Ladenstraße am U-Bahnhof “Onkel Toms Hütte”: Wie geht es nach dem Brand nun weiter?
Am 15. November kam es in den späten Abendstunden zu einer verheerenden Gasexplosion in der Ladenstraße direkt am Zehlendorfer U-Bahnhof „Onkel Toms Hütte“. Die Küche im vietnamesischen Restaurant auf der Nordseite der Ladenstraße stand plötzlich in Flammen. Schnell griff das Feuer auf das Dach der Ladenstraße über, auch die Nachbargeschäfte brannten aus.
Die Feuerwehr war mit einem Großaufgebot vor Ort und versuchte bis in die frühen Morgenstunden zu retten, was zu retten ist. Am Ende war aber klar: Vom Friseur-Geschäft „Raguse“ bis hinauf zur Boutique „Jeans Corner“ sind acht Ladengeschäfte betroffen.
Verena Charnow vom Fachgeschäft „Elektro Schäffler“, die 2021 das 80. Firmenjubiläum direkt an der U-Bahnlinie 3 feiern wollte, ist besonders stark betroffen: „Da, wo vor dem Brand noch die Kasse stand, war nach dem Brand nichts mehr zu finden. Nicht einmal das Kleingeld war noch da.“
Die halbe Nord-Seite der 1931 gebauten Ladenstraße (damals Berlins „erste Shopping-Mall mit U-Bahn-Anschluss“) ist inzwischen abgesperrt, eine Bretterwand mit abgeschlossener Tür verhindert den Durchgang. Auch vom U-Bahnhof selbst kann man den Schaden nicht in Augenschein nehmen: Planen am Zaun verhindern, dass U-Bahn-Kunden einen schnellen Blick werfen können. Von außen sieht man allerdings den beträchtlichen Schaden, den die Ladenstraße an dieser Stelle genommen hat: Das Dach ist kaum noch vorhanden.
Ein schneller Wiederaufbau scheint kaum möglich. Verena Charnow: „Die Ladenstraße steht ja unter Denkmalschutz. Da kann man nicht einfach alles abreißen und wieder neu aufbauen. Das muss genauso wieder hergestellt werden, wie das früher einmal war. Ich denke, das wird bestimmt anderthalb Jahre lang dauern.“
Seit 2013 kümmert sich die Projektmanagerin Heide Wohlers um die Entwicklung der Ladenstraße (www.onkeltomsladenstrasse.de). U.a. mit EU-Fördermitteln hat sie sich erst um einen Wochenmarkt (seit 2015 immer am Donnerstag vor dem Onkel-Tom-Eingang) und dann mit großem Einsatz um neue Ladenbetreiber mit „Strahlkraft“ bemüht. Leider ist auch die neue Macaron-Manufaktur von „Loti Panton“ vom Brand betroffen.
Heide Wohlers: „Die Solidarität, die uns nach dem Brand von den Zehlendorfern gezeigt wurde, ist überwältigend. Kunden, Anwohner und auch die Presse zeigten eine große Anteilnahme, es gab eine gigantische Klickrate in den sozialen Netzwerken. Bürgermeisterin Cerstin Richter-Kotowski hat sich richtig Gedanken gemacht. Sie kam uns besuchen und hatte gleich einen Strauß Ideen und Lösungen mit im Gepäck. Und die Ernst-Moritz-Arndt-Gemeinde an der Onkel-Tom-Straße hat für die Brandopfer ein eigenes Spendenkonto eröffnet. Es ist viel passiert.“
Schwer ist die Brandsituation auch für die neue aus Zehlendorf stammende Eigentümerfamilie, die die Ladenstraße gerade erst Anfang des Jahres übernommen hat – und nach Corona nun auch noch eine Brandsanierung stemmen muss.
