Berliner Stimme: Nero Brandenburg spricht Klartext – Vom RIAS bis Corona!
Nero Brandenburg war die Stimme vom RIAS Berlin. Er lebt in Zehlendorf und ist hier weiterhin sehr umtriebig im Unruhestand aktiv. Nero, gleich die persönlichste Frage vorweg: Wie alt bist du inzwischen? Und wo hast du die Berliner Schnauze gelernt?
Nero Brandenburg: „Ick jehe stramm uff die 80 zu. Ich bin ein echter, ja waschechter Berliner (Mutter aus Schlesien, Vater aus Pommern). Aufgewachsen in Kreuzberg am Halleschen Tor, da lernste, ob ´de willst oder nich´, dit von mir so jetaufte, orijinale ‚Kreuzberger Gossenplatt‘ – sowat kann man uff keener Schule lernen, dit bringt dit ‚Berliner sein‘ einfach mit sich.“
Du warst eins der prägendsten Gesichter vom Radio RIAS Berlin. Wie bist du zum RIAS gekommen?
Nero Brandenburg: „Ich war Programm Manager beim Berliner Jugendclub e.V., im Volksmund ‚Senatstanzschuppen‘ genannt. Meine Clubs, das waren der ‚Jazz Saloon Berlin‘ in der Ahornstraße 15a in Steglitz (wurde dann das ‚POP INN‘), die ‘dachluke‘ am Mehringdamm 32-34 (ist jetzt das ‚BKA-Kabarett‘ drin, und unten ‚Curry 36‘) das ‚swing point‘ am Hohenzollernring 160 in Spandau und das ‚Sloopy‘ am Kurt-Schumacher-Platz. Als Programm Manager musste ich auch die Pressearbeit machen. Hier wurden meine ersten Kontakte zum RIAS Jugendfunk ‚Treffpunkt‘ geknüpft. D.E.O. alias Detlef E. Otto fragte mich 1967, ob ich nicht Lust hätte, beim RIAS Sendungen zu machen. Ich hatte, weil ich ja ‚Onkel Tobias vom RIAS‘ geliebt habe. Der RIAS war Stammprogramm bei uns zu Hause.“
In deinem Leben hast du viele Stars und Sternchen kennengelernt. Auf Facebook gewinnt man den Eindruck, dass viele davon liebe Freunde geworden sind. Wer hat dich in deiner RIAS-Zeit besonders beeindruckt – und mit wem bist du so gar nicht grün geworden?
Nero Brandenburg: „Ein guter Freund war Udo Jürgens, der ja leider schon verstorben ist. Ich hatte ihm ein Kännchen Kamillentee gebrüht, mit ´nem Treffpunkt-Aufkleber versehen und ihm das dann geschenkt. Daran erinnerte er sich über die Jahrzehnte. Und dann auch noch: Mireille Mathieu. Die hatte ich als erster LIVE in der ‚dachluke‘ zur Premiere ihrer ersten Schallplattenveröffentlichung in Deutschland. Das war 1966 – und das Lied hieß „Mon Credo“. Und: Daliah Lavi. Bei ihr stockte mir der Atem. Eine Frau, eine Schönheit und ein Interview mit feuchten Händen. Im November 1985 musste ich sie dazu überreden, zur RIAS Parade in der Deutschlandhalle der Stargast zu sein. Das erste Telefonat, drei Minuten nach Florida. Und sie so: ‚Nero, isch komme gerne, zu gerne, you know…‘
Nicht GRÜN war mir Barry Ryan. Mit ‚Eloise‘ hatte er einen Riesenhit. Bei mir im Interview im Studio 3 setzte er sich mit dem Rücken zum Mikrofon und war maulig. Ich habe ihn einfach ignoriert. Sein Zwillingsbruder Paul stand mir dann Rede und Antwort. Paul war auch für meine Begriffe der bessere Musiker. Ein Star mit Starallüren: Barry Ryan… never ever.“
Was war damals im Showbiz noch anders als heute?
Nero Brandenburg: „Die Stars damals wollten ja Schallplatten verkaufen. Zu Promotionzwecken reisten sie mit ihren Rundfunkpromotern von Sender zu Sender. Die Promoter waren für mich das beste Bindeglied zu den Stars. Ich konnte auch außerhalb der offiziellen Tourneen um den Besuch eines Künstlers bitten, und sie kamen.“
Wie kam es zu deinem Song „Dingeling“ und kriegst du da heute noch Tantiemen, wenn er z.B. auf YouTube gespielt wird?
