide Disziplinen auch ‘aufgelegt’ schießen, wenn die Halteruhe für ein Freihand-Schießen nicht mehr ausreicht.”
Das sind moderne Zeiten in einem ur-traditionellen Verein: Die Schützen legen nicht mehr länger auf Papierscheiben an, sondern nutzen ein digitales System. Das zeigt die gerade geschossenen Ringe direkt auf einem Computer-Display am Stand an. Bei laufenden Wettbewerben können die Ergebnisse auch auf großen Bildschirmen visualisiert werden.
Wilfried Mayer: “Sehr ärgerlich: Bereits kurz nach der Inbetriebnahme der neuen Halle kam es zu einem Wassereinbruch im Dach. Hier muss nun massiv nachgebessert werden. Zu diesem Zweck muss die Innendecke leider wieder entfernt werden.”
Der Verein verfolgt die drei Vereinszwecke Schießsport, Tradition (mit Fahne, Ausmarsch und Traditionskleidung) und Geselligkeit (an der Theke, im Garten oder auf dem Bouleplatz).
Ein echtes Problem ist natürlich die Überalterung. Wilfried Mayer: “Ich bin jetzt 70 Jahre alt und gehöre bereits zu den Küken im Verein. Natürlich haben wir ein Problem mit der Überalterung und müssen um junge Mitglieder werben. Mit der neuen Halle haben wir aber gute Argumente. Und nachdem wir einmal in der Zeitung standen, kommen nun auch die Jugendlichen wieder zu uns. Es gibt zwei Jugendtrainer im Verein, eine Waffe kann gestellt werden und ab 12 Jahren darf man mitmachen. Das muss dann auch ordentlich versichert werden.”
Die Vereinsmitglieder sind der Meinung, das Schießen fördere die Konzentration, die Selbstbeherrschung und die innere Ruhe. Wilfried Mayer: “Wer nicht voll bei der Sache ist und sich konzentriert, schießt daneben. Das Mentale gehört bei uns zwingend mit dazu.”
Wer tatschlich sportliche Ambitionen hat, ist bei der “Zehlendorfer Schützengilde” gut aufgehoben. Die Mitglieder stellen oft genug die Kreis- und Landesmeister in unterschiedlichen Disziplinen. Die erste Mannschaft an der Luftpistole ist außerdem regelmäßig in der zweiten Bundesliga vertreten.
Am 31. August fand in Zehlendorf das sogenannte Königsschießen statt. Dabei wird das neue Königshaus für ein ganzes Jahr bestimmt.
Wilfried Mayer: “Das Königsschießen veranstalten wir traditionell nach Pfingsten. Durch Corona und den Neubau der Halle konnte das Event lange nicht stattfinden. Wir wollten das Königsschießen aber nicht noch einmal ausfallen lassen und haben es deswegen in den August verschoben. In diesem Jahr gab es auch nur ein vereinsinternes Schießen, wir haben es nicht mehr extern bewerben können.”
Wie kann man sich das Königsschießen vorstellen? Jeder der 15 Teilnehmer bekam eine 10 x 10 Zentimeter große Pappzielscheibe, auf der bereits der eigene Name verzeichnet war. Diese Karte wurde in ein Metallgehäuse eingespannt. Geschossen wurde wieder auf eine Entfernung von zehn Metern.
Wilfried Mayer: “Jeder Teilnehmer hatte nur einen einzigen Schuss. Alle haben mit der gleichen Waffe geschossen. Nach einem Treffer fiel die Karte nach hinten in eine Auffangbox. Niemand konnte sehen, wo er getroffen hatte. Die Karten wurden nach dem Schießen von unserem Sportwart eingesammelt und ausgewertet. Am Abend haben wir bekanntgegeben, wer zum neuen Königshaus gehört.”
Schützenkönigin wurde Viktoria von Klinski, ihr Prinzgemahl ist Bruno Ustarbowski von Klinski. Zum 1. Ritter wurde Gunnar Meier bestimmt, zum 2. Ritter Thorsten Prestel. Die neue Majestät darf an Vorstandssitzungen teilnehmen, muss sich aber auch beim Volk erkenntlich zeigen – und es im Vereinhaus ab und zu auf eigene Kosten bewirten. Das muss man sich natürlich auch leisten können. (Text/Fotos: CS)
Dieser Artikel stammt aus „Zehlendorf Aktuell“ Ausgabe 126 (9/2024).
Seitenabrufe seit 28.10.2024:
Sie haben eine Artikelidee oder würden gern eine Anzeige buchen? Melden Sie sich unter 03322-5008-0 oder schreiben eine Mail an info@zehlendorfaktuell.de.
Anzeige
