Scheibes Glosse: Ganz ohne Bargeld
Zunächst einmal: Ich liebe Bargeld. Ich mag das Knistern der Scheine und das Klimpern der Münzen. Wenn es unterwegs aber schnell gehen soll, dann lacht das Bargeld schon lange nicht mehr, dann komme ich mit der Karte viel schneller zum Abschluss. Bei einem USA-Urlaub zeigte sich aber: Mit der Kreditkarte zu bezahlen, das ist mitunter gar nicht so einfach. Die bargeldlose Welt muss am Ende doch noch einfacher und verlässlicher werden.
In Deutschland habe ich meine EC-Karte fest im iPhone verankert. Muss ich im Supermarkt, im Kino, im Restaurant oder im kleinen Laden um die Ecke etwas bezahlen, zücke ich mein Handy, drücke zwei Mal auf die Seitentaste und halte das Smartphone an das Modul zum bargeldlosen Bezahlen auf dem Tresen. Zack. Schon ist alles bezahlt. Und auf meinem Handy-Display sehe ich genau in einer Liste, wo ich zuletzt wie viel Geld wofür berappt habe.
Tatsächlich habe ich mich letztens selbst dabei ertappt, wie ich genervt mit den Augen gerollt habe, als jemand vor mir an der Kasse umständlich die letzten Münzen zusammengekramt hat, um genau passend zu bezahlen. Es hat schier endlos gedauert. Ich wollte schon rufen: “Mensch, bezahl doch mit Karte.”
Ich höre oft, dass das Ausland schon so viel weiter ist als Deutschland. Das bargeldlose Bezahlen in der großen weiten Welt, das wollte ich in diesem Jahr in den USA ausprobieren. Drei Kreditkarten kamen in der Folge mit auf die Reise.
Meine Frau meinte noch, nimm aber auch für jede Karte die Geheimzahl mit. Aber ich winkte ab. Die Karten habe ich bereits seit Jahren, die Geheimzahl habe ich noch nie gebraucht. Eigentlich setzt man den PIN aus vier Zahlen nur ein, wenn man mit der Kreditkarte an einem Bank-Terminal Bargeld abheben möchte. Und genau dieses Bargeld brauchen wir ja im Ausland gar nicht mehr. Oder?
Die Ernüchterung kam nach zwei langen Flügen einmal über den Atlantik und einmal quer durch Amerika beim Schalter, an dem wir unseren bereits bezahlten Mietwagen abholen wollten. Um eine “Sicherheitsabbuchung” vornehmen zu können, brauchten die Mitarbeiter am Schalter noch einmal meine Kreditkarte. Ich gab sie gerne. Die Karte wurde durch die Maschine gezogen – und prompt leuchtete auf dem Display die Aufforderung auf, meine PIN einzugeben. Haha, lachte ich, wie lustig, die habe ich ja gar nicht.
Haha, machte die Mitarbeiterin, dann gibt es auch keinen Mietwagen, und wenn der gleich zehn Mal im Vorfeld bezahlt wurde. Nur das Haha, das machte sie in Wirklichkeit gar nicht. Tatsächlich schaute sie mich emotionslos mit Augen an, die so kalt waren wie die von einem toten Thunfisch auf Eis.
Die Kreditkarte meiner Frau wurde nicht akzeptiert, es musste zwingend die meine sein, weil ich auch den Vertrag für den Mietwagen abgeschlossen hatte. Schöne komplizierte, digitale Welt.
Zum Glück konnte die PIN Zuhause in Deutschland in meinen verstaubten Unterlagen aufgespürt werden. So kamen wir doch noch an den Mietwagen.
Beim Tanken kam gleich das nächste Problem auf. Direkt an der Zapfsäule konnte man seine Kreditkarte in den Automaten einschieben, hier fragte die Maschine aber nicht nach der 4-stelligen PIN, sondern nach einem 5-stelligen ZIP-Code, also einer Postleitzahl. Unsere Postleitzahl aus Deutschland funktionierte aber nicht.
Ein freundlicher Amerikaner erklärte uns, wie man das Dilemma umgeht. Man geht einfach in die Tankstelle hinein, zahlt eine beliebige Anzahl Dollar im Voraus für eine bestimmte Säule – und kann dann exakt so viel Benzin tanken, wie man mit der Karte vorfinanziert hat. Da muss man aber gut schätzen können.
Beim Shopping folgte die nächste Ernüchterung. An den verschiedenen Bezahlautomaten kam es immer wieder zu Überraschungen. “Bad card” oder “Card denied” stand da plötzlich unerwartet auf dem Display. Die gute Kreditkarte, die eben und auch danach noch bestens funktioniert hatte, wollte zwischendurch niemand haben. Zum Glück hatte ich ja mehrere Karten dabei – eine funktionierte immer. Ich dachte: Was macht der bargeldlose Tourist, der nur mit EINER Karte im Geldbeutel ins Ausland fährt? Der endet doch in der Küche beim Abwaschen, weil er sein Essen auf einmal nicht bezahlen kann.
In einem Shopping-Tempel erschien plötzlich wieder die Nachfrage nach meiner PIN auf dem Display. Ah, kein Problem, sagte ich, die habe ich, ich muss sie nur mal eben suchen. Macht nichts, sagte die Verkäuferin und drückte auf “Überspringen”. Schon wurde meine Kreditkarte ganz ohne PIN belastet. Und ich war verblüfft. Hätte das beim Mietwagen nicht auch so einfach funktionieren können?
Auf jeden Fall habe ich mit den Tagen eine ordentliche Paranoia bekommen, ob meine Kreditkarten nun funktionieren oder nicht. Wie gut, dass ich immer auch etwas Bargeld mit dabei habe. (CS)
Dieser Artikel stammt aus „Zehlendorf Aktuell“ Ausgabe 125 (8/2024).
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