Größter Termiten-Zoo der Welt in der BAM: Winzige Mitarbeiter!
In Zehlendorf gibt es viele Superlative, die sich im Bezirk bestaunen lassen. Aber wer wusste bislang, dass es vor Ort auch den größten Termiten-Zoo der Welt gibt? Wer von Zehlendorf-Mitte aus mit dem Auto in Richtung Steglitz fährt, kommt an der Straße Unter den Eichen direkt an der Bundesanstalt für Materialforschung und –prüfung (BAM) vorbei.
Diese Bundesoberbehörde im Geschäftsbereich des Bundesministeriums für Wirtschaft und Energie (BMWi) beschäftigt ca. 1.200 Mitarbeiter in ganz Berlin, die auf drei Standorte in der Hauptstadt verteilt sind.
Einer der Mitarbeiter ist Dr. Rüdiger Plarre (58). Er sagt: „Wir hier bei der BAM, wir leben auf unserem weitläufigen Areal wie in einem kleinen Dorf. Wir haben alles – bis auf eine eigene Kirche und einen Weiher.“
Dr. Plarre, der in Berlin geboren wurde, an der Freien Universität (und in den USA) Biologie studiert hat und seit 1997 zur BAM gehört, hat eine ganz besondere Aufgabe in seiner Behörde. Als Experte der Entomologie (angewandte Insektenkunde) passt er auf ein Millionenheer winziger Mitarbeiter auf, die im Dienst der Bundesanstalt tätig sind. Dabei handelt es sich vorrangig um holzfressende Termiten, die in gut gesicherten Räumen bei hoher Temperatur, hoher Luftfeuchtigkeit und immer einem leckeren Scheit Holz bei Laune gehalten werden.
Klarer Fall: Die BAM erteilt nicht nur die Freigabe für geprüfte Feuerwerkskörper, sondern hilft Herstellern auch dabei, ihre Produkte auf Termiten-Beständigkeit hin überprüfen zu lassen. Das betrifft vor allem die Produzenten von Holzschutzmitteln, die von der BAM eine zertifizierte Aussage erhalten, wie wirksam ihr Produkt überhaupt ist.
Dr. Rüdiger Plarre: „Immer mehr Hersteller möchten ihr Produkt nicht nur in Deutschland vermarkten, sondern auch in der EU oder sogar auf der ganzen Welt. Da die europäische Termite in Spanien, in Griechenland, in Frankreich und in Italien vorkommt, muss ein Holzschutzmittel, das in diesem Raum verkauft werden soll, eben auch auf seine Wirksamkeit in Hinblick auf die Termiten geprüft werden.“
Kiefer und ggf. Buche dienen in der BAM als Modellhölzer. Die Wirksamkeit eines Holzschutzmittels, das an diesen Modellhölzern geprüft wird, wird dann auf andere Hölzer übertragen. Wichtig ist es im lokalen Versuch, die Wirksamkeit eines Holzschutzmittels in Kilogramm Schutzmittel pro Kubikmeter Holz zu berechnen.
Dr. Rüdiger Plarre: „Wir behandeln eine Holzprobe mit dem Holzschutzmittel in verschiedenen Konzentrationen, geben die Termiten dazu und prüfen am Ende der genormten Prüfzeit, ob die Insekten noch leben oder abgestorben sind. Oft haben die Hersteller bereits eine Idee, in welchem Konzentrationsbereich ihr Mittel optimal wirkt, sodass wir nicht so viele Testreihen durchführen müssen. Für jeden Schädling gibt es übrigens ein eigenes geprüftes Verfahren nach einer EU-Norm. So kann ein Test bei uns, aber auch in jedem vergleichbaren Institut in einem anderen Land durchgeführt werden.“
Die Arbeit der Termiten ist niemals beendet. Dr. Rüdiger Plarre: „Es gibt immer wieder neue Wirkstoffe, die getestet werden sollen. Oder auch neue Werkstoffe wie etwa Holz-Plastik-Verbundstoffe. Geht es um den Weltmarkt, so testen wir mitunter auch, wie die Holzschutzmittel bei australischen Termiten wirken. Auch diese Art halten wir bei uns in der BAM vor. Insgesamt züchten wir sogar 25 verschiedene Termitenarten. Generell sollte ein Produkt über viele Jahrzehnte halten. Übrigens geht es beim Termitenschutz nicht nur um Holz. Auch die Kabelindustrie gehört zu unseren Auftraggebern, weil sich die Insekten unterirdisch auch gern durch dicke Kabelisolationen oder Transformatoren fressen. Selbst Blähbeton ist nicht vor den Tieren sicher. Weltweit verursachen allein die Termiten Schäden von mehreren Milliarden Euro – und zwar pro Jahr. Dass der Wirbelsturm Kathrina im August 2005 New Orleans überfluten konnte, liegt u.a. daran, dass die schützenden Dämme durch Termitenbefall sehr schnell gebrochen sind.“
In Deutschland konnten sich die Termiten bislang übrigens noch nicht ausbreiten – die Winter sind einfach viel zu kalt.
Aber wir haben ja auch unsere ganz eigenen Schädlinge. Auch sie finden in der BAM ein Zuhause – und werden von kundiger Hand vor Ort gezüchtet.
Dr. Rüdiger Plarre, der zur Abteilung „Material + Umwelt“ gehört und sich damit an der Schnittstelle zur bewegten Umwelt sieht: „In Deutschland gibt es drei relevante Käferarten, die ein Bauwerk aus Holz angreifen können.“
Da wäre zunächst der Hausbockkäfer zu nennen, der etwas größer als einen Zentimeter ist. Seine Larven fressen drei bis fünf Jahre lang im Splintbereich von Nadelhölzern. Dr. