Deprimiert? Elisabeth-Klinik für seelische Gesundheit junger Menschen neu in Nikolassee eröffnet!
Seelische Erkrankungen nehmen auch bei Kindern und bei Jugendlichen zu. Wichtig für ihre Heilung ist ein wohnortnahes Behandlungsangebot. In Nikolassee hat nun die neu erbaute Elisabeth-Klinik für seelische Gesundheit junger Menschen eröffnet – direkt an der Potsdamer Chaussee. Kindern und Jugendlichen zwischen 3 bis 18 Jahren stehen nun vor Ort 26 stationäre und 22 tagesklinische Behandlungsplätze zur Verfügung. Hinzu kommt eine Psychiatrische Institutsambulanz (PIA). (ANZEIGE)
Die Elisabeth-Klinik für seelische Gesundheit junger Menschen (SGJM) ist aus der ehemaligen Klinik für seelische Gesundheit im Kindes -und Jugendalter des St. Joseph Krankenhauses hervorgegangen. Seit Juli 2024 arbeitet sie als eigenständige Klinik unter dem Dach der neu gegründeten Josefwerke. Es gibt eine Versorgungsklinik in Tempelhof-Schöneberg und eine ganz neue in Steglitz-Zehlendorf.
Verantwortlich in der Elisabeth-Klinik für seelische Gesundheit junger Menschen an der Potsdamer Chaussee ist der Chefarzt Dr. Jakob Florack (39). Er stammt aus Wilmersdorf. Er erklärt kurz, um was es in der neu eröffneten Einrichtung überhaupt geht: “Wir sind eine Kinder- und Jugendpsychiatrische Abteilung. Wir betreiben eine Versorgungsklinik für die Kinder- und Jugendpsychiatrie mit zwei Stationen, drei Tageskliniken und einer psychiatrischen Institutsambulanz hier am Standort. Eine solche psychiatrische Institutsambulanz kann man sich vorstellen wie eine große kinder- und jugendpsychiatrische Arztpraxis. Hier kann vor Ort eine Diagnostik erfolgen, aber auch eine Behandlung. Wir legen großen Wert darauf, dass wir die wenigen Plätze, die uns zur Verfügung stehen, gut nutzen. Wenn es uns möglich ist, behandeln wir unsere Patienten vorrangig ambulant. Nur wenn das nicht ausreicht, nehmen wir die Patienten in die Tagesklinik auf. Reicht das immer noch nicht, behandeln wir komplett stationär, also auch über Nacht.”
Welche psychischen Erkrankungen kommen denn vor Ort vornehmlich vor?
Dr. Jakob Florack: “Wir kümmern uns um jede psychische Erkrankung, die versorgungspflichtig ist. Im Kindesalter sind die Aufmerksamkeitsstörungen die häufigsten psychischen Erkrankungen. Wir sprechen hier von ADHS, manchmal auch in Kombination mit einer Störung des Sozialverhaltens. Die Kombination aus beiden nennt sich eine hyperkinetische Störung des Sozialverhaltens. Im Jugendalter sind die häufigsten Erkrankungen Angststörungen, Depressionen und auch Essstörungen. Die Essstörungen haben in Summe deutlich zugenommen, seitdem es die Lockdown-Beschränkungen in der Corona-Pandemie gab. Woher das kommt, fragen sich auch viele Fachleute. Man hat ein paar Faktoren identifizieren können. Bei magersüchtigen Menschen ist es etwa so, dass diese spezielle psychische Erkrankung im Bildungsbürgertum häufiger vorkommt, was ansonsten übrigens anders herum ausgeprägt ist, und dass hier das Selbstwertempfinden oft an die Erfolge in der Schule gekoppelt ist. Während des Lockdowns fehlte aber der wichtige Bezugspunkt und Selbstwertgenerator Schule – und die Erkrankungen haben spürbar zugenommen. Hinzu kam, dass sich viele intrafamiliäre Konflikte zwischen den Familienmitgliedern in der Corona-Pandemie noch einmal deutlich verschärft haben, weil man eben plötzlich viel mehr Zeit miteinander verbringen musste. Zeit, die vorher in die Freizeitgestaltung oder in die Schule oder auch in den Beruf geflossen ist.”
