Den Tod austreiben: Das Museumsdorf Düppel vertreibt den Winter!
Auf dem Gelände vom heutigen Düppel lebten die Menschen schon vor vielen Jahrhunderten. Am Krummen Fenn hat man bereits in den 60er Jahren die Reste eines Dorfes aus dem 12. Jahrhundert ausgegraben. Genau an dieser Stelle entstand das sehr lebendige „Museumsdorf Düppel“ – mit einer erlebbaren Nachbildung der Vergangenheit. Der Förderverein rief am letzten März-Wochenende zum traditionellen Winteraustreiben ein.
Wer das „Museumsdorf Düppel“ (www.stadtmuseum.de/museumsdorf-dueppel) in der Clauertstraße 11 besucht, hat das Gefühl, einen großen Schritt in die regionale Vergangenheit zu wagen. Auf einem acht Hektar großen Gelände hat man die historische Geschichte nachempfunden – mit detailgetreu nachgebauten Häusern, Speichern und Werkstätten sowie den dazu passenden Gärten und Feldern.
Auf rein ehrenamtlicher Basis engagieren sich die Mitglieder des Fördervereins „Museumsdorf Düppel e.V.“ vor Ort. Sie erwecken das Mittelalter noch einmal neu zum Leben und zeigen am Wochenende gern in authentischer Kleidung, wie damals Schafswolle zu Stoffen verarbeitet wurde, wie Brot aus dem Lehmofen kam, wie die alten Nutztierrassen gehalten wurden und wie geschmiedet wurde. Viele Familien nutzen die Gelegenheit sehr gern, , um als Besucher vor Ort eine spannende Lektion in Sachen Geschichte vermittelt zu bekommen.
Im „Museumsdorf Düppel“ finden das ganze Jahr über Workshops zum Mitmachen statt, so etwa im angeleiteten Korbflechten, im Bogenschießen, im Textilien färben wie im Mittelalter, im Bierbrauen oder im Umgang mit der Technik der Fermentation.
Seit 1995 gehört das Freilichtmuseum zum Stadtmuseum Berlin. In den letzten Jahren hat das Stadtmuseum im Museumsdorf viele Schautafeln aufstellen lassen, um den Besuchern noch mehr Informationen zuteil werden zu lassen.
Vor allem die aufwändig zelebrierten Großveranstaltungen ziehen jedes Jahr viele Besucher an. Die neue Saison wurde auch in diesem Jahr mit dem traditionellen Winteraustreiben eingeläutet. Die Märchenhexe Silberzweig begrüßte die zahlreich vertretenen Familien. Gemeinsam mit der mittelalterlich inspirierten Musiktruppe „Wolgemut“ stimmte sie die Besucher auf das Kommende ein.
Vor allem die Kinder freuten sich über die Möglichkeit, veganes Stockbrot an langen Stöckern über dem knisternden Lagerfeuer schön kross anzubacken. Sie konnten aber auch über das Gelände toben, die Tiere besuchen, beim Gärtnern zuschauen oder dem Schmied helfen. Ganz besonders wichtig war es für die Kinder aber, kleine Strohfiguren zu basteln, die beim Winteraustreiben eine große Rolle spielen.
Zu den Besuchern zählte auch die Familie von Tamzin Wood aus Stahnsdorf: „Wir waren bestimmt schon drei Mal im Museumsdorf. Wir finden es sehr idyllisch hier. Heute haben wir extra eine Strohpuppe gebastelt, um sie später zu verbrennen.“
Strohpuppe verbrennen? Was ist das denn für ein archaischer Brauch?
Die Märchenhexe Silberzweig: „Das ist in der Tat ein vorchristlicher Brauch, der europaweit unter verschiedenen Namen zelebriert wurde. Wir nennen das ‚den Tod austreiben‘. Der Tod ist hier ein Synonym für den Winter. Früher wurden regelrechte Kämpfe zwischen dem Winter und dem Frühling simuliert. Am Ende musste natürlich immer der Frühling gewinnen. Bei uns wird eine handgefertigte Strohpuppe in einer Prozession durch das Museumsdorf getragen und am Ende verbrannt. In die Strohpuppe tut man in Gedanken alle Krankheiten und all das hinein, was man loswerden möchte. Das kommt am Ende alles ins Feuer. Das funktioniert natürlich auch mit den kleinen Strohpuppen der Kinder, die diese vorher gebastelt haben.“
Tatsächlich war es eine sehr beeindruckende Prozession, die trommelschlagend und musikmachend durch das Museumsdorf wanderte, um am Ende ein großes Strohfeuer zu entzünden. Vor allem die Kinder waren mit Feuereifer dabei. So verabschiedeten sie den Winter und machten sich bereit für den Frühling.
Auch für die Erwachsenen gab es durchaus einen Anlass, sich auf die Strohpuppen zu konzentrieren. So forderte die Märchenhexe dazu auf, rein gedanklich auch „schlechte Liebhaber, Steuererklärungen und Covid-19“ mit ins Stroh zu geben.
Die Märchenhexe Silberzweig hatte aber vor allem ein Herz für die Kinder: „Die Kinder verbringen viel zu viel Zeit vor dem Computer und vor ihrem Handy. Es ist so schön zu sehen, wie ihre Augen wieder strahlen und funkeln, wenn die Hexe Geschichten erzählt. Dann sind sie voll bei der Sache und staunen mit offenem Mund. Das funktioniert auch Zuhause. Wenn sich die Eltern und Großeltern Zeit nehmen und den Kindern Geschichten vorlesen, ist das unfassbar wertvoll. Da kann auch die Märchenhexe nicht mehr mithalten.“
Der Tod wurde am letzten Märzwochenende gleich mehrfach ausgetrieben, um möglichst vielen Kindern die Möglichkeit zu geben, live mit am Feuer zu stehen. Die Umzüge starteten Samstag und Sonntag immer um 11:30, um 14 und um 16 Uhr.
Weiter geht es nun vor Ort vom 19. bis zum 24. April mit dem „Frühlingserwachen“, einem abwechslungsreichen Ferienprogramm für die ganze Familie. Auch die Märchenhexe Silberzweig und der Gaukler Astor Ytellar sind dann wieder mit dabei. (Text/Fotos: CS)
Dieser Artikel stammt aus „ZEHLENDORF.aktuell“ Ausgabe 97 (4/2022).
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