Schulbauernhof in Steglitz-Zehlendorf: Kinder lernen die Kreisläufe der Natur kennen!
Viele Kinder aus der Großstadt wissen gar nicht mehr, wie ein Schaf aussieht, wo das Frühstücksei herkommt oder wie man aus Schafsmilch Käse macht. In Steglitz-Zehlendorf möchte der neu eröffnete Schulbauernhof, der zum Freilandlabor Zehlendorf gehört, ein „grünes Klassenzimmer“ im Freien sein. Aufgrund der Corona-Pandemie konnten die Schüler dem Bauernhof lange keinen Besuch mehr abstatten. Dr. Claudia Schlüter ist jetzt aber für den Neustart bereit.
Claudia Schlüter (45) hat viel Freude daran, sich jeden Tag um ihre Tiere zu kümmern. Die Mutterschafe werden jeden Morgen von Hand gemolken, die Lämmer gefüttert. Auch die Hühner bekommen ihre Ration ab, dabei lassen sich auch gleich die neu gelegten Eier einsammeln.
Claudia Schlüter, die aus Thüringen stammt und wegen ihres Studiums nach Berlin gezogen ist, ist ausgebildete und promovierte Tierärztin, hat ihren Beruf aber vor sechs Jahren aufgegeben, um Lehrerin am Zehlendorfer Schadow-Gymnasium zu werden. Sie unterrichtet Naturwissenschaften, Biologie und Chemie und hat ein großes Interesse daran, den Kindern beizubringen, wie die Kreisläufe des Lebens funktionieren und wie eine ökologische Nutztierhaltung aussieht.
Das Freilandlabor Zehlendorf gibt es bereits seit 1984 – es ist das älteste in ganz Berlin. Auf einer Fläche von 30.000 Quadratmetern können die Besucher die einheimische Natur in unterschiedlichen Lebensräumen studieren. Da ging es bislang vor allem um einheimische Pflanzen, um Vögel, Reptilien und Amphibien. Ein Schaf war in diesem Konzept nicht vorgesehen.
Claudia Schlüter: „Die Fläche für unseren Schulbauernhof ist nun noch zum Freilandlabor hinzugekommen. Das Gelände, auf dem wir jetzt mit unseren Tieren Zuhause sind, grenzt direkt an das Freilandlabor an. Es scheint früher schon einmal ein Bauernhof gewesen zu sein. Ich wohne seit 1998 hier in der Nachbarschaft, ich habe hier schon vor Jahren einmal Schafe und Ziegen gesehen. Irgendwann waren die aber alle weg und das Gelände lag gut zehn Jahre lang brach und verwilderte. Ich habe schon lange die Vision, den Kindern die Kreisläufe der Natur zu erklären und Unterricht im Freien zu machen. Im Dezember 2018 habe ich mich für die Projektstelle beworben – und das Bezirksamt Steglitz-Zehlendorf hat es möglich gemacht. Ich fühle mich in meiner Arbeit sehr unterstützt. Dem Berliner Senat ist es wichtig, dass möglichst viele Kinder Erfahrungen auf dem Schulbauernhof sammeln können.“
Der Schulbauernhof soll ein Ort sein, den Schüler aus dem Bezirk zusammen mit ihren Lehrern besuchen können, um mit allen Sinnen zu lernen. Es ist sicherlich ein starkes Erlebnis gerade für ein Stadtkind, ein frisch gelegtes und noch warmes Ei direkt aus dem Hühnernest zu nehmen, als es im Karton im Supermarkt zu kaufen.
Bis zur Realisierung der Idee war es ein wahrhaft dorniger Weg. Claudia Schlüter: „Ich kann mich erinnern, dass wir 2019 bei unseren allerersten Arbeiten auf dem Gelände unfassbar viele dornige Brombeerranken entfernen mussten, um überhaupt über das 6.000 Quadratmeter große Anwesen zum bereits vorhandenen, aber halb verfallenen Lämmer- und Schafstall laufen zu können.“
Zusammen mit dem kreativen Büro „Bauereignis“ und vielen Schülern wurde im September 2020 bereits sehr viel auf dem Gelände gebaut, modernisiert und repariert. Bestehende Altanlagen konnten dabei erhalten und erweitert werden. So gibt es jetzt einen Schafstall mit Auslaufgehege, einen großen Hühnerstall, eine Futterküche, aber auch ein kleines Ranger-Häuschen. Eine Biokompost-Toilette im Freien darf auch nicht fehlen.
