Buchstabensalat in Lichterfelde-West: Neukombiniert – Für jeden Anlass den richtigen Buchstaben!
Im Ladengeschäft von Tibor Hegewisch gibt es kaum einen freien Meter Platz. Wer den „Neukombiniert Buchstabenladen“ betritt, muss aufpassen, dass die aufgetürmte Buchstabenware nicht bei einem unbedachten Schritt ins Wanken gerät. Dann könnten riesige Ns, bunte As oder geschwungene Ms umfallen und eine Dominostein-Kettenreaktion auslösen. (ANZEIGE)
Der Buchstabenladen sieht aus wie die Requisite der „Sesamstraße“, ist aber tatsächlich das finale Lager kleiner und großer Buchstaben, die noch vor kurzem an der Außenfassade inzwischen aufgegebener Läden hingen.
Tibor Hegewisch (44), der in Kreuzberg aufgewachsen ist und eigentlich einmal als gelernter Journalist gearbeitet hat: „Viele inhabergeführte Einzelhändler geben ihre Geschäfte auf, da darf ich die alten Buchstaben von der Wand abschrauben. So komme ich zu meinem Fundus mit zahllosen Buchstaben. Sie passen gar nicht alle in meinen kleinen Laden, ich habe deswegen noch ein großes Lager angemietet und komme so auf etwa 50 Kubikmeter Stauraum mit vielleicht 1.500 Buchstaben. So können wir – mit etwas Zeit zum Heraussuchen passender Buchstaben – so ziemlich jeden Wunsch erfüllen.“
Und tatsächlich strömen die Kunden inzwischen zuhauf in das Buchstaben-Geschäft in Lichterfelde-West in der Nähe vom gleichnamigen S-Bahnhof. Tibor Hegewisch, der das Geschäft zusammen mit Sebastian Filla führt: „Wir kombinieren alte Buchstaben zu neuen Schriftzügen – und das sowohl für private als auch für gewerbliche Anlässe. Ich nenne das übrigens ‚Industrial Vintage‘. Das macht Spaß und sieht sehr cool aus. Firmen bauen sich aus den alten Buchstaben etwa einen neuen Slogan für die Bürowand zusammen. Hochzeitspaare suchen nach ihren Initialen – als Deko für die Hochzeitstafel. Eltern kaufen Buchstaben, um den Namen des Kindes in großen Lettern nachzubauen. Es gibt so viele Möglichkeiten. Ich hatte eine Firma, die haben 40 Mal den gleichen Buchstaben – natürlich den Anfangsbuchstaben des Unternehmens – in verschiedenen Größen, Farben und Schriftarten gekauft, LED-Bänder einbauen lassen und sie dann kreuz und quer in ihrem Treppenhaus aufgehängt. Das ist natürlich ein Hingucker sondergleichen. Es zeigt zugleich auch, wie ungeheuer kreativ man mit den Buchstaben arbeiten kann.“
Da bleibt es nicht aus, dass Kunden das Geschäft betreten und einen ungewohnten Wunsch äußern: „Ich suche ein L.“
Dabei zeigt sich auch gleich eine besondere Limitation. Tibor Hegewisch: „Das L ist ein Problembuchstabe. Kommt das L als Kleinbuchstabe in einem Schriftzug vor, so erscheint er nur als simpler Strich. Großgeschriebene Ls sind nicht so häufig. Sehr selten sind auch Zahlen – sie kommen als Wandschriftzug nur selten zum Einsatz. Eigentlich habe ich nur die Zahlen 2 und 4 – vom Schriftzug ‚24-Stunden-offen‘.“
Seit zwölf Jahren sammelt Tibor Hegewisch die Buchstaben, die er mal in die Hosentasche stecken kann und die manchmal halb so groß sind wie er selbst: „Kunststoff-Buchstaben können wir mit LED-Bändern zum Leuchten bringen, Metall-Buchstaben sind nur zu dekorativen Zwecken da. Neonbuchstaben haben wir eigentlich gar nicht. Wir bieten die Buchstaben zunächst im Berge-Zustand an, also so, wie wir sie von der Wand geschraubt haben – mit Spinnweben und Staub. Nach einer professionellen Reinigung kosten sie dann etwas mehr. Ein armlanger Buchstabe kann da schon einmal 79 Euro kosten. Dafür sind die Buchstaben aber auch Reliquen einer schwindenden Zeit. Sie werden heute kaum noch hergestellt, es ist einfach zu teuer. Heute setzt man eher auf bedruckte Leuchtkästen. Ich denke, in spätestens zehn Jahren ist die Zeit der Fassadenbuchstaben endgültig vorbei.“
Den Buchstabenladen gibt es in Lichterfelde-West erst seit Januar 2020, vorher war an gleicher Stelle viele Jahre lang ein Schokoladengeschäft zu finden. Tibor Hegewisch: „2010 haben wir mit den Buchstaben angefangen. Unseren Laden gab es vorher bereits in Kreuzberg und Schöneberg. Da sind aber viele Touristen unterwegs, die gern schauen, aber einen Buchstaben gar nicht mitnehmen können. Ich bin überrascht, wie gut der neue Standort in Lichterfelde-West angenommen wird. Die Kunden geben sich hier die Klinke in die Hand. Oft haben sie bereits eine konkrete Idee, was sie mit den Buchstaben anfangen möchten. Vor Ort kommt uns auch sehr zugute, dass es in der Nachbarschaft kaum Geschenkartikel zu kaufen gibt.“
Was gefällt dem Buchstabenfan besonders gut: „Wenn echte Typografie-Fans kommen, die auf jede Serife achten und jeden Font beim Namen nennen können.“ (Text/Fotos: CS)
Info: Neukombiniert Buchstabenladen, Baseler Straße 7, 12205 Berlin, Tel.: 0176-63034605, www.kartique.de
Dieser Artikel stammt aus „ZEHLENDORF.aktuell“ Ausgabe 80 (11/2020).
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