Premiere im Schlosspark Theater: Eines langen Tages Reise in die Nacht!
Im Schlosspark Theater von Dieter Hallervorden wird das neue Jahr mit schwerer Kost eingeläutet: Am 7. Januar fand die Premiere von „Eines langen Tages Reise in die Nacht“ statt. Der mit dem Pulitzer-Preis ausgezeichnete Vier-Akter von Eugene O‘Neill zeigt die Abgründe einer amerikanischen Familie – und lässt dabei keinen Silberstreif am Horizont zu. Für die Zuschauer ist das eine echte Belastungsprobe.
Wie weit darf, muss Theater gehen? Und wie sehr möchte es sich das Publikum selbst zumuten, in komplett deprimierenden Welten zu versinken? Diese Fragen stellt (sich) das Stück „Eines langen Tages Reise in die Nacht“.
Geschrieben wurde es von Eugene O‘Neill, der 1888 in New York geboren wurde, aus einer Schauspielerfamilie stammt und mit seinen Bühnenstücken gleich mehrmals den Pulitzerpreis gewinnen konnte. 1936 bekam er auch als bislang einziger amerikanischer Dramatiker den Nobelpreis für Literatur zugesprochen.
„Eines langen Tages Reise in die Nacht“ ist ein autobiografisch gefärbtes Stück, eine waschechte Tragödie. Auf der Bühne lernen wir die amerikanische Familie Tyrone kennen – und beobachten ihr Leben nur einen einzigen Tag lang, vom Morgen bis in die späte Nacht hinein.
Der Vater der Familie ist James Tyrone (Peter Kremer), der einst ein gefeierter Schauspieler war, aber längst jämmerlich an der Aufgabe gescheitert ist, ein guter Vater und Ehemann zu sein. Sein stets präsenter Geiz hat seine Frau Mary (Judith Rosmair) in die Morphiumsucht getrieben, weil er nach einer schweren Geburt nur einen billigen Quacksalber für sie aufgetrieben hat. Der ältere Sohn James (Igor Karbus) wird zum aufbrausenden Trinker und Zyniker. Der jüngere Sohn Edmund (Fabian Stromberger) leidet an der Schwindsucht und wird als Tuberkulose-Kranker der damaligen Zeit wohl bald in ein Sanatorium gehen müssen.
All diese Wahrheiten werden in der Familie totgeschwiegen, solange es nur geht. Man schaut weg, man lässt die Mutter nicht alleine, man spricht von einer Sommergrippe und nicht von der Schwindsucht. Was nicht angesprochen wird, das kann auch nicht wirklich ein Problem werden.
Doch diese Familie Tyrone, sie ist im schlimmsten Fall toxisch zueinander. Je mehr die Liebe und Zuneigung sie in ihren Familienbanden immer wieder magnetisch zusammenführt, umso mehr verletzen sich die einzelnen Personen gegenseitig – mit Worten, aber auch mit Gesten und Taten. Mitunter fast genüsslich legen sie die Finger gegenseitig in die Wunde und bohren darin herum. Dann beschimpfen sie sich als Säufer und Nichtskönner, reiben sich ihr Scheitern gegenseitig unter die Nase und verletzen sich genau mit den Worten, von denen sie aus jahrelanger Erfahrung wissen, dass sie wirken.
Alle vier Figuren, die da nun auch im Schlosspark Theater auf der Bühne stehen, haben so gar nichts Positives an sich, was den Zuschauer dazu einladen könnte, sich mit den Charakteren wohlwollend zu identifizieren.
Natürlich spielen die Schauspieler ihre Rollen mit großer Bravour. Und natürlich regt das reduzierte Bühnenbild mit einer riesigen Spiegelwand dazu an, sich selbst den Spiegel vorzuhalten. Man muss sich aber auch im Selbstschutz fragen: Möchte man sich dieses zutiefst verstörende, depressive, mutlose und verzweifelte Theaterstück wirklich antun? Ist die Kunst um ihrer selbst willen so wichtig, dass man einen absolut unerfreulichen Abend mit ihr verbringen möchte? Die Frage darf sich jeder Theaterfreund selbst beantworten. Das Stück läuft noch bis zum 19. Februar. (Text: CS / Foto: DERDEHMEL/Urbschat)
Dieser Artikel stammt aus „Zehlendorf Aktuell“ Ausgabe 106 (1/2023).
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