Im März 2021 sollte der Schulbauernhof eigentlich mit einem großen Fest feierlich eröffnet werden. Die Maßnahmen zur Bekämpfung der Corona-Pandemie haben das leider verhindert.
Tiere sind eine Verpflichtung und so ist Claudia Schlüter trotzdem jeden Tag einmal am Morgen und einmal am Abend bei ihren Schafen und Hühnern – auch am Wochenende. Dass Corona so manchen Plan zerschlagen hat, war im Nachgang nicht ganz schlecht: „Ich habe das Corona-Jahr für den Aufbau gebraucht. Ich musste ja auch sehr viel lernen. Nur weil man Tierärztin ist, bedeutet das ja nicht zwangsläufig, dass man auch melken kann. Eine Freundin bei Cottbus hat einen eigenen Hof. Da durfte ich schon helfen und habe dort festgestellt, dass ich alles schaffen kann. Vor Ort ist auch viel Zeit von meinem Mann und meinen Freunden eingeflossen. Jetzt haben sich die Abläufe eingeschliffen und wir sind hier wirklich angekommen auf dem Schulbauernhof. Jetzt sind wir bereit, unsere Arbeit aufzunehmen.“
Das ist geglückt. Die ersten Schülerinnen und Schüler sind bereits im Mai wieder auf den Schulbauernhof gekommen.
Weiterer Ausbau geplant?
Claudia Schlüter ist es wichtig, dass der Schulbauernhof langsam wächst: „Zurzeit planen wir noch nicht, weitere Tiere anzuschaffen. Die, die wir haben, reichen bereits vom Arbeitsaufwand her. Ich wünsche mir ehrenamtliche Helfer, die mich unterstützen. Dann können wir langsam größer werden. Der Platz ist da.“
Was können die Kinder vor Ort eigentlich lernen? Rund um die fast handzahmen Hühner gibt es bereits eine ganze Menge praktischer Aufgaben. Claudia Schlüter: „Die Schüler können Gemüse mitbringen und wir machen daraus Futterspieße für die Hühner. Da können wir darüber sprechen: Was fressen Hühner eigentlich? Und warum tun wir kleine Steinchen ins Futter? Da erfahren die Kinder etwa, dass die Hühner einen Muskelmagen haben und die Steinchen dabei helfen, harte Körner im Magen zu zermahlen. Wir können aber auch die Hühner beobachten und feststellen, wie viele Eier sie legen. Mit der Schierlampe finden wir sogar heraus, ob die Eier befruchtet sind.“
In der Zukunft könnte zum Bauernhof auch noch ein Schulhaus hinzukommen. Claudia Schlüter: „Dann steigen wir in das Modul Milchverarbeitung ein und machen unseren eigenen Schafskäse.“
Die Schulbauernhof-Lehrerin würde es sehr begrüßen, wenn die Schulklassen nicht nur einmal im Jahr vorbeischauen, sondern öfter vor Ort sind: „Dann lernen die Schüler den Einfluss der Jahreszeiten kennen, sehen den Tierbabys dabei zu, wie sie größer werden, und sind direkt in die Naturkreisläufe involviert. Das würde ich für besonders nachhaltig halten.“
Bezirksbildungsstadtrat Frank Mückisch sieht das ähnlich: „Ich bin ein großer Anhänger unserer außerschulischen Lernorte im Grünen, und eine schönere Lernumgebung als einen richtigen Bauernhof mit Schafen und Hühnern kann ich mir nicht vorstellen.“ (Text/Fotos: CS)
Info: Schulbauernhof c/o Freilandlabor Zehlendorf, Sachtlebenstraße 30-32, 14165 Berlin. Kontakt Frau Dr. Schlüter 030 – 818 36 12 oder 0174-690 72 78
Dieser Artikel stammt aus „ZEHLENDORF.aktuell“ Ausgabe 87 (6/2021).
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