Nero Brandenburg: ‚Mein Dingeling, dein Dingeling…‘, das war die deutsche Version von Chuck Berrys ‚My Ding-A-Ling‘. Das war groß in den US-Charts 1972. Gregor Rottschalk, mein Kollege und Moderator im RIAS, kam zu mir und fragte: ‚Wollen wir das mal auf deutsch machen?‘ Ich sagte Ja. Dann fing der Bayerische Rundfunk an zu stänkern. Das Lied spielen sie nicht, das sei eindeutig ZWEIdeutig. Darauf machte Journalist Hansi Hoffmann eine Riesenstory für die ‚Gelben Blätter‘: ‚Warum bei Neros Dingeling den Spießern der Humor verging‘. Brüller! Die Platte wurde zeitweilig nur unter dem Ladentisch gehandelt, aber ging 150.000 mal darüber. Tantiemen allerdings bekommen nur der Komponist, der Texter, der Arrangeur, der Produzent, der Musikverlag, der…. Der SÄNGER bekommt lediglich eine Stückabrechnung vom Netto-Detail-Verkaufspreis. Bei Hundertfuffzigtausend verkauften Platten waren das bei mir rund 10.000 Deutsche Mark – einmalig, dann wurde es ruhiger.“
Du bist im Unruhestand und hast zuletzt noch tolle Abende für das Hans Rosenthal Haus in Zehlendorf organisiert. Woran arbeitest du zurzeit?
Nero Brandenburg: „Im Hans-Rosenthal-Haus war ich 1. Vorsitzender im ‚Förderverein‘ und mitverantwortlich für die Programmgestaltung. Aus gesundheitlichen Gründen musste ich das Ehrenamt 2019 abgeben. Jetzt sorge ich mit einem neuen PC für Ordnung in meinen Dateien, gestalte Sinnsprüche mit Bebilderung und bediene Facebook und Instagram mit Neuigkeiten und ‚Ollen Kamellen‘. Ich halte nicht still und reiße auch mal mein Maul auf, wenn mir irgendwo was ‚über die Hutschnur‘ geht – wie etwa Impfgegner, Corona-Leugner und andere Spinner…“
Viele Prominente stammen aus Zehlendorf. Für Günter Pfitzmann hast du gekämpft, damit eine Straße nach ihm benannt wird. Wer hätte noch eine Ehrung verdient?
Nero Brandenburg: „Ick schlage Harald Juhnke vor und Biggi Mira ooooch.“
Zehlendorf, das ist ja auch irgendwie eine Liebe für dich. Was macht für dich der Bezirk aus? Würdest du noch einmal umziehen?
Nero Brandenburg: „Zehlendorf ist mein ‚Grüner Bezirk‘ (politisch natürlich nicht, überhaupt nicht). Hier fühle ich mich wohl, hier habe ich die gute Luft zum Atmen (die ich bei meinem COPD ja auch brauche). Ich blicke aus einer Mietwohnung im 6. Stockwerk über Berlin und über Teile von Brandenburg – vom Balkon, aus dem Schlafzimmer oder vom Büro aus. Wenn mich der Grunewaldturm oder die Teufelsbergstation anlachen, bin ich sofort fröhlich. Umziehen, aber na klar – irgendwann auf die ‚Grüne Wiese‘ und dann ‚mit den Füßen zuerst‘. Mensch, ey, so eene olle Berliner Fichte soll man doch nich´ mehr verpflanzen.“
Nero, du bist ja auch kein Teenager mehr und auch gesundheitlich vorbelastet. Wie bist du durch die Corona-Zeit gekommen?
Nero Brandenburg: „Ich habe mich schweren Herzens an die Regeln gehalten. Zu Hause bleiben, gut lüften. Wir alle sind doch in diesem Land eine Gemeinschaft. Ich will in erster Linie meine Mitmenschen schützen und in zweiter mich vor den Mitmenschen.“
Was vermisst du zurzeit am meisten, was wegen Corona nicht möglich ist?
Nero Brandenburg: „Ein ‚Frischbier‘ – ein halber Liter vom Fass (mit diversen Zugaben, bitte). Dann einen fröhlichen Abend mit lieben Menschen und üppigem Essen und tollen Gesprächen – und zwar in einem Restaurant.“
Gehst du zum Impfen, sobald du an der Reihe bist?
Nero Brandenburg: „Aber JA doch – wir sind doch „Impfkinder“. Nach dem Krieg wurden wir ohne Murren, Meckern und Bürgerinitiativen zum Impfen gerufen. Der Impfarzt kam in die Schule, hat uns geimpft und fertig. Pocken, Diphterie, TCB, Kinderlähmung und und und…. Es war eine Selbstverständlichkeit. Darauf haben schon unsere Eltern geachtet. Manche Eltern von heute veranstalten ja eher ‚Masern-Parties‘, anstatt die Kackbratzen impfen zu lassen. Ich meine, im Corona-Fall ist IMPFEN BÜRGERPFLICHT!“
Du hast öffentlich für eine Pfitze-Straße, die ja dann ein PLATZ geworden ist, für den Erhalt der Bockwurst als Kulturerbe und für den Berliner Dialekt gekämpft. Was ist als nächstes dran?
Nero: „Ich gebe gern zu: Ich bin ruhiger geworden. Aber wenn mich ‚etwas anfliegt‘, dann bin ich Don Quijote und kämpfe auch gegen Windmühlen und anderes Kroppzeuch.“ (Fotos: CS)
Dieser Artikel stammt aus „ZEHLENDORF.aktuell“ Ausgabe 82 (1/2021).
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