Spreestones aus Berlin: Bemalte Steine zaubern einem ein Lächeln ins Gesicht!
Sie tauchen plötzlich überall in Berlin und im Umland auf – bemalte Steine, die am Wegesrand liegen und nur darauf warten, dass ein aufmerksames Auge sie aufspürt. Verantwortlich für diese regionalen Steine sind vor allem die Mitglieder der 2.000 Leute starken Facebook-Gruppe „Spreestones“. Sehr aktiv sind hier auch die Zehlendorfer Kreativen mit dabei.
Mitten im Heinrich-Laehr-Park am Dahlemer Weg in Steglitz-Zehlendorf liegt auf einmal ein wachteleigroßer Marienkäfer auf einem umgestürzten Baumstamm. Wer diesen bunten Käfer entdeckt, freut sich. Denn es handelt sich bei dem Käfer um einen ovalen Stein, der in liebevoller Arbeit mit dem Käfermotiv bemalt wurde.
Wer irgendwo im Süden von Berlin einen solchen Steinkäfer findet, hält dabei voraussichtlich eine Arbeit von Claudia Müller (52) in den Händen. Sie ist seit „kurz vor Corona“ mit „dabei“ und hat allein in der Zeit seit Januar 2021 über 700 Steine bemalt und „freigelassen“.
Wie kommt man dazu, Steine zu bemalen und sie in der Natur auszulegen? Die Idee dazu gibt es bereits seit mehreren Jahren. Sie ist nicht durch Corona entstanden, wird aber durch die Pandemie ungemein befeuert. In vielen Orten in Deutschland gibt es bereits lokale Gruppen, die Steine bemalen und diese in ihrer Nachbarschaft verstecken. Die schöne Idee hinter diesem Tun ist es stets, dass sich ahnungslose Passanten über die Steine und ihre freundlichen Motive freuen. Auf der Rückseite des Steins ist meist der Name der dazugehörenden Facebook-Gruppe zu finden.
Claudia Müller lebt in Zehlendorf: „Wir hier in Berlin sind die ‚Spreestones‘. Diese Gruppe ist über 2.000 Mitglieder stark. Wer einen Stein findet, wird gebeten, ein Foto vom Stein zusammen mit dem Fundort in dieser Facebook-Gruppe zu posten. Anschließend kann man den Stein behalten. Schöner wäre es natürlich, wenn der Stein wieder ‚freigelassen‘ wird – an einem ganz neuen Ort. So wandert er durch ganz Berlin und auch durch das Umland. Die vielen Posts auf Facebook sind dabei der einzige Lohn für unsere Arbeit. Wir freuen uns wie verrückt über jedes Foto. Ich habe auf diese Weise bereits an die 70 Rückmeldungen erhalten.“
Die bunten Steine lassen sich inzwischen überall in Berlin finden, an der Krummen Lanke ebenso wie am Schlachtensee, im Gartencenter oder an der Bushaltestelle. Jutta Stengel (85): „Ich lege meine Steine gern auf dem Parkplatz hinter dem Standesamt in Zehlendorf-Mitte aus. Ich achte darauf, dass meine Steine in einer bestimmten Höhe liegen, sodass sie leicht aufzusammeln sind und kein Hund draufpinkeln kann. Für mich ist das Steinemalen eine totale Entspannung. Wenn ich das mache, komme ich total runter und vergesse alle meine Sorgen. Mein Mann hilft mir sogar und lackiert die Steine.“
Neuer Glückskäferbaum geplant
Claudia Müller hatte einen ganz konkreten Grund, um mit dem Steinemalen anzufangen: “Ich hatte ein Aneurysma im Kopf und zwei Schlaganfälle. Das musste operiert werden – und ich war komplett raus aus meinem normalen Leben. Das Malen hat mich wirklich wieder ins Leben zurückgeholt. Die Kommunikation in der Facebook-Gruppe, die Beschäftigung mit den Steinen, das schöne Feedback durch Leute, die meine Steine finden – das hilft alles sehr. Am schönsten sind als Grundlage fürs Malen natürlich glatte und ovale Steine, die man aus dem Urlaub mitgebracht hat – etwa Flusskiesel oder Steine von der Ostsee. In Corona-Zeiten kaufe ich die Steine aber inzwischen im 15-Kilo-Sack im Baumarkt. Oder ich verwende Steinmatten, die ich auseinandernehme.“
Bei den „Spreestone“-Aktiven gibt es schon recht klare Regeln darüber, wie ein Stein bemalt werden sollte. In der Regel werden die Steine grundiert, mit Acryl- oder Aquarellstiften bemalt und am Ende mit Klarlack versiegelt. Claudia Müller: „Schwarz und Weiß sind immer als erstes alle.“ Die Gruppenregeln besagen außerdem: Kein Glitzer, keine aufgeklebten Augen oder andere Dinge. Es soll nichts vom Stein abfallen können.
Claudia Müller: „Eigentlich kann ich gar nicht malen. Ich habe aber festgestellt, dass mir Käfer ganz besonders liegen. Also male ich Käfersteine. Am Anfang habe ich einen Glückskäferbaum auf einer umgestürzten Birke im Heinrich-Laehr-Park ausgerufen. Da habe ich an die 20 Käfersteine auf einmal ausgelegt und auf einem Zettel darum gebeten, dass sich jeder bitte nur einen Stein mitnimmt. Das hat nicht geklappt, der Baum wurde leergeräumt. Ich hab mehrfach nachgelegt, aber so schnell kann ich gar nicht malen, wie die Leute da die Steine weggenommen haben.“
Jutta Stengel malt am liebsten Gnome: „Meinen ersten Stein hat mein Mann behalten, der liegt jetzt auf seinem Nachttisch. Ich bin gar nicht so glücklich darüber, weil er mir gar nicht so gut gelungen ist. Toll fand ich die Begegnung mit einer älteren Dame, die hatte einen Stein von mir gefunden – mit einem Engel drauf. Sie fragte mich: Der ist so schön, darf ich den behalten? Sie hatte die Woche davor schon einen Stein von mir gesehen, sich aber nicht getraut, ihn mitzunehmen.“
Claudia Müller: „Ein bisschen Schwund ist immer. Nicht jeder hat Facebook, sodass nicht jeder Fund gepostet wird. Und manche Spaziergänger finden die Steine so schön, dass sie sie nicht wieder ‚freilassen‘ möchten. Ich selbst habe eine ganze Kiste mit solchen Steinen.“
Jutta Stengel: „So ein Stein ist nicht in fünf Minuten bemalt. Das kann schon mal einen Abend dauern.“ (Text/Fotos: CS)
Dieser Artikel stammt aus „ZEHLENDORF.aktuell“ Ausgabe 85 (4/2021).
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