Schach am Teltower Damm in Zehlendorf: Königsjäger
Es ist kurios und wundersam, aber ausgerechnet das klassische Brettspiel Schach kommt einfach nicht aus der Mode. Und es kennt auch keine Nachwuchssorgen. Im Zehlendorfer „Schachverein Königsjäger Süd-West“ werden die Hälfte der Mitglieder von Kindern und Jugendlichen gestellt. Die Königsjäger treffen sich immer am Mittwoch und am Freitag ab 18:15 Uhr in der Freizeitstätte Süd.
So ein kleines Brett – und so viele Möglichkeiten. Es gibt unzählige Variationen, in denen der Spieler seine Bauern, Läufer, Türme und Pferde losschicken kann, um den gegnerischen König ins Visier zu nehmen und den eigenen zu schützen. Mitunter dauert es nur wenige Züge, bis eine Partie entschieden ist.
Die Spieler, die sich regelmäßig in der Freizeitstätte Süd am Teltower Damm 226 treffen, gehören den „Königsjägern“ an. Der Schachverein ist 1992 aus den beiden Vereinen „Schachklub Südwest 1982“ und „Zehlendorfer Königsjäger 1988“ hervorgegangen, die sich damals zusammengetan haben.
Kimon Böhmer (19) spielt selbst bei den Königsjägern, er ist hier aber auch als Trainer, als Jugendwart und im Vorstand tätig. Ihm wird die Schach-Spielstärke 1700 (nach DMZ = Deutsche Wertungszahl) zugewiesen. Er wohnt selbst in Zehlendorf und erzählt: „Bei uns im Schachverein sind etwa 130 Mitglieder organisiert, darunter viele Kinder und Jugendliche. Wir haben also zum Glück keine Nachwuchsprobleme. Wir widmen uns dem Breiten- als auch dem Leistungsschach.“
Was hat ihn eigentlich selbst zum Schach gebracht? Kimon Böhmer: „Schach ist ein Spiel, das eine innere Schönheit hat. Gleichzeitig ist es unglaublich präzise. Kunst, Schönheit und Wissenschaft gehen hier eine Einheit ein. Und natürlich ist es auch ein sportlicher Wettbewerb, das kommt noch einmal hinzu. Schach ist auch nie auserzählt, jede Partie ist neu und überrascht einen immer wieder aufs Neue. Die Schach-Aufgabe kann im Grunde niemand lösen, kein Mensch und keine Maschine.“
Bei unserem Besuch bei den „Königsjägern“ fällt auf, dass die Spieler, die gerade an den Schachbrettern sitzen, nicht besonders lange überlegen, bevor sie ihren Zug machen und eine Figur über das Schachbrett bewegen.
Kimon Böhmer: „Wir spielen gerade ein vereinsinternes Schnellschach-Turnier. Ein Spiel kann unter normalen Bedingungen gern schon einmal bis zu sechs Stunden dauern. Hier hat man nur zehn Minuten Zeit für die ganze Partie, darf also nicht allzu lange überlegen. Gerade die Eröffnung spielt man meist sehr schnell, weil man hier schon weiß, welche Züge man als nächstes setzt. Je fortgeschrittener ein Spieler ist, umso mehr Varianten berechnet er im Kopf. Gleichzeitig kann ein versierter Spieler aber auch auf seine Erfahrung und Intuition zurückgreifen.“
Im Verein werden drei Schach-Varianten geübt. Neben dem klassischen Schach und dem Schnellschach kommt auch noch die Extremvariante Blitzschach zum Einsatz. Hier darf eine Begegnung auf dem Brett nur drei bis fünf Minuten dauern.
Wie oft trainiert so ein Schachspieler eigentlich? Kimon Böhmer: „Bei uns im Verein gibt es verschiedene Gruppen, die nach dem Alter und auch nach dem Level der Spielerfahrung eingeteilt werden. Mittwoch und Freitag trainieren wir immer ab 18:15 Uhr in der Freizeitstätte Süd. Hier stehen uns tolle Räume zur Verfügung. Der Verein hat sehr schöne, edle Holzbretter, auf denen wir spielen können. Jeder hat aber auch ein eigenes Brett Zuhause.“
Das mit der Nachwuchswerbung funktioniert ganz einfach. Kimon Böhmer: „Es passiert immer wieder, dass sich auch schon kleine Kinder bei uns melden und uns erzählen, dass sie gern Schach lernen möchten. Wichtig ist, dass die Kinder aus eigener Motivation zu uns kommen. Es macht keinen Sinn, wenn sie nur von den Eltern geschickt werden. Wer wirklich einen Sinn für Schach hat, hat viel Freude bei uns im Verein und bleibt in der Regel auch. Man merkt, dass es oft um das Abitur herum schwierig wird, Schach, die Schule und das eigene Leben unter einen Hut zu bekommen. Hier hören viele Jugendliche plötzlich mit dem Schach auf. Deswegen ist unsere U16 deutlich stärker besetzt als die U18-Mannschaft.“
Kann Schach auch Einfluss auf das eigene Leben nehmen? Kimon Böhmer: „Ja, unbedingt. Man lernt etwa, sich auch unter größtem Stress noch zu konzentrieren und zu fokussieren. Außerdem lernt man, sich in die Perspektive seines Gegenübers einzudenken, um zu verstehen, wie er denkt und was er für Beweggründe für sein Tun hat. Auch die Charaktere der Menschen spiegeln sich im Spiel wieder. Man sieht oft schon am Eröffnungszug, ob jemand forsch und aggressiv oder zurückhaltend und defensiv ist.“
Der Verein selbst ist auf vielen Turnieren unterwegs. Kimon Böhmer: „Es gibt gerade in Berlin sehr viele Schachturniere, an denen man teilnehmen kann. Das beginnt bei den Opens auch für Anfänger und zieht sich weiter über Schulmeisterschaften bis hin zu Seniorenturnieren. Die Senioren sind übrigens neben den Jugendlichen unsere stärkste Altersgruppe im Verein.“
Es fällt auf, dass unter den Schachspielern sehr viele Männer und Jungen sind. Kimon Böhmer: „Frauen und Mädchen gibt es auch, aber sie bilden weiterhin die Ausnahme, was sehr schade ist. Es müssten deutlich mehr sein.“
Wer Mitglied im Verein (www.koenigsjaeger.de) werden möchte, zahlt 60 Euro im Jahr.
Kimon Böhmer: „Nach Corona kommen wir jetzt so langsam wieder in die Präsenz und treffen uns wieder in der Freizeitstätte. Während des Lockdowns haben wir alle sehr viel online am Computer gespielt. Es gibt da spezielle Webseite wie lichess.org oder chess.com, die Schachgegner vermitteln. Schach-Spieler können sich stundenlang darüber streiten, welche Seite die beste ist. Hier spielt man gegen andere Menschen und niemals gegen Bots. Es macht einfach keinen Spaß, gegen einen Computer zu spielen.“ (Text/Fotos: CS)
Dieser Artikel stammt aus „ZEHLENDORF.aktuell“ Ausgabe 101 (8/2022).
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