Vor Ort denkt aber niemand ans Aufgeben. Heide Wohlers: „Die Ladenstraße lebt, es geht weiter. Wir werden im nächsten Jahr 90 Jahre alt und das wollen wir feiern. Wir haben bislang jede Krise überstanden, da schaffen wir den Brand auch noch. Während der Corona-Krise waren wir bislang sehr gut aufgestellt. In der Krise entdecken die Menschen ihre Nachbarschaft – und kaufen in der Ladenstraße viel lieber ein als in einem anonymen Shopping-Tempel. Es ziehen auch immer mehr junge Leute in unseren Kiez. Sie bewegen sich ganz anders, haben oft gar kein Auto mehr und kaufen gezielt regional ein.“
Die Frage ist nun, wie es eigentlich mit den betroffenen Ladengeschäften weitergeht. Auch hier kann Heide Wohlers den aktuellen Stand verkünden. Sie sagt: „Unser ‚Coiffeur Raguse‘ hat das Recht bekommen, in der Vorweihnachtszeit seine Filiale am S-Bahnhof Nikolassee auch am Sonntag zu öffnen, um die Kunden aus der Onkel-Tom-Siedlung mit bedienen zu können. ‚Raguse‘ und der ‚Bruno-Taut-Laden‘ könnten aber vielleicht auch wieder ihre Läden öffnen, falls der Statiker grünes Licht gibt. Der Bruno-Taut-Laden hat einstweilen auf dem Wochenmarkt einen eigenen Stand – und tritt hier mit den Menschen in Kontakt. Für ‚Raguse‘ besteht auch die Möglichkeit, in das leerstehende Friseur-Geschäft an der Stirnseite der Ladenstraße gleich hinter ‚Demski‘ zu ziehen. ‚Loti Panton‘ hat eine neue Macaron-Übergangsbackstube in Mitte gefunden und verkauft seine Macarons nun vor allem über den Online-Shop. Bestellungen aus dem Kiez können aber immer am Samstag im ‚Kleinen Teeladen‘ bei Margit Klutke in der Ladenstraße Süd abgeholt werden. Die Boutique ‚Jeans Corner‘ hat noch ein zweites Geschäft in der Curtiusstraße in Lichterfelde, das geöffnet hat. Für Mode gibt es leider keine Container-Lösung. Da würde die Versicherung nicht mitspielen.“
Eine solche Container-Lösung könnte aber für „Elektro Schäffler“ die perfekte Lösung sein, um Bestellungen aufzunehmen und den Verkauf anzukurbeln. Ein solcher Container könnte dort aufgestellt werden, wo für die zweite Jahreshälfte 2021 bereits ein Toilettenhäuschen in einer der Parkbuchten vor der Ladenstraße auf der Onkel-Tom-Seite geplant ist. Heide Wohlers: „Die Bürgermeisterin kann sich vorstellen, öffentliches Straßenland als Stellplatz zur Verfügung zu stellen. Bernd Charnow kann immerhin schon wieder Aufträge als Installateur wahrnehmen. Im Frühjahr möchte ‚Toms Kaffeerösterei‘ von der Süd-Seite auf die Nord-Seite umziehen, um sich zu vergrößern – in das ehemalige Fahrradgeschäft. Wir sind sehr froh darüber, weil wir dann auch auf der Nord-Seite wieder einen echten Publikumsmagneten haben. Aber vor März wird das nicht passieren, da bei Tom im neuen Geschäft noch umfangreiche Baumaßnahmen anstehen.“
Die „Barferquelle“, die ebenfalls zu den acht Betroffenen des Brandes zählt, stellt nun immer am Dienstag und am Freitag von 16 bis 18 Uhr einen Transporter vor den Ladenstraßen-Eingang Süd an der Riemeisterstraße – dort, wo sonst immer das Häuschen von Karls Erdbeerhof steht. Hier holen sich dann die Tierbesitzer das frische Futter, was sie zuvor bestellt haben, aus dem Kofferraum ab.
Ganz schwer getroffen hat es „Onkel Tom‘s Burger“. Heide Wohlers: „Der Laden ist komplett ausgebrannt. Alles, was sich der Betreiber in den letzten zwei Jahren aufgebaut hat, ist vernichtet. Er muss nun eine neue Ladenfläche finden – nur wo? Eine Container-Lösung macht hier aus verschiedenen Gründen keinen Sinn.“
Über die eigentliche Ursache des Brandes ist noch immer nichts bekannt. Klar ist nur, dass es die Gasleitung betrifft. Der 32-jährige Besitzer des vietnamesischen Gastro-Betriebes „Mai 88“, in dem der Brand seinen Ursprung genommen hat, war zum Zeitpunkt der Explosion selbst vor Ort gewesen: Er liegt zurzeit noch schwer verletzt im künstlichen Koma, kann also nicht befragt werden. (Text: CS / Fotos: CS + JS)
Dieser Artikel stammt aus „ZEHLENDORF.aktuell“ Ausgabe 81 (12/2020).
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