Lichterfelder Weidelandschaft: Biotop erhalten in Lichterfelde-Süd: Ehemaliger Truppenübungsplatz verwandelt sich in Biotop!
Der ehemalige Truppenübungsplatz „Parks Range“ am S-Bahnhof „Lichterfelde Süd“ hat sich in den letzten drei Jahrzehnten in ein Biotop verwandelt, das vielen bedrohten Tier- und Pflanzenarten zur neuen Heimat geworden ist – und das mitten in Berlin. Der BUND setzt sich dafür ein, diese Naturlandschaft zu erhalten, auch wenn ein Teil des Biotops in naher Zukunft bebaut werden soll.
Während des Kalten Krieges haben die amerikanischen Streitkräfte einen Truppenübungsplatz mitten in Lichterfelde-Süd genutzt, um hier auf einer Fläche von etwa 70 Hektar taktische Manöver zu üben. Als die Amerikaner nach der Wiedervereinigung Anfang 1994 das Gelände mit dem Namen „Parks Range“ aufgegeben haben, hinterließen sie nach 40 Jahren intensiver Militärnutzung eine offene, karge Brache.
Eine solche Offenlandschaft ist nahezu prädestiniert dazu, sich ohne weiteres Zutun des Menschen in ein Biotop zu verwandeln, in dem sich ganz von selbst viele vor dem Aussterben bedrohte Tier- und Pflanzenarten ansiedeln. Ein Problem mit solchen Biotopen ist nur, dass sie sehr schnell wieder zuwachsen. Viele rasch aufschießende Gehölze wie etwa die Robinie oder die Pappeln können diese wertvollen Landschaften wieder zum Verschwinden bringen.
Auf dem alten Truppenübungsplatz ist allerdings etwas ganz Besonderes passiert. Die Mitglieder der Reitgemeinschaft „Holderhof“ haben seit dem Jahr 2000 ihre Pferde auf dem Gelände weiden lassen. Die Pferde haben auf diese Weise dafür gesorgt, dass das Gelände nicht wieder völlig zugewachsen ist. Ihr Dung zieht außerdem zahlreiche Insekten an, die wiederum Nahrung für viele Vögel sind.
Als „Lichterfelder Weidelandschaft“ trägt die nunmehr halboffene Landschaft mit Wald- und Weidenbereichen zur besonderen Artenerhaltung mitten in der Großstadt Berlin bei. Erste Zählungen haben 292 Arten Großschmetterlinge festgestellt, die sich auf dem Gelände aufhalten. Es wurden außerdem 26 Heuschreckenarten gefunden, darunter etwa die Blauflügelige Ödlandschrecke. Hinzu kommen 264 verschiedene Bienen-, Hummel- und Wespenarten, 58 Brutvogelarten, sieben Amphibien und 450 unterschiedliche Gefäßpflanzen.
Die Reiter um die Tiermedizinerin Anne Loba haben ein inniges Verhältnis zum Gelände entwickelt. Sie haben nicht nur ihre Pferde nach einem schlauen Plan auf dem Areal grasen lassen, sondern immer wieder auch Müll und Militärhinterlassenschaften eingesammelt.
Seit 2013 ist der BUND in das Projekt involviert. Anne Loba kümmert sich mit einem Praktikanten weiterhin komplett ohne Motorwerkzeuge um die Landschaftspflege, bekommt aber auch immer wieder einmal Hilfe von Freiwilligen, die sich über BUND-Newsletter-Aufrufe zum Mitmachen animieren lassen. Anne Loba: „Neophytische Gehölze nehme ich gezielt heraus und verarbeite das Schnittgut zu neuen Strukturen wie Schichtholzhecken und Rottehaufen. Ich bin seit 32 Jahren vor Ort engagiert, seit 2016 als BUND-Mitarbeiterin.“
Nun stehen in der „Lichterfelder Weidelandschaft“ im sogenannten „Hot Spot der Artenvielfalt“ erneut große Veränderungen an. Andreas Faensen-Thiebes, Mitglied im BUND-Landesvorstand: „2012 wurde ein Großteil des alten Truppenübungsplatzes und das sich nördlich anschließende Gewerbegebiet an die Groth-Gruppe verkauft, die nun Wohnungen bauen möchte.“
Es ist in diesem Prozess zwar nicht gelungen, die gesamte „Lichterfelder Weidelandschaft“ zu erhalten. 39 Hektar sollen in naher Zukunft bebaut werden, 57 Hektar Natur bleiben dafür aber erhalten. Dabei gehen zwar Teile der halboffenen Landschaft und des Waldes verloren. Als Ausgleich und als Ersatz für den Verlust an Natur soll südlich der Weidelandschaft eine bereits in Brandenburg liegende Fläche an die „Weidelandschaft“ angekoppelt werden.
Mit dem neuen Inhaber besteht eine erste Kooperation. Der BUND hat eine Vereinbarung zur weiteren Pflege der Natur geschlossen. Unter anderem geht es darum, Zauneidechsen aus dem zukünftigen Baugebiet in das Biotop umzusiedeln. Verschiedene Maßnahmen vor Ort bekommt der BUND ebenfalls vom Investor bezahlt.
Andreas Faensen-Thiebes: „Der BUND setzt sich mit aller Kraft dafür ein, dass trotz der geplanten Teilbebauung des Geländes diese besondere Landschaftspflege eine Zukunft hat.“
Anne Loba, die für ihr Engagement für die „Lichterfelder Weidelandschaft“ 2017 den Berliner Naturschutzpreis bekommen hat: „Das Gelände ist zurzeit für Spaziergänger oder interessierte Berliner nicht zugänglich. Das ist auch haftungsrechtlich nicht möglich. Nur ein Beispiel: Wir lassen viele tote Bäume für die Insekten stehen. Sie können eine Gefahr für die Menschen darstellen, da jederzeit ein großer Ast abbrechen könnte. Wir werden aber immer wieder Führungen über das Gelände anbieten. Wir möchten das Biotop erlebbar machen – nur eben ganz gezielt.“
Es gab früher einmal viele kleine temporäre Gewässer auf dem Gelände, in denen sich die Kaulquappen von Fröschen und Kröten entwickeln konnten. Anne Loba, die das Artenspektrum vor Ort gern mit ihrer Kamera festhält: „Seit 2015 ist leider vieles ausgetrocknet. Es ist geplant, einen Brunnen zu bohren, um auf diese Weise Teiche zu bewässern.“ (Text/Fotos: CS)
Dieser Artikel stammt aus „ZEHLENDORF.aktuell“ Ausgabe 100 (7/2022).
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