Scheibes Glosse: Corona-Projekte
Der Corona-Lockdown macht etwas mit den Menschen, sie werden zunehmend depressiv und wunderlich. Zumal die Regierung auch nach einem kompletten Jahr der Pandemie nur eine einzige Stellschraube kennt: Die Menschen sollen doch bitte noch weniger Kontakte haben als in all den Wochen davor! Manche Leute hängen bereits alle Spiegel ab, um zu verhindern, dass ein fehlgeleiteter Blick dafür sorgt, dass sie das erlaubte Kontaktmaximum überschreiten.
Was kann man also mit der ganzen Solo-Freizeit anfangen, wenn man sich den kompletten Tag im Home-Office nur mit sich selbst beschäftigen darf? Die unfreiwilligen Einsiedler kommen da auf durchaus sehr extravagante Ideen. Manche bemalen in stundenlanger Arbeit und unter vollster Konzentration Steine, um diese dann im Park auszulegen – in der Hoffnung, dass jemand sie findet und auf Facebook postet. Andere nehmen an virtuellen Challenges teil und absolvieren so etwa nach und nach beim täglichen Spazierengehen den kompletten Jakobs-Pilgerweg bis nach Santiago de Compostela – Urkunde und Medaille inklusive. Andere suchen jeden Quadratmeter Wald ab, um wilden Bärlauch zu finden, der dann zu Pesto verarbeitet wird.
Ich habe mir ein ganz anderes Betätigungsfeld gesucht. Von 1953 bis 1992 erschienen in verschiedenen deutschen Verlagen (hauptsächlich aber im Zaubermond-Verlag) 589 Heftromane der humorvollen Krimiserie „Butler Parker“ (www.butler-parker.net).
Diese Romane habe ich schon immer sehr gern gelesen. Vor jedem Urlaub holte ich mir bislang immer ein paar von ihnen auf dem Flohmarkt, um sie auf der Strandliege wegzuschmökern. Inhaltlich geht es um den englischen Butler Josuah Parker, der zusammen mit seiner Herrschaft Lady Simpson Kriminalfälle vor allem rund um London löst. Während der Butler bei der Bekämpfung der Kriminellen auf sehr trickreiche Erfindungen baut, langt die Lady sehr gern einmal zu – mit ihrem Pompadour, in dem ein Brauereipferdhufeisen verstaut ist. Die meist von Günter Dönges geschriebenen Romane lassen sich wunderbar vor dem Schlafengehen goutieren. Der Kelter-Verlag bringt die ganzen Romane übrigens gerade allesamt als e-Book noch einmal neu auf den Markt.
Meine Corona-Challenge ist es aber: Ich versuche, mir alle 589 Heftromane im Original zusammenzukaufen. Das ist gar nicht so einfach, wenn man berücksichtigt, dass die Hefte zum Teil an die siebzig Jahre alt sind.
Die Lösung ist – eBay. Diese Seite habe ich – gefüttert mit dem Suchbegriff ‚Butler Parker‘ – seit Wochen dauerhaft geöffnet. Stündlich schaue ich, ob neue Auktionen eingestellt wurden. Schon oft habe ich das Glück gehabt, dass Dachbodenfunde oder Haushaltsauflösungen ihren Weg auf eBay gefunden haben. Mitunter konnte ich so 100 bis 200 Hefte auf einmal für kleines Geld ersteigern. Wie spannend ist es doch da, wenn wieder ein Paket mit neuen Ausgaben in der Redaktion eintrifft.
„Neues Altpapier ist da“, rufen dann die Mitarbeiter. Für mich ist das aber mehr als nur nach einer kettenrauchenden Großmutter müffelndes Papier. Endlich kann ich auch Band 113 „Parker neppt den schrägen Otto“ oder Band 246 „Parker färbt die Punker ein“ von meiner minutiös geführten Checkliste streichen. Ärgerlich: Der allerletzte Band 589 „Parker enttarnt die Maske“ fehlt mir leider noch immer.
Aber wie übel sind die alten Besitzer nur mit den armen Heften umgegangen? Mit Kuli bekritzelte Cover, starke Lesewülste, eingerissene Seiten: Es ist ein Jammer. Zum Glück kommen mit den neuen eBay-Paketen auch immer wieder Dubletten rein, sodass die besser erhaltenen Exemplare in die Sammlung wandern, während die zerfledderten Oldtimer-Doppelten auf meinem Nachtisch landen – zum Wegschmökern.
Meinen Kindern habe ich schon gesagt: Sie erben die allmählich der Vollständigkeit entgegenstrebende Sammlung später einmal. Völlig unverständlicherweise hält sich die Freude darüber noch in Grenzen. Aber das kommt sicherlich noch. (CS)
Dieser Artikel stammt aus „ZEHLENDORF.aktuell“ Ausgabe 85 (4/2021).
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