Äpfel, Birnen und Kirschen – und ganz viel Natur: Zu Besuch auf der Streuobstwiese in Stahnsdorf!
Der „Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland“ (kurz BUND) setzt sich überall in Deutschland für den Erhalt der extrem gefährdeten Streuobstwiesen-Biotope ein. Die Früchte ernähren die Menschen, ihre besondere Natur erhält den Lebensraum für viele seltene Pflanzen und Tiere. Auch in Stahnsdorf gibt es so ein kleines Paradies im Verborgenen. Eckart Klaffke führte uns einmal herum.
Die Stahnsdorfer Streuobstwiese, um die sich der BUND kümmert, ist nicht leicht zu finden. Sie liegt gut verborgen zwischen dem Schenkendorfer Weg und einer großen Reitsportanlage. Nur ein erdiger Waldweg führt einen Hang hinauf zu einem Tor, das normalerweise verschlossen ist.
Die Streuobstwiese (www.bund-berlin.de/streuobstwiese) ist nämlich keine Naherholungsfläche für alle Bürger. Betreten kann sie nur, wer vor Ort zum Team der Freiwilligen gehört, das sich um die Erhaltung des Biotops kümmert. Nur Ende Mai, Anfang Juni gibt es immer ein „Streuobstwiesenfest“, das allen Neugierigen die Tür öffnet. Corona-bedingt musste es leider zuletzt ausfallen.
Eckart Klaffke ist der Koordinator der „BUND Streuobstwiese Stahnsdorf“: „Wir haben das Gelände 1996 von den Berliner Stadtgütern gepachtet. Es ist 12,5 Hektar groß. Gut die Hälfte des Areals ist Obst- und Wiesenfläche, der Rest Wald und Brachfläche. Die Fläche wurde schon in Vorkriegszeiten als Kirschplantage genutzt. Die letzten Kirschbäume stehen noch, das Ende ihrer Lebensspanne ist aber allmählich in Sicht gekommen. Apfel- und Birnenbäume wurden zu DDR-Zeiten in den 50er Jahren nachgepflanzt, inzwischen zählen wir etwa 350 Obstbäume auf dem Areal.“
Viele alte Obstbaumsorten stehen auf dem Gelände. Sie werfen auch in trockenen Zeiten eine gute Ernte ab. Eckart Klaffke: „Wir haben hier alte Sorten wie Prinz Albrecht von Preußen, die Landsberger Renette oder die Goldparmäne. Viele alte Obstbaumsorten stammen aus Zeiten, als es noch keinen Mineraldünger und keine Schädlingsbekämpfung gab. Da mussten die Bäume von Hause aus deutlich robuster sein. Diese Eigenschaften wissen wir sehr zu schätzen.“
Neue Bäumchen werden immer wieder nachgepflanzt, interessierte Bürger können sogar eine Patenschaft zeichnen. Eckart Klaffke: „Wir helfen auch, wenn Ausgleichspflanzungen vorgenommen werden sollen. Bei den Neuanpflanzungen schauen wir in die Zukunft und fragen uns, welche Sorten besonders gut mit dem Klimawandel zurechtkommen. Neue Bäumchen beziehen wir übrigens von der Baumschule Nauen, die nach unserer Beobachtung das vielfältigste Angebot an alten Obstsorten auf einem sogenannten Hochstamm hat.“
Damit die Obstbäume auch Früchte tragen, sind fliegende Helfer unentbehrlich: „Wir haben mehrere Bienenvölker vom Bio-Imker André Krugmann aus Oranienburg auf unserer Fläche zu stehen. Die Bienen helfen uns bei der Bestäubung der Obstbäume.“
Das Biotop einer Streuobstwiese muss gepflegt werden, damit es nicht zuwuchert. Nur so können sich seltene Pflanzen und Tiere behaupten. Eine Maht von Hand könnte die Krautregion unter den Baumkronen kurz halten. Die BUND-Aktiven in Stahnsdorf gehen einen anderen Weg. Eckart Klaffke: „Bei uns sind Schafe auf dem Gelände – und zwar das ganze Jahr über. Die Schafzüchterin Sigrid Heilmann aus Stahnsdorf hat ihre Herde mit Bunten Skudden genau an unser Areal angepasst. Die Hinterlassenschaften ihrer 40 bis 60 Schafe ziehen außerdem viele Insekten an.“
Abgestorbene Obstbäume bleiben erst einmal stehen – als perfekter Nistplatz für Vögel, aber auch als Brutstätte für viele wichtige Insekten, die an anderer Stelle in der Region nicht mehr fündig werden, wenn es um diese speziellen Mikrobiotope geht. Und schon schwirrt eine riesige schwarze Holzbiene vorbei.
Tatsächlich sieht man sehr gut, wie das Biotop der Streuobstwiese einen Sog auf Tiere und Pflanzen entfaltet. Eckart Klaffke: „Wir haben Kolkraben, Mäusebussarde, Buntspechte, Wachtelkönige, Gartenrotschwänze, Gartenbaumläufer und Weidenmeisen bei uns gesichtet, bei den Schmetterlingen sehen wir den Braunen Feuerfalter, den Kleinen Sonnenröschen-Bläuling, das Schachbrett, das Große Ochsenauge und den Schwarzkolbigen Dickkopffalter.“
Überall springen Grashüpfer im Gras herum. Auf den trockenen Flächen sind etwa die Blauflüglige Ödlandschrecke und die in Deutschland vom Aussterben bedrohte rotflügelige Italienische Schönschrecke zu finden. Eckart Klaffke: „Viele seltene Arten bevorzugen karge Landschaften mit wenigen Nährstoffen. Damit können wir vor Ort leider nicht dienen. Noch 1929 gab es hier die Rieselfelder des benachbarten Klärwerks. Dadurch gab es einen enormen Nährstoffeintrag in der Fläche – der ist auch heute noch da.“
Die Erhaltung alter Obstbaumsorten oder die Ansiedlung seltener Tiere und Pflanzen stehen bei der Stahnsdorfer Streuobstwiese auch gar nicht an allererster Stelle. Eckart Klaffke: „Wir möchten vor allem Schülern im Rahmen eines Ausflugs, Projekt- oder Wandertages zeigen, wie man eine Streuobstwiese betreibt und diese langsam auf den Klimawandel vorbereitet. Vor allem die Obsternte ist für die Kinder immer ein großes Abenteuer.“
Im Verteiler vom BUND stehen etwa 250 Personen, die sich vor Ort ehrenamtlich engagieren. Eckart Klaffke: „An jedem 2. Sonntag im Monat treffen wir uns auf der Streuobstwiese, um gemeinsam zu arbeiten. Einige Aktive sind immer mit dabei.“
Was unternimmt der BUND mit den geernteten Äpfeln und Birnen? Eckart Klaffke: „Wir bringen das Obst in eine Mosterei. Hier wird es in Saft verwandelt und in 3-Liter-Boxen abgefüllt. Wir haben es in guten Jahren schon auf bis zu 2.000 Liter geschafft. In schlechten Jahren waren es dafür nur 700 bis 800 – wir hatten es mit sehr trockenen Jahren zu tun oder mit spätem Frost, was die Blüten erfrieren lässt. Diese Einnahmen helfen uns. So konnten sie unseren Solarbrunnen mit finanzieren, der uns bei der Bewässerung der Bäume unterstützt.“ (Text/Fotos: CS)
Dieser Artikel stammt aus „ZEHLENDORF.aktuell“ Ausgabe 90 (9/2021).
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