Scheibes Glosse: Ich Sparfuchs!
Die ganze Familie bettelt: „Können wir nicht endlich mal wieder abends etwas mit Reis essen? Jeden Abend Kartoffeln, das hängt uns zum Hals raus.“ Die armen Seelen, sie verstehen das Konzept einfach nicht. Der 50-Kilo-Kartoffelsack, den ich als Schnäppchen beim Einkaufen erstanden habe, muss erst noch aufgegessen werden. Gut, die letzten Knollen sind schon arg schrumpelig und keimen zentimeterweit aus. Aber das kann man doch auch wegschneiden.
Und überhaupt: Das Reis-Vorratsregal in der Küche ist leer. Ich kaufe Reis nur dann – und zwar ohne Ausnahme – ein, wenn im Supermarkt meines Vertrauens die Preise fallen. Und zwar ordentlich. Ich möchte beim Reis schließlich keinen Preis bezahlen, als hätte man jedes Korn einzeln von Hand abgezählt und mit einem leise gemurmelten Segnungsspruch in den Beutel gelegt.
Ich kann warten. Irgendwann fallen die Preise. Ich kann es spüren, wie sich bei jedem Wocheneinkauf ein wenig mehr die Spannung aufbaut. Es knistert nahezu. In diesem Fall weiß ich: Bald ist es so weit und das rote Rabattschild ragt weit in den Gang hinein. Dann kostet die Packung mit vier Kochbeuteln nur noch einen Euro und ein paar Zerquetschte – und nicht mehr das Doppelte. Und endlich ist es so weit. Die Tage und Wochen ohne weiße Körner auf dem Teller neigen sich ihrem Ende zu: Es gibt Reis, Baby. Ich packe an Packungen ein, was in den Einkaufswagen passt.
Zuhause fehlt mir eine richtige Speisekammer. Aber ich stapele den Reis im Rahmen meiner preisbewussten Vorratshaltung, wo ich das nur kann. In den Regalen, unter der Spüle, im Pastafach, ich würd auch den Tiefkühler nehmen. Zum Glück sind die Reispackungen quadratisch, so lassen sie sich besser stapeln.
Die Familie freut sich. Die Armen wissen noch nicht, dass sie in den kommenden Wochen in Reis regelrecht baden werden. Die Kartoffeln sind jetzt nämlich aus und ich habe so das Gefühl, dass das nächste Pasta-Angebot noch eine ganze Weile auf sich warten lassen wird.
Keine Frage: Beim Einkaufen achte ich sehr genau auf die Preise. Irgendwo im Supermarkt gibt es immer eine Aktion, wartet irgendein neuer Rabatt darauf, entdeckt zu werden. Die roten Aktionsschilder ziehen mich an wie nächtliche Lampen die Motten.
Butter kostet nur 1,19 statt 1,69 Euro? Ich bin dabei. Sechs Packungen passen in den Kühlschrank. Milchreis mit Zimt wird für 39 Cent pro Becher rausgehauen? Ich bin dabei. Wer drei Gläser Pesto kauft, zahlt nur die Hälfte pro Glas? Ich bin dabei. Die 3-Pfeffer-Soße in der Tüte wird für 49 Cent anstatt für 89 Cent fast verschenkt? Schade, dass es die Familie gar nicht so scharf mag, aber da muss sie jetzt in den kommenden Wochen durch. Ich hole mir sämtliche Tüten, die ich mit beiden Händen greifen kann.
Auf meinem Gang durch den Supermarkt erwische ich noch tiefgekühlte Pizza-Baguettes für 99 Cents, die kosten sonst auch das Doppelte. Cola ist im Angebot, auch dabei wird gespart. Und Ravioli gibts ebenfalls günstiger, da jubelt das Portemonnaie.
Meine digitale Uhr zeigt einen Herzschlag von 120 bpm an: Schnäppchenkäufe können ganz schön aufregend sein. Aber wenn es doch so viel Geld spart! An der Kasse anstehend, rechne ich bereits im Kopf die ersparten Euro hoch und überlege, was ich mir davon wohl alles kaufen könnte. Einen Pool im Garten? Ein neues Auto? Ein Flugticket nach Hawaii?
Als es an der Kasse ums Bezahlen geht, bin ich erstaunt, dass ich überhaupt noch ein paar Euro berappen muss. Eigentlich hätte ich damit gerechnet, dass ich die ersparte Differenz gleich ausbezahlt bekomme. Stattdessen ernte ich einen undefinierbaren Blick von der Kassiererin.
Ja, was denn? Kaufen die anderen Kunden nicht 15 Packungen Reis ein, wenn‘s im Angebot ist? Ganz leise höre ich die Frau murmeln: „Können sie ja nicht, wenn Sie alles wegkaufen.“
Zuhause werde ich leider nicht wie ein Held empfangen: „Wo sind Obst und Gemüse? Was essen wir heute abend? Hast du Brot mitgebracht?“ Meine Antwort „Das war alles nicht im Angebot“ kommt überraschenderweise nicht so gut an. Reispakete werden nach mir geworfen. Friede im Haus gibt es erst, als ich meiner Frau erkläre, dass ich die Ersparnis genutzt habe, um ihr ein paar besonders schöne Blümchen zu kaufen. Ich Fuchs, ich. (Carsten Scheibe / Foto: Tanja Marotzke)
Dieser Artikel stammt aus „ZEHLENDORF.aktuell“ Ausgabe 77 (8/2020).
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