Was kann man sich eigentlich unter einer Angststörung vorstellen?
Dr. Jakob Florack: “Angst ist ein Gefühl, das wir alle haben sollten. Angst hat eine sehr wichtige Funktion für uns, sie schützt uns vor gefährlichen Situationen. Wenn die Angst aber so stark ausgeprägt ist in Situationen, wo sie eigentlich nicht angemessen ist, und wo sie mich regelrecht in meinem Tun behindert, dann liegt eine Angststörung vor. Bei einer sozialen Phobie bezieht sich die Angststörung vor allem auf soziale Situationen. Da haben die Betroffenen so große Angst davor, durch ihre Mitmenschen bewertet zu werden, dass sie sich nicht mehr in diese sozialen Situationen hineinbegeben und diese stattdessen aktiv vermeiden. In der Schule kann das dazu führen, dass man immer alleine bleibt, weil man sich nicht traut, zu den anderen Kindern und Jugendlichen zu gehen. Das hat also ganz konkrete Auswirkungen auf die soziale Teilhabefähigkeit.”
Wird das vielleicht auch getriggert durch die sozialen Medien?
Dr. Jakob Florack: “Das wird natürlich viel diskutiert, wie psychische Erkrankungen mit den sozialen Medien zusammenhängen. Ein paar Mechanismen sind natürlich leicht nachvollziehbar. Ein sehr wichtiger Mechanismus ist das Vergleichende, was soziale Medien ja mit sich bringen. Das heißt, ich sehe immer jemanden, der es besser, toller und schöner kann als ich selbst.”
Wenn es um das Thema “Seelische Gesundheit” geht, dann muss auch über Depressionen gesprochen werden, oder?
Dr. Jakob Florack: “Auf jeden Fall. Depressionen werden über eine wirklich messbare Größe ausgelöst, den Serotoninmangel. Da passiert wirklich etwas im Körper, etwas Messbares. Man kann also nicht sagen, das bildest du dir ein oder stell dich nicht so an oder reiß dich mal zusammen. Wir sprechen hier über eine biologische, chemische Grundkomponente. Zum Glück sind wir inzwischen darüber hinweg, dass wir psychische Erkrankungen als Charakterschwächen ansehen. Heute betrachten wir aber den biologischen Faktor mit dem Serotoninmangel nur noch als einen von vielen. Wir gehen auch auf psychologische und soziale Faktoren mit ein. Risikofaktoren, die zu einer Depression beitragen können, sind etwa ein schwieriger Zugang zu Bildung oder ein Aufwachsen in Armut. Oder werde ich vielleicht in einem familiären Umfeld groß, in dem sehr viel mit Abwertung und Macht gearbeitet wird? Oft ist es tatsächlich so, dass erst ein Zusammenwirken vieler Faktoren zu einer Depression führen kann.”
Wie kann man den Lesern beschreiben, wie eine Depression im Kopf funktioniert?
Dr. Jakob Florack: “Das große Problem ist, dass es den Betroffenen nicht nur viel zu anstrengend vorkommt, sich zu einer Aktion aufzuraffen, sondern es erscheint ihnen auch nicht mehr lohnenswert. Wenn Sie als Journalist zu mir kommen und mit mir ein Gespräch führen, dann haben Sie hoffentlich die Erwartung, dass es ein interessantes Gespräch sein wird und dass Sie im besten Fall sogar daran Freude haben, anschließend darüber einen Artikel zu schreiben. Bei einem depressiven Menschen fehlt diese Erwartungshaltung. Er erwartet vielmehr, dass alles, was er tut, seine Stimmung nicht verbessern wird. Das ist es aber, was zu einem Teufelskreis führt. Denn wenn ich mich ausruhe als depressiver Mensch, wird die Depression nicht besser, sondern schlimmer. In der stationären Behandlung aktivieren wir unsere Patienten, indem wir sie dazu motivieren, morgens aufzustehen, um vielleicht in den Park zu gehen oder an einer Laufgruppe teilzunehmen. Und dann merken viele, ganz so schlimm, wie sie sich das vorgestellt haben, ist es ja gar nicht. So gewinnt man Stück für Stück wieder einen freudvollen Zugang zu verschiedenen Tätigkeiten zurück.”
