Scheibes Glosse: Achtung, die Aliens kommen!
Im Raumschiff kommen die Tentakel-schwingenden Aliens zu einer Besprechung zusammen. Aufgeregt pulsieren ihre Dentrikelkapseln, als sie sich über ihre Forschungen auf der Erde austauschen. Alien 1: „Diese Spezies Mensch, sie verhält sich äußerst sonderbar. Aus der viel zu weichen Haut wächst ihnen an der höchsten Körperstelle sehr dünnes Horn – und das gleich in zigtausendfacher Ausführung.
Anstatt diese toten Körperausscheidungen einfach abzuschneiden und vielleicht zum Heizen zu verwenden, laufen die Menschen aber lieber in spezielle Läden, um das Horn zu trimmen, damit es ihnen auf eine möglichst individuelle Art um den Kopf herumschwebt – vielleicht als eine Art Totemschmuck? Mitunter werden die Hornsträhnen sogar gefärbt oder in Kringel gezwungen. Ich kann mir nur vorstellen, dass dies zu einer noch nie von uns in der Galaxis festgestellten Form von merkwürdigem Balzverhalten dazugehört. Die Weibchen der Spezies weiten den Kult um das tote Horn sogar noch aus. An den Fingerspitzen malen sie ihre Hornauswüchse gern bunt an oder verlängern sie mit Kunststoffplättchen. Als Wissenschaftler sehe ich letzteres als Gefahr an: Beim Entfernen von Nasenschleim mit den verlängerten Fingern laufen die Weibchen Gefahr, sich aus Versehen auch gleich noch das Kleinhirn aus dem Kopf zu kratzen.“
Alien 2: „Die Menschen gehen auch nicht besonders nett mit ihren konkurrierenden Spezies um. Da gibt es anscheinend eine echte Bedrohung namens Blumen. Diese für uns sehr harmlos wirkenden und komplett unbeweglichen Organismen werden gern mit einem scharfen Messer in der Hälfte durchgeschitten, in Bündeln zusammengefasst und in den Behausungen der Menschen in Glasgefäßen ausgestellt – so, dass die Geschlechtsteile der armen Organismen exponiert zu sehen sind. Das ist barbarisch, soll aber vielleicht der ultimativen Abschreckung dienen. Es scheint auch zu funktionieren: Noch nie haben wir einen Angriff der Blumen auf eine Behausung der Menschen beobachten können.Die Blumen sind ohne ihre Wurzeln natürlich zum Sterben verdammt – und es ist ein sehr langsamer Tod. Die Menschen schauen den Pflanzen ohne jede Regung erst beim Sterben und dann beim Verwesen zu. Erst, wenn die Leichname völlig verdorrt sind, werden sie entsorgt. Und die Barbarei geht wieder von vorne los. Wir haben übrigens auch beobachtet, dass die Männchen den Weibchen gern große Gebinde dieser massakrierten Organismen überreichen. Vielleicht als Beweis ihrer Tapferkeit, dass sie so viele Feinde überwunden haben?“
Alien 3: „Befremdlich werten wir auch die Beobachtung, dass die Menschen sehr gern ihre äußeren Futterluken aufeinander pressen, um dabei mit lautem Schmatzen primäre Verdauungssäfte auszutauschen. Bei diesem Vorgang, der anscheinend großes Wohlgefallen auslöst, schaut leider keiner der Beteiligten auf die Hygiene. Die Futterluke der Menschen beherbergt schließlich Milliarden an Bakterien und auch Viren. Ich kann nur betonen, dass es deutlich hygienischer wäre, wenn die Menschen zur Begrüßung ihre Hinterteile aneinander reiben würden.“
Alien 4: „Um andere Spezies in Schach zu halten, werden auch einzelne Vertreter als Geiseln gehalten und genetisch verfremdet. So halten die Menschen seit vielen Generationen Vertreter der Gattung Wolf und Tiger als Gefangene in ihren Behausungen fest. Über die Generationen hat man diesen Geiseln alle biologischen Merkmale entfernt, die der effizienten Selbstverteidigung dienen. Zur öffentlichen Zurschaustellung ihrer Dominanz führen die Menschen ihre Gefangenen sogar am Seil durch die Nachbarschaft und führen sie so vor – es ist barbarisch und demütigend.“
Alien 1: „Wir sollten uns nicht länger auf das Beobachten beschränken. Wir könnten doch mal wieder nachts ein paar Menschen an Bord beamen und ihnen ein paar Sonden in den ….“
Alien 4: „Nein, unsere Mission ist abgeschlossen. Wir konnten kein intelligentes Leben feststellen. Wir fliegen nach Hause.“ (CS, Foto: Tanja M. Marotzke)
Dieser Artikel stammt aus „ZEHLENDORF.aktuell“ Ausgabe 72 (3/2020).
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