Strom an der Straße tanken: Laternenladepunkte werden in Steglitz-Zehlendorf getestet!
Berlin ist eine Stadt der Elektroautos. Seit 2020 hat sich ihre Zahl verdoppelt, inzwischen rollen bereits 46.000 Stromer flüsterleise durch die Metropole. Die 12.000 vorhandenen Ladepunkte sind allerdings größtenteils in privater Hand. Wo können die E-Autos also aufgeladen werden, wenn man keinen Carport mit Wallbox besitzt? ubitricity hat die Lösung – und macht aus ganz normalen Straßenlaternen neue Laternenladepunkte, die sich am besten über Nacht verwenden lassen.
Die Idee gibt es schon länger. Wie wäre es denn, wenn man aus ganz normalen Straßenlaternen permanent verfügbare Ladestationen fürs E-Auto machen würde?
Um genau diese Vision Wirklichkeit werden zu lassen, haben sich das Unternehmen ubitricity (www.ubitricity.com/de/) und die Berliner Senatsverwaltung für Umwelt, Mobilität, Verbraucher- und Klimaschutz (SenUMVK) die Hand gereicht. ubitricity ist eine Tochter der Shell-Gruppe. Sie entwickelt Ladelösungen für Elektrofahrzeuge – und betreibt sie auch.
Die Lösung für Berlin nennt sich „Heinz“. Dabei handelt es sich um eine schmale Ladesäule, die sich an eine Straßenlaterne anflanschen lässt. Im Rahmen eines vom Bund geförderten Forschungsprojekts sollen nun eintausend neue Ladepunkte in Berlin installiert werden – und zwar vor allem in den Außenbezirken. Eben genau dort, wo die Berliner leben und schlafen. Die ersten 200 Ladepunkte entstehen bis Oktober 2022 vor allem in den Ortsteilen Marzahn-Hellersdorf und Steglitz-Zehlendorf. Die Kosten von knapp sieben Millionen Euro stemmt dabei komplett der Bund, sodass sich Berlin nicht beteiligen muss.
Teuer wird das Projekt leider auch, weil sich längst nicht alle Straßenlaternen für Heinz eignen: Etwa die Hälfte der Laternen muss ausgetauscht werden. Bei den Laternen, die Heinz wie einen Rucksack schultern können, ist das Modul allerdings in knapp einer Stunde installiert.
Für Steglitz-Zehlendorf gibt es bereits eine erste Liste, welche Straßen für das Strom-Update vorgemerkt sind. Hier finden sich u.a. die Straßen Am Großen Wannsee, Anhaltiner Straße, Berlepschstraße, Hohentwielsteig, Sophie-Charlotte-Straße, Stewardstraße, Taylorstraße und Windsteiner Weg.
Constanze Siedenburg von der Senatsverwaltung für Umwelt, Mobilität, Verbraucher- und Klimaschutz: „Aktuell befinden wir uns im Projekt zum Laternenladen im Errichtungsprozess der ersten 200 neuen Laternenladestandorte in Berlin. An der Gerarer Straße und der Moltketraße sind die Laternenladepunkte bereits eingerichtet und können genutzt werden.“
Nicole Anhoff-Rosin von der ubitricity Gesellschaft für verteilte Energiesysteme mbH: „Die einzelnen Standorte werden von der Senatsverwaltung festgelegt. Sie sind aktuell noch in der Prüfung. Es wird genau untersucht, ob sich ein Laternenmast aufgrund seiner Form und des allgemeinen Zustands eignet, ob die Netzanschlussbedingungen erfüllt werden, wie der Zustand der vorhandenen Kabel ist und wie es um die Parksituation an der Laterne bestellt ist. Jeder Standort wird dann einzeln genehmigt.“
Wir haben uns die Heinz-Aufbauten in der Moltkestraße einmal angesehen. Tatsächlich sind die Strom-Module schon von weitem gut erkennbar. Es handelt sich bei Heinz um schmale Module mit einem kleinen Display und mit einer runden Öffnung, in die sich das klassische Ladekabel einstecken lässt, das die E-Auto-Fahrer im Kofferraum mit sich führen.
Bezahlt wird mit einer Karte oder über das Handy – eine aufgedruckte Anweisung erklärt genau, wie der Kontakt zwischen der Ladesäule und dem Auto hergestellt wird. Den Strom – übrigens komplett aus erneuerbaren Energien – stellt die Shell Energy Retail GmbH.
Ein erstes Problem mit Heinz zeigt sich bei unserem Besuch der Moltkestraße: Sämtliche Parkplätze neben den Laternen sind tagsüber belegt. Hier parken allerdings keine E-Autos, sondern klassische Verbrenner. Es war uns für einen ersten Test nicht möglich, unser Redaktions-E-Auto so zu parken, dass die Länge des Stromkabels ausreicht, um den Kontakt mit der Laterne herzustellen. Siehe da: Die Lösung ist so nah, liegt aber zugleich in weiter Ferne. Um die Heinz-Ladepunkte nutzen zu können, muss demnach ein Parkplatz frei sein! Vielleicht wäre es nicht schlecht, die Ladepunkte zu fördern, indem die Parkplätze in ihrer Nähe ausschließlich für Elektroautos freigegeben werden?
Ein zweites Problem ist, dass die Laternen nur eine maximale Ladeaufnahme von 3,7 kWh bieten. Das Unternehmen, das die Heinz-Ladepunkte betreibt, bringt bereits Erfahrung auf diesem Gebiet mit: In England sind schon 5.500 Ladepunkte an Laternen im Einsatz. Demnach werden die Ladepunkte vor allem in der Nacht verwendet. Während der E-Autobesitzer friedlich schlummert, wandern im Schnitt 22 Kilowattstunden in die Batterie der E-Autos. Das reicht für etwas mehr als einhundert gefahrene Kilometer. Bei einem festen Preis von 42 Cent/kWh kämen auf den Autofahrer Kosten in einer Höhe von 9,24 Euro zu.
Ein knapper Zehner für einhundert Kilometer Fahrleistung – das ist ein stolzer Preis. Da sind Hausbesitzer, die in ihrem Carport eine Wallbox mit 11 kWh Ladeaufnahme installiert haben und einem deutlich günstigeren Strompreis nutzen, besser aufgestellt. Zumal der Akku der E-Autos an der Wallbox nach einer Nacht bereits wieder komplett aufgefüllt ist. (Text/Fotos: CS)
Dieser Artikel stammt aus „ZEHLENDORF.aktuell“ Ausgabe 102 (9/2022).
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