Bestsellerautorin Monika von Ramin in Corona-Zeiten: Hausarrest!
Monika von Ramin (66) lebt in Zehlendorf und hat unter dem Namen Nika Lubitsch viele Krimiromane geschrieben, die zum Teil bereits fürs Fernsehen verfilmt wurden. Wie ergeht es ihr wohl in Corona-Zeiten? Als Bestsellerautorin – ist da Stubenhocken und am Computer arbeiten nicht von Hause aus eine Kern-Beschäftigung im Alltag?
Was haben Sie vor der Stay-home-Verordnung denn eigentlich außerhalb der eigenen vier Wände unternommen?
Monika von Ramin: „Stimmt. Unser Alltag hat sich wegen Corona nur unwesentlich verändert. Dadurch, dass ich am heimischen Schreibtisch arbeite und mein Mann nur sehr schlecht laufen kann, haben wir, was Quarantäne betrifft, bereits sieben Jahre Übung. Wir machen das, was wir noch können. Und damit kommen wir zu den Unternehmungen außerhalb der vier Wände: Wir verreisen ansonsten sehr viel. Da Stadtbummel oder Wandertouren ausgeschlossen sind, machen wir Autowandern: Zum Beispiel vier Wochen durch die USA mit dem Mietwagen, da haben wir beide viel Spaß und sehen sehr viel. Oder wir lassen uns mit einem Kreuzfahrtschiff quer über den Atlantik shippern. Das geht im Moment leider nicht, ich hoffe, dass bis November der Corona-Spuk vorbei ist, denn wir sind zu einer Lesereise auf der AIDA eingeladen worden. Und immer wieder müssen wir natürlich in unsere zweite Heimat Cape Coral in Florida. Statt Reisen machen wir jetzt Autowandern in Berlin: Im Auto stecken wir keinen an und wir schauen uns unsere Stadt an, freuen uns an den blühenden Bäumen und an den freien Straßen.
Was uns ein bisschen fehlt, ist das Essengehen. Normalerweise fallen wir zwei bis dreimal in der Woche in einem Restaurant ein. Wir machen uns große Sorgen um unsere Zehlendorfer Restaurants und unsere Lieblingskellner.
Am meisten allerdings fehlt uns der persönliche Kontakt mit Freunden. Da mein Mann auch keine Treppen mehr steigen kann, laden wir regelmäßig unsere Freunde zu uns nach Hause ein. Ich liebe es, Freunde zu bekochen. Das Telefon und WhatsApp sind kein Ersatz für lustige Abende an unserem Esstisch. Am härtesten trifft uns allerdings der überraschende Tod eines alten Freundes vor ein paar Wochen. Seine Witwe sitzt jetzt mutterseelen allein in Heiligensee und so wird sie ihn auch bestatten müssen. Das bricht einem das Herz.“
Gehören Ihr Mann und Sie einer Risikogruppe an? Haben Sie Angst vor Corona? Kennen Sie bereits Freunde mit Infektionen?
Monika von Ramin: „Mein Mann ist 77 Jahre alt und hat alle Krankheiten, die als höchstes Risiko für Corona-Infektionen gelten. Deshalb habe ich wirklich Angst davor, mir draußen so einen Virus einzufangen, und ihn dann anzustecken. Und so ganz taufrisch bin ich mit meinen 66 Jahren ja auch nicht mehr. Persönlich kenne ich niemanden mit einer Infektion, aber mein bester Freund hat Lungenkrebs, macht gerade eine Chemotherapie und muss regelmäßig dafür ins Krankenhaus. Ich habe sehr viel Angst um ihn.“
Wie finden Sie, geht Zehlendorf mit der Krise um?
Monika von Ramin: „Ich verfolge natürlich die offiziellen Verlautbarungen und war zum Beispiel sehr froh, dass Zehlendorf sich nicht der Berliner Spielplatzverordnung angeschlossen hat. Bravo! Trotzdem bin ich sehr erstaunt, wie locker viele Zehlendorfer mit der Ansteckungsgefahr umgehen. Ende März an einem Sonnabend war der Mexiko-Platz nachmittags überfüllt. Die Menschen sonnten sich dichtgedrängt auf den Bänken und die Kinder tobten gemeinsam auf den Rasenflächen. Und vor der Eisdiele hatte sich eine sozialistische Wartegemeinschaft gebildet, die den halben Platz umrundete.“
Wie gestaltet sich jetzt Ihr eigener Alltag? Gehen Sie noch selbst einkaufen? Haben Sie ausreichend Klopapier? Woran arbeiten Sie gerade?
Monika von Ramin: „Wir sind bereits Quarantäne-Profis. Das Wichtigste ist, seinem Alltag Struktur zu geben, das heißt, sich Regelmäßigkeiten anzugewöhnen. Wenn ich dieses Korsett nicht hätte, könnte ich als Freiberuflerin nicht existieren. Da unsere Perle, die normalerweise zweimal in der Woche zu uns kommt, in Polen festhängt, muss ich jetzt selbst putzen. Ich hasse es! Dafür hänge ich jeden Tag zur gleichen Zeit eine Stunde Hausarbeit an meine morgendliche Aufräum-Routine ran.
