Der Entenflüsterer: Seit vielen Jahren besucht Kay Fischer seine Enten im Stadtpark Steglitz!
Kay Fischer (50) ist in Steglitz aufgewachsen. Seit dem Jahr 2003 sucht er an jedem Tag in der Woche nach der Arbeit den Stadtpark Steglitz auf – natürlich auch am Wochenende. Dann verwandelt sich der Buchhalter in den „Entenflüsterer“. Im Park besucht Kay Fischer „seine“ Enten, die rund um das kleine Gewässer auf ihn warten. In den vergangenen 17 Jahren hatte der „Entenflüsterer“ viele magische Momente mit seinen Enten.
Sie haben von ihm Namen wie Stürmi, Ente Maus oder Humpli erhalten – und zu jeder kann er eine ganz besondere Geschichte erzählen.
Kay Fischer: „Wenn man so ganz ohne eigene Haustiere aufwächst, dann schaut man eben im Stadtpark nach Tieren. Das Interesse für Vögel liegt ganz bestimmt in meiner Familie. Schon mein Vater hat sich mit der Ornithologie beschäftigt, sein Fachgebiet waren allerdings die Meeresvögel. Ich fand es immer sehr lustig, wie Enten beim Laufen hin und her wackeln, das ist genau mein Humor. Ich wollte schon immer mehr über diese Tiere erfahren. Und eines Tages, da hatte ich so einen besonderen Moment. Da wurde eine Ente von den anderen Enten gemobbt und regelrecht drangsaliert. Die Ente kam auf mich zu und suchte meinen Schutz. Am Ende nahm ich sie sogar direkt auf die Hand – und sie ließ sich von mir tragen. So ein Vertrauen hatte ich von einer Ente noch nie zuvor erlebt. Das war übrigens die Ente Stürmi.“
Enten werden in Gefangenschaft bis zu zwanzig Jahre alt, in der freien Natur etwa zehn Jahre.
Kay Fischer: „Mit meiner ersten Ente habe ich etwa acht Jahre lang Kontakt gehabt. Damals war ich jeden Tag bis zu drei Stunden am Stück im Park, das schaffe ich heute gar nicht mehr. Es sind übrigens vornehmlich die Weibchen, zu denen ich eine Beziehung aufbauen kann. Sie ziehen ihre Küken ganz alleine auf und verteidigen sie gegen alle Gefahren. Sie sind deutlich mutiger als die Erpel, die eher zurückhaltend sind. Übrigens bleiben Enten nicht ihr ganzes Leben lang zusammen – sie führen eine reine Saisonehe. Sobald die Küken schlüpfen, ist der Erpel normalerweise verschwunden.“
Viel hat der „Entenflüsterer“ in den letzten Jahren erlebt. Ente Maus hatte erst neun, dann auf einmal 15 Küken – sie hatte kurzerhand sechs fremde Küken adoptiert. Ente Adele stellte sich immer auf seinen Schuh. Und dann war da noch die Ente Niedlichguck, die dem „Entenflüsterer“ sogar zwei Mal ihre Küken anvertraute, um derweil an anderer Stelle im Park wichtigen Entengeschäften nachzugehen: „Da habe ich mir dann schon im Kopf vorgestellt, wie ich die Küken gegenüber Krähen und Hunden verteidige.“
Gern bringt Kay Fischer seinen Enten auch die eine oder andere Leckerei mit: „Früher hatte ich in Unkenntnis der Lage immer Vollkornbrot dabei, heute setze ich auf eine Handvoll Haferflocken, das kommt der Ernährung der Enten mehr entgegen. Man kann hier durchaus sehr viel falsch machen. Die Enten verhungern nicht, sie finden im Stadtpark alles vor, was sie zum Leben brauchen. Sie fressen Blätter, Ulmensamen und Löwenzahn. Man kann sogar beobachten, wie sie im Herbst die Eicheln fressen. Und wenn es geregnet hat, laufen sie durch den Park und suchen nach Würmern und Schnecken. Leider muss ich oft sehen, dass die Parkbesucher die Enten mit allem füttern, was sie gerade zur Hand haben – Brot, Kekse, Pizza, Salzstangen und sogar Kartoffelsalat mit Majo. Die Enten fressen leider alles, was ihnen so vor den Schnabel kommt. Vieles davon ist aber schädlich für sie. Das Fastfood, das uns Menschen nicht gut tut, ist auch für die Enten gesundheitsschädlich. Ganz schlecht ist es, wenn das Futter ins Wasser geworfen wird. Hier sinkt es auf den Boden, fängt an zu faulen und verschlechtert so auf Dauer die Wasserqualität. An Land dürfen Brotreste aber auch nicht liegen bleiben – das zieht die Ratten an.“