Aber ohne Medikamente geht es trotzdem nicht?
Dr. Jakob Florack: “Bei dem Schwierigkeitsgrad, den wir hier an psychischen Erkrankungen behandeln, ist es fast immer angezeigt, auch eine medikamentöse Behandlung wahrzunehmen. Allerdings sind wir da auch mittlerweile bei einem Prozess, wo wir immer gemeinsam Entscheidungen treffen.”
Wie kann man sich den Tag bei einer vollstationären Unterbringung vorstellen?
Dr. Jakob Florack: “Wir bieten hier ganz viele Bausteine an. Natürlich gibt es psychotherapeutische Angebote, also etwa mehrere psychotherapeutische Gespräche pro Woche. Dann gibt es gruppenpsychotherapeutische Angebote, bei denen man etwas lernen kann. Zuletzt war eine Tanztherapeutin bei uns. Achtsamkeit sich selbst gegenüber gehört zur modernen Psychotherapie in vielen Verfahren mit dazu. Bei der Soziotherapie geht es um das angeleitete Zusammensein in der sozialen Gruppe – und damit auch um das Wiedereinüben der sozialen Teilhabefähigkeit. Daneben bieten wir viele Begleittherapien an, darunter die Kunsttherapie, die Musiktherapie, die Ergotherapie und die Sporttherapie. Um auch in diesem Umfeld wieder positive Erlebnisse zu schaffen. Was ebenfalls eine Riesenrolle spielt: Wir haben eine Klinikschule bei uns eingebunden. Wir kooperieren hier mit einer lokalen Schule, das ist die Pestalozzi-Schule. Sie stellt Lehrerinnen und Lehrer, die bei uns in unseren Räumlichkeiten den Unterricht durchführen – aber in kleinen Gruppen, um so wieder positive Schulerfahrungen zu vermitteln, die viele Kinder und Jugendliche lange Zeit nicht gemacht haben. Regelschule und psychische Erkrankungen vertragen sich leider oft nicht gut miteinander, weil man als Betroffener unter den vielen Mitschülern und Mitschülerinnen unter Umständen einfach untergeht.”
Wie kommt man denn als Patient bei Ihnen unter?
Dr. Jakob Florack: “Wir haben gerade eine neue Homepage geschaltet und versuchen hier, einen möglichst leichten Zugangsweg zu finden, sodass man sich hier bei uns anmelden kann. Ansonsten findet man auf der Homepage aber auch unsere Kontaktdaten für Menschen, denen es schwerfällt, ein Online-Formular auszufüllen. Sie können sich telefonisch bei uns melden. Wir haben aber auch viele Zuweisungen, die von den Kollegen aus der Kinder- und Jugendpsychiatrie kommen. Sie finden ein spezielles Anmeldeformular auf unserer Homepage vor, in das sie eintragen, was sie schon alles an Behandlung versucht haben und warum sie eine stationäre oder teilstationäre Behandlung für indiziert halten.”
Wie sehen denn eigentlich die Erfolgsaussichten bei einer Behandlung aus?
Dr. Jakob Florack: “Wir können dem Großteil unserer Jugendlichen und Kinder, dabei helfen, dass ihre Lebenszufriedenheit wieder steigt und die Krankheitsschwere abnimmt. In aller Regel ist es aber so, dass noch ein bestimmter Restanteil der Symptome besteht, wenn wir in die ambulante Behandlung übergehen. Wir geben den Kindern und Jugendlichen sozusagen einen Rucksack mit Werkzeugen und Ideen mit, wie sie sich im Krisenfall selber helfen können.” (Text/Fotos: CS)
Info: Elisabeth-Klinik für seelische Gesundheit junger Menschen, Potsdamer Chaussee 90, 14129 Berlin, Tel.: 030-78821301, https://www.josefwerke-berlin.de/einrichtungen/elisabeth-klinik
Dieser Artikel stammt aus „Zehlendorf Aktuell“ Ausgabe 125 (8/2024).
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