Auch sonst gehe ich maximal zweimal in der Woche einkaufen, jetzt eben nur noch einmal. Dabei kaufe ich gleich auch für meinen kranken Freund mit ein und frage auch immer in unserem Haus unsere Nachbarn, ob ich ihnen etwas mitbringen kann. Wir haben hier eine sehr gute Nachbarschaft, in der wir uns gegenseitig helfen.
Eine meiner Kolleginnen hat mir zwei FFP3-Masken geschickt. Das ist überhaupt etwas, was mich rührt: Die Hilfsbereitschaft von Kollegen, Bekannten und Nachbarn. Klopapier habe ich immer ausreichend, weil ich es regelmäßig bestelle. Seit mein Mann nicht mehr laufen kann, bestelle ich alle schweren oder sperrigen Dinge einmal im Monat bei Rewe. Ich habe sehr früh gewisse Engpässe kommen sehen und versucht, mich einzudecken und damit meine ich nicht hamstern, sondern eine gesunde Voraussicht. Zum Beispiel habe ich mir frühzeitig vom Hausarzt die Medikamente für die nächsten drei Monate verschreiben lassen, weil ich Angst hatte, dass bestimmte, eh in letzter Zeit knappe Grundstoffe, ausgehen könnten. Trotzdem habe ich keine Masken oder Desinfektionsmittel mehr bekommen. Im Notfall könnten wir einen Monat gut überleben, ohne dass ich das Haus verlassen muss.
Mit dem Schreiben habe ich im Moment Schwierigkeiten. Ich finde es sehr schwer, eine spannende Geschichte zu schreiben, wenn das wirklich Spannende, der wirkliche Horror sich direkt vor unserer Haustür abspielt. Eigentlich sind wir den ganzen Tag im Netz unterwegs und ziehen uns überall Informationen rein. Und dann tue ich das, was ich am liebsten mache und was mich wirklich beruhigt: Ich koche. Nun leider nicht für Freunde, aber ich versuche aus einem Grundgericht mehrere Essen zu machen. Ich mache mir sozusagen einen Sport aus der Situation. Und abends sitzen wir gemütlich am Esstisch, quatschen und genießen. Genug Wein ist ebenfalls vorhanden.
Das ist überhaupt mein Tipp für den Umgang mit Krisen: Tu das, was dir wirklich Spaß macht. Das Leben ist viel zu kurz für schlechte Tage. Und was ein schlechter Tag ist, das bestimme immer noch ich. Wir genießen jeden Sonnenstrahl auf unserer Terrasse, schmusen und spielen mit unseren zwei Katzen und freuen uns, dass es uns so viel besser geht als den vielen Menschen, die nachts vor Sorgen nicht schlafen können, die nicht wissen, wie es wirtschaftlich weiter geht. Oder als all jene, die sich täglich in ihrem Job der Gefahr einer Ansteckung aussetzen müssen und mit vielen warmen Worten und wenig Geld abgespeist werden.“
Sie haben schon so viele Bücher geschrieben. Passt eins Ihrer Werke zur Corona-Krise? Oder kann man sich so etwas gar nicht einfallen lassen?
Monika von Ramin: „Ja, das ist das Gruseligste. Ich habe zusammen mit meinem Mann 2004 einen Roman geschrieben, der im Jahr 2053 spielt. Berlin ist nach mehreren Cyber-Weltkriegen verarmt. Damit die Jungen überhaupt überleben können, werden Menschen über 75 nicht mehr ärztlich behandelt. Alte, die Geld haben, fliehen in Altenrepubliken, die sogenannten Alligatorenstaaten, benannt nach dem Alligator, der doppelt so alt wird wie jedes andere Krokodil. Und dann fällt weltweit die gesamte Kommunikation aus. Die Alten hätten die Mittel und die Möglichkeiten, die Welt der Jungen zu retten. Aber wollen sie es auch? ‚Alligator Valley – Krokodile weinen nicht‘ ist ein wirklich zu Herzen gehendes Familiendrama, das in Berlin und in Cape Coral spielt. Die Technik hat uns bei diesem Roman ein wenig rechts überholt, das Buch ist sechzehn Jahre alt, aber es ist heute so aktuell wie nie zuvor. Denn genau vor solchen Entscheidungen stehen die Menschen heute und ich bin sehr froh, dass wir ein solches Katastrophenszenario einmal komplett durchdacht haben, so dass wir jetzt im Vorfeld ein wenig vorausschauend handeln konnten. Zum Beispiel haben wir schon vor Wochen ein Sauerstoffgerät für meinen Mann bestellt.“
Gibt es schon eine Idee für einen Corona-Roman?
Monika von Ramin: „Nein, ich schreibe Krimis. Wenn wir Corona besiegt haben, und ich zweifle nicht daran, dass wir das werden, auch wenn uns das wirtschaftlich in die Knie zwingen wird, wollen die Menschen erstmal nichts mehr von Corona lesen. Wir alle haben Sehnsucht nach dem ganz normalen Leben. In Wirtschaftswunderzeiten wollte auch keiner mehr was vom Krieg lesen. Erst in der Nachschau, in ein paar Jahren wird es vielleicht einen Corona-Krimi von mir geben. Denn wie die Krise ausgehen wird, das steht noch in den Sternen.“ (Text: CS / Fotos: privat)
Dieser Artikel stammt aus „ZEHLENDORF.aktuell“ Ausgabe 73 (4/2020).
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