Empfindet der „Entenflüsterer“ so etwas wie Verantwortung für „seinen“ Park? Kay Fischer: „Natürlich ist das so. Ich leiste schon Aufklärungsarbeit, wo ich es denn kann. Denn jeder denkt, er füttert ja nur ein bisschen, das fällt nicht weiter ins Gewicht. Aber es summiert sich. Dass heute weniger Brot im Park gefüttert wird, das sehe ich schon als meinen Verdienst an. Aber ich habe mich auch selbst schon in böse Situationen gebracht. Ein Paar wollte schon einmal den Kampfhund von der Leine lassen. Ich bin sehr froh, dass es heute die Parkläufer gibt, die regelmäßig vor Ort sind und aufpassen. Das hilft sehr. Ich dränge mich den Leuten nicht auf, aber ab und zu kommt man eben ins Gespräch.“
Auch wenn Kay Fischer nicht mehr so viel Zeit für die Enten hat wie früher, so ist er trotzdem jeden Tag im Park: „Das ist wie ein Zwang. Ich muss einfach jeden Tag nachschauen, ob alles in Ordnung ist. Dieses Bedürfnis wird natürlich stärker, wenn es gerade eine besondere Ente gibt – wie etwa Maus oder Humpli. Da baut man schon eine wirkliche Bindung auf.“
Zurzeit ist die Kükenaufzucht ein Riesenthema im Stadtpark Steglitz. Kay Fischer sieht es mit Besorgnis: „Die Enten aus dem Stadtpark Steglitz brüten zunehmend seltener direkt im Park. Stattdessen legen sie auf den Balkonen der Häuser oder in den Höfen ihre Eier. Schuld an diesem Verhalten ist, dass sich der Park spürbar gewandelt hat in den vergangenen Jahren. Früher kannte kaum jemand den Park, es war nur wenig los vor Ort. Inzwischen gibt es viele Spaziergänger und Jogger. Der Park hat sich regelrecht in eine Event-Fläche verwandelt. Das sorgt für viel Lärm und Unruhe. Da sagen sich die Enten anscheinend: Wenn ihr zu uns kommt, dann kommen wir eben zum Brüten zu euch. Der Park hat eine andere Atmosphäre bekommen. Ich bedaure das sehr.“
Wenn die Enten in einem Hof brüten, kann das zu einem Problem werden, wenn der Hof nur über eine Treppe zu verlassen ist. Auch das Brüten auf einem Balkon kann dazu führen, dass ein menschlicher Eingriff nötig wird. Kay Fischer: „Die Küken können von einem Balkon springen, wenn dieser nicht höher ist als der dritte Stock. Wir haben aber schon Küken im 17. Stock gehabt. Da bekomme ich Anrufe, ich sei doch der Entenflüsterer, ich soll helfen kommen. So ein Einsatz hat aber nichts mit der Entenflüsterei zu tun. Das Entenweibchen muss eingefangen werden, das kann in einem Hof mitunter Stunden dauern. Das ist sicherlich kein besonders einfacher Akt. Was viele nicht wissen: Die Küken müssen binnen 24 Stunden nach dem Schlüpfen ins Wasser, sonst können sie sterben. Rettungsanfragen dieser Art gebe ich aber inzwischen weiter an Tierfreunde, die sich um die Küken kümmern.“
Der „Entenflüsterer“ (www.kayfischer.de) versteht sich auch als Buchautor. In den letzten Jahren sind Romane und Novellen wie “Das Wellhornboot”, “Zeit im Sand”, “Strand von Bugdu”, “Zootopolis” und “Joe Forrest” erschienen.
Nun kommt ein neues Buch hinzu: „Ente kompetente“. Es ist ein Buch über den Entenflüsterer selbst geworden und eine kurzweilige und sehr emotionale Erinnerung an die Enten, die Kay Fischer in den letzten 17 Jahren begleitet haben: „All die Geschichten über meine Enten mussten jetzt einmal erzählt werden.“ (Text/Fotos: CS)
Von einem, der die Enten versteht
Kay Fischer stellt sein Buch vor: „Ente kompetente“
Das Buch „Ente kompetente“ von Kay Fischer ist im Mariposa-Verlag erschienen. Der Verlag von Ursula Strüwer ist in der Drakestraße beheimatet und hat sich auf Hundegeschichten, Rasseporträts, Tiererzählungen und Erinnerungen spezialisiert. „Ente kompetente“ bündelt die Erinnerungen des Entenflüsterers: „Einige Enten begleitete er ihr Leben lang. Zweimal vertraute ihm eine Entenmutter sogar ihre Küken an. Die Enten Maus, Stürmi, Niedlichguck, Adalbert, Humpli und Radieschen – sie alle haben ihre besondere Geschichte. Aber wie genau leben sie? Welche Anekdoten gibt es und was sind ihre Geheimnisse? Kay Fischer gibt Einblicke in eine unbekannte Welt.“
Das Buch hat 154 Seiten und enthält 31 Fotos. Das Buch kostet 14 Euro, eine Leseprobe ist auf der Homepage des Verlages (www.mariposa-verlag.de) zu finden.
Dieser Artikel stammt aus „ZEHLENDORF.aktuell“ Ausgabe 74 (5/2020).
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