Scheibes Glosse: Versauter Garten

Es ist wirklich schön, wenn sich die heimische Tierwelt im eigenen Garten tummelt. Das Eichhörnchen springt von Ast zu Ast, die Amsel sucht im Rasen nach Würmern und die Haselmaus schaut keck aus ihrem Unterschlupf hervor. Gar nicht mehr so amüsant ist das tierische Miteinander, wenn die tierischen Besucher mir bis ans Knie reichen und ein wahrlich schweinisches Betragen an den Tag legen. Will sagen: Wildschwein, go home!
Seit über 25 Jahren schauen wir nun schon von unserer erhöhten Terrasse in den Garten herunter. Hier gab es eigentlich noch nie einen englischen Rasen, sondern immer nur Natur pur – mit buschigen Büschen, unkontrolliert aufschießenden Bäumchen, einem kleinen Teich, Klee im Rasen und einem Kompost, auf den alles geworfen wird, was wir mit den Astscheren von den Bäumen geschnitten haben.
In diesem Garten hüpfen Frösche und Kröten herum, kriechen Ringelnatter und Blindschleiche umher, leben viele Mäuse, schaut der Fasan vorbei und saß auch schon einmal der Dachs unter dem Kirschbaum.
Das letzte echte Ärgernis waren die roten Nacktschnecken, die sich in Armeestärke über meine neu gepflanzten Kräuter hergemacht haben, bis bloß noch die blattlosen Stile übrig blieben. Ein paar Wochen extrem heißer Trockenheit – und von den meisten Schnecken sind nur noch in sich verschrumpelte Zimtstangen übrig.
Und nun das! Mitten in unserer Rasenfläche prangten plötzlich jede Menge Löcher. Ganze Grasflatschen lagen verkehrt herum – mit den Wurzeln nach oben – auf der freigelegten Erde. Wer hatte wohl dieses Chaos angerichtet? Ein Waschbär? Ein Fuchs? Mühsam drehten wir die Grasbrocken in die richtige Orientierung und trampelten sie wieder fest. Das funktionierte leider ganz und gar nicht. Auf mehreren Quadratmetern Fläche starb der umgegrabene Rasen nach und nach vollständig ab.
Der Verursacher des gräsernen Chaos offenbarte sich Tage später am Carport – ein kleines Schweinchen grüßte auf einmal fröhlich grunzend direkt am Auto. Um dann ob des hervorgerufenen menschlichen Überraschungsschreies wild quiekend im Gebüsch zu verschwinden.
Wochen lang war anschließend kein Wildschweinchen mehr im Garten zu sehen. Anscheinend war der Schreck auch dem Frischling in alle vier Glieder gefahren – und das Tierchen hatte begriffen, dass es keine allzu gute Idee gewesen war, in fremde Gärten zu klettern.
Doch dann, auf einmal, gab es wieder einen Anschlag auf den Rasen. Deutlich größere Rasenflächen waren auf einmal umgebuddelt und zerstört.
Nachts legte ich mich nun mit Taschenlampe und Kamera auf die Lauer. Und tatsächlich hörte ich es von meiner versteckten Position auf dem Balkon plötzlich um Mitternacht unter mir grunzen und knacken. Ich sprang auf, leuchtete in den Garten – und sah gleich ein halbes Dutzend inzwischen pudelgroßer Jungschweine, die sich mit sichtlichem Wohlbefinden über die vom Baum gefallenen Haselnüsse hermachten. Anscheinend hatte das eine Schweinchen doch Gefallen an unserem Garten gefunden – und alle seine Freunde eingeladen und mitgebracht. Sicherlich warteten unter unserer Grasnarbe auch die allerschönsten Engerlinge und Regenwürmer.
Ich klatschte wenig angetan in die Hände – und die Schweine ließen sich protestierend in die Flucht schlagen. Sie verschwanden alle durch ein winziges Loch im Zaun zum Nachbarn, das gerade einmal groß genug war, um ein magersüchtiges Meerschweinchen hindurchzulassen.
Ich postete das Video mit den fressenden und anschließend flüchtenden Wildschweinen auf Facebook und bat die Freunde um Hilfe. “Lass das arme Schweinchen in Ruhe”, hieß es da. Und: “Du bringst das Schwein, ich den Grill”. Und: “Keine Chance. Sind die Schweine einmal im Garten, kommen sie immer wieder.” Und: “Du kannst das Loch im Zaun flicken, aber dann springen sie einfach drüber.” Und: “Warst du nicht mal Bogenschütze?”
Ich verbarrikadierte das Leck zum Nachbarsgarten mit Paletten. Was der Frau des Hauses nicht genug war. Sie googelte bereits nach Elektrozäunen und verkündete, es sei Männeraufgabe, die Schweineplage niederzuringen und der unerwünschten Besuchslage ein Ende zu bereiten. Die Freunde googelten derweil nach Rezepten und fragten, ob sich auch aus einem Wildschwein-Frischling ein Spanferkel zubereiten ließe. Tatsächlich erinnerte ich mich an das allererste Wildschweinfest im Berliner Vorort Kleinmachnow. Dort begegnete man dem Anstieg der Wildschweinpopulation in der Nachbarschaft mit dem pragmatischen Gedanken, die überschüssigen Tiere einfach aufzuessen. Es gab Wildschwein am Spieß und Wildschweinburger.
Vielleicht wäre das eine neue Einnahmequelle? Hinten drängen immer neue Wildschweine in den Garten. Und vorne steht der Food Truck – und versorgt die Nachbarn mit frischem Pulled Pork. (CS)
Dieser Artikel stammt aus „Zehlendorf Aktuell“ Ausgabe 126 (9/2024).
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