Der Kretaner: Elena Psallidaki spricht über die bedrohliche Lage der Gastronomen in Corona-Zeiten!
Auch das gehobene griechische Restaurant „Der Kretaner“ am U-Bahnhof „Onkel-Toms-Hütte“ leidet unter der Corona-Krise. Wir sprachen mit Elena Psallidaki über die bedrohliche Situation für Gastronomen. Ihr Restaurant “Der Kretaner“ ist zurzeit geschlossen. Sie haben jetzt einen Abholdienst und sogar einen Lieferservice ins Leben gerufen. Funktioniert das? Reicht es, um über die Runden zu kommen? Haben Sie schon Personal auf Kurzarbeit stellen müssen? (ANZEIGE)
Elena Psallidaki: „Unser Restaurant ‚Der Kretaner‘ musste am 22.3.2020 schließen, da wir durch die staatlichen Auflagen dazu gezwungen wurden.
Wir haben seitdem einen Lieferdienst und einen Abhol-Service eingerichtet, um es gerade den älteren Gästen zu ermöglichen, weiterhin bei uns zu bestellen und damit dem einengenden und tristen Quarantäne-Alltag ein wenig Abwechslung zu verleihen.
An dieser Stelle wollen wir uns bei den Stammgästen dafür bedanken, dass sie bei uns bestellen, damit unser Betrieb zumindest in Grundzügen weiterlaufen kann und wir unsere Miete bezahlen können. Auch die lieben Worte trösten uns. Aber liebe Worte können unsere Rechnungen leider auch nicht bezahlen.
Neben der Miete sind nämlich auch noch weitere Kosten zu decken wie Betriebskosten, Personalkosten, Strom, Gas, die Finanzierung der Küchengeräte uvm. Dafür reichen die Einnahmen aus dem Lieferdienst sicherlich nicht aus.“
Auf Facebook äußern Sie Bedenken, dass es nicht alle gastronomischen Betriebe durch die Krise schaffen werden.Warum ist gerade die Gastronomie so sehr in Gefahr? Gibt es keine Reserven bei den Gastronomen?
Elena Psallidaki: „Die Gastronomie ist momentan besonders stark betroffen. Dies liegt unter anderem daran, dass die Gastronomiebetriebe, seitdem sie schließen mussten, kaum weiterarbeiten können. Andere Unternehmen konnten zum Home-Office wechseln und so ihren Aufgaben größtenteils nachgehen. Aber ein Restaurant kann nun mal nicht über das Home-Office betrieben werden!
Für uns ist ‚Kurzarbeit‘ nicht die Lösung. Denn es ist sehr ungewiss, wann wir wieder öffnen können und wieder Umsatz erzielen. Bis dahin müssten wir aber in Vorkasse gehen und all die Löhne finanzieren, ohne zu wissen, ob wir die Kosten wieder reinholen können und ob wir die besagten staatlichen Gelder bekommen.
Auch die staatlichen Auszahlungen in Höhe von 9.000 bis 15.000 Euro sind zwar eine nette Idee, aber nicht einmal annähernd ausreichend – in Anbetracht der Kosten, die zu decken sind. Das deckt in unserem Fall nicht einmal die Fixkosten für einen Monat.
Die Frage, ob Gastronomen keine Rücklagen haben, ist natürlich differenziert zu beantworten. Das hängt von den planerischen Entscheidungen der jeweiligen Unternehmer ab, die ich glücklicherweise so getroffen habe, dass wir auch schwierige Zeiten wie diese überstehen können. Dennoch lebt die Gastronomie von ständigen Investitionen in den Betrieb, die natürlich einen Großteil der Rücklagen aufzehren. Ich kann mir vorstellen, dass es vielen Kollegen nicht anders geht.
Zudem sind die Umsätze bereits seit Januar massiv zurückgegangen. Das heißt, dass wir Gastronomen seitdem bereits auf unsere Rücklagen zugreifen müssen. Die Monate Januar und Februar sind immer mit Umsatzeinbußen verbunden und man hofft, dass im März die Umsätze wieder so hoch sind, dass die Kosten ausgeglichen werden können. Durch den Virus befinden wir uns also seit Januar ohne Unterbrechung in der Position, unsere Rücklagen aufzuzehren.“
Wie sehen Sie die Chancen bei den Gastronomen, wenn die Corona-Krise drei Monate lang dauert?
Elena Psallidaki: „Wie es uns gehen würde, wenn die Corona-Krise drei Monate lang andauert? Das würde unseren Betrieb möglicherweise um Jahre zurückwerfen. Wir haben in den letzten 17 Jahren hart daran gearbeitet, unsere Stammgäste und all unsere Gäste zu gewinnen und zu halten. Nun wird ein Großteil unserer Rücklagen, die für Investitionen in unseren Betrieb vorgesehen waren, dafür verwendet, um unseren Betrieb gerade mal über Wasser zu halten. Drei Monate mit Umsatzeinbrüchen von bis zu 90 Prozent sind fatal.
Zudem haben wir ja auch noch eigene Rechnungen zu bezahlen, die aufgrund dessen, dass wir am Ende des Monats kaum Gewinn machen, momentan nicht bezahlt werden können.
Zuletzt vermuten wir, dass nach der Krise die Bereitschaft der Gäste, in Restaurants essen zu gehen, gering sein wird, da viele Gäste möglicherweise in der Krise ihren Job verloren haben oder jedenfalls einen Großteil ihres Einkommens. Auch das wird uns zurückwerfen.“
Haben Sie Förderungen beantragt? Wird das reichen? Was müsste der Staat noch tun, um Ihnen durch die Krise zu helfen?
Elena Psallidaki: „Wir wünschen uns vom Staat, dass endlich verstanden wird, dass auch die Gastonomen eine Art soziale Arbeit betreiben und die Gäste zu uns kommen, um ihre Sorgen und Probleme zu vergessen. Viel wichtiger als diese psychische Entlastung für unsere Mitmenschen ist, dass die Gastronomen sehr viele Steuern zahlen und dem Staat damit tatkräftig Unterstützung leisten.
Seit so vielen Jahren tun wir dies und wir haben noch nie nach etwas gefragt, nie um Hilfe gebeten. Und jetzt, wo es an der Zeit ist, uns zu unterstützen, werden wir auf lächerliche Minimalbeträge verwiesen, auf die wir lange warten müssen und die wir möglicherweise nicht bekommen. Und selbst, wenn wir die Hilfen erhalten, reichen sie nicht einmal für die Miete. Auch die Steuerstundung bringt uns nichts!
Zudem versucht DEHOGA seit sehr langer Zeit, die Mehrwertsteuer für die Speisen und Getränke in Gastronomiebetrieben auf 7 Prozent herunterzusetzen. Diese Petition blieb bis jetzt jedoch erfolglos. Es ist höchste Zeit und dringend erforderlich, dass diese Änderung umgesetzt wird! Dies ist mindestens für die nächsten fünf Jahre erforderlich, damit die Betriebe regenerieren können, um letztendlich den gleichen Stand zu erlangen, auf dem sie vor der Krise waren.
Wir bitten zudem um individuelle, den Ausgaben angepasste staatliche Hilfen!
Es kann nicht jeder Betrieb die gleichen kleinen Summen erhalten – mit dem einzigen Unterschied, der darauf basiert, wie viel Personal sie beschäftigen. Die Kosten ergeben sich aus weitaus mehr Posten!“
Sie fordern aber nicht nur, Sie möchten auch geben?
Elena Psallidaki: „Auch wir möchten einen Beitrag zur Überwindung der Krise leisten. Deshalb bieten wir ab sofort und solange die Corona-Krise anhält für auszuweisende Krankenhausärzte, Krankenschwestern, generell Krankenhauspersonal, Krankenwagenfahrer und Feuerwehrleute zwischen 12 und 20 Uhr die Möglichkeit an, bei uns einen Gyros-Bifteki-Pommes-Tzatziki-Salat-Teller für nur 6 Euro bestellen und abholen zu können. Wir möchten ihnen damit für ihre Dienste danken und daran erinnern, dass in dieser schweren Zeit Zusammenhalt in unserer Gemeinschaft sehr wichtig und notwendig ist, damit wir diese Krise überstehen.“ (Text: CS / Fotos: privat)
Info: Restaurant Der Kretaner, Riemeisterstraße 129, 14169 Berlin, Tel.: 030–84719117, www.derkretaner.de
Dieser Artikel stammt aus „ZEHLENDORF.aktuell“ Ausgabe 73 (4/2020).
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