Andreas Winkelmann lud zur Lesung in Teltow – vor 75 Autos!
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Eigentlich sollte der Bestsellerautor Andreas Winkelmann zu einer ganz normalen Krimilesung in der Stadtbibliothek Teltow vorbeischauen. Corona hat der Serienmörder-Lesung einen echten Strich durch die Rechnung gemacht. Aber Termine absagen kann ja jeder! Teltow hat den Event einfach umgewidmet – und zur ersten Auto(r)-Lesung im Freien gebeten.
Autor Andreas Winkelmann ist Baujahr 1968. Seit vielen Jahren schreibt er Krimis, die regelmäßig auf der SPIEGEL-Bestsellerliste landen.
Der Autor kann auf ein sehr abwechslungsreiches Leben zurückblicken. Er war Soldat und Ausbilder bei der Bundeswehr, Sportlehrer, Versicherungskaufmann, freier Redakteur und Taxifahrer. Seit 2011 widmet er sich nur noch dem Schreiben. Romane wie „Die Lieferung“, „Das Haus der Mädchen“ oder „Das Fundstück“, die zum Teil verkaufte Auflagen von einer halben Million erreichen, erlauben es Andreas Winkelmann, von seiner Schreibarbeit zu leben. Und zwischendurch bleibt trotzdem noch Zeit, um zu Fuß die Alpen zu überqueren oder mit Pfeil und Bogen durch die Wildnis Kanadas zu streifen.
Trotz all dieser Erlebnisse: Den 14. Mai wird der in Niedersachsen geborene Autor bestimmt auch nicht so schnell vergessen.
Teltows Bibliotheksleiterin Andrea Neumann: „Ursprünglich war eine Lesung bei uns in der Stadtbibliothek geplant. Das war wegen Corona leider nicht möglich. Wir haben deswegen umgeplant und aus der Autorenlesung eine Auto-Lesung gemacht.“
Kurzerhand wurde der öffentliche Parkplatz in der Teltower Badstraße zu einer Art literarischem Autokino umgemünzt. Bis zu 75 Autos durften sich vorab zur kostenfreien Lesung anmelden. Sie wurden kurz vor 19 Uhr auf den Parkplatz gelotst und konnten hier schon einmal eine vorgegebene Frequenz im Radio ansteuern, um so später die Stimme des Autoren zu empfangen.
Andreas Winkelmann: „Solch eine Lesung habe ich auch noch nie mitgemacht. Anscheinend bin ich der gefährlichste Autor Deutschlands. Ich bin so gefährlich, dass man meine Zuhörer in Autos einsperren muss.“
Konsequent wählte Andreas Winkelmann auch nicht sein neues Buch „Die Karte“ für die Lesung aus, das Mitte Juni erscheint.
Stattdessen griff er passend zum Ort der Lesung zum Thriller „Der Fahrer“. Im Roman ordern mehrere Personen einen Fahrdienst beim Hamburger Dienstleister MyDriver – kommen aber nie zu Hause an. Jens Kerner und Rebecca Oswald müssen einmal mehr ermitteln.
Viele Fans hatten sich perfekt auf den verbal-blutrünstigen Abend vorbereitet. Ihre parkende Autos verwandelten sich pünktlich zum Beginn der Lesung in einen rollenden Picknickkorb. Geschmierte Stullen, Gurkendips, Wiener Würstchen und andere Leckereien wurden ausgepackt und direkt vor der Windschutzscheibe auf dem Armaturenbrett verteilt.
Andreas Winkelmann: „Ich bin es gewohnt, bei Lesungen direkt mit meinem Publikum zu interagieren. Ich dachte, das wäre bei einer Auto-Lesung nicht ganz so einfach umzusetzen. Es gelang aber trotzdem sehr gut. Die Zuhörer haben an den richtigen Stellen begeistert gehupt.“
Uwe Lachmann aus Berlin-Zehlendorf gehörte zu den Zuhörern. Er zeigte sich begeistert: „Der Autor hat gute zwei Stunden gelesen. Das war sehr kurzweilig, weil er uns Zuhörer immer wieder mit eingebunden hat. Wir sollten ihm am Ende sogar Fragen stellen und diese mit der Lichthupe im Morsecode formulieren. Lustig war eine Radfahrerin, die über den Parkplatz fuhr und den Autor neugierig fragte, warum er denn ganz allein und laut aus einem Buch vorlese. Sie hatte gar nicht bemerkt, dass da Menschen in ihren Autos sitzen.“
Vanessa Arend-Martin vom Buchkontor Teltow hatte aus ihrem Kofferraum kurzerhand einen Verkaufsraum gemacht. Sie verkaufte die Romane von Andreas Winkelmann an alle Fans, die ihre Sammlung noch vervollständigen wollten.
Uwe Lachmann: „Am Ende der Lesung ging der Autor von Auto zu Auto und signierte seine Bücher auf diese Weise mit ausreichend Abstand. Auch das war für mich ein besonderes Highlight des Abends.“
Autor Andreas Winkelmann, der für seinen Vortrag eigentlich einen Lesetisch samt Whisky-Flasche und Sturmlampe nutzen konnte, die ganze Lesung aber viel lieber mit dem Buch in der Hand hin und her wanderte: „Als Autor schreibe ich etwa fünf Seiten am Tag, vorher höre ich nicht auf. So schaffe ich zwei Bücher im Jahr. Inzwischen erscheinen Romane auch unter den Pseudonymen Frank Kodiak und Hendrik Winter. In diesem Jahr ist ein drittes Buch entstanden. Es ist ein Sachbuch mit dem Titel ‚Wilder wird‘s nicht‘, das ich zusammen mit meinem Schauspielerfreund Markus Knüfken geschrieben habe. Zu Fuß waren wir an den letzten wilden Orten Europas unterwegs – am Polarkreis in Schwedisch-Lappland, in den Alpen im Val Grande und sogar im Harz. Darüber berichten wir.“
Bestsellerautor Winkelmann, der mit Stephen-King-Romanen großgeworden ist und in seiner Jugend gern Heftromane weggeschmökert hat, hätte seine Bücher schon längst auf dem Fernsehbildschirm bestaunen können: „Zwei meiner Bücher sollten für das Fernsehen verfilmt werden. Ich habe das aber bisher abgelehnt, weil mir das Konzept nicht gefallen hat. Dann warte ich lieber noch. Zurzeit läuft eine Anfrage von Netflix. Mal schauen, was daraus wird.“
Am Ende der Lesung hatte so mancher Zuhörer in seinem Auto eine Gänsehaut und fragte sich, ob der Griff zum Buch zwecks weiterführender Lektüre nicht vielleicht doch zu nervenaufreibend sei. Autor Andreas Winkelmann goss sogar noch Benzin ins Feuer: „Man weiß inzwischen, dass unter 100 Menschen an einem Ort ganz gewiss vier echte Psychopathen sind. Was sagt das über unser Publikum von heute abend aus?“
Teltows Bürgermeister Thomas Schmidt ließ es sich nicht nehmen, die Lesung selbst mitzuverfolgen. Er erteilte dem Autoren auch die Sondergenehmigung, mit seinem Wohnmobil auf dem Parkplatz zu übernachten. Am nächsten Morgen war der Autor dann auch schon wieder verschwunden. Auf zu neuen Taten. Und erfundenen Morden. (Text/Fotos: CS)
Dieser Artikel stammt aus „ZEHLENDORF.aktuell“ Ausgabe 87 (6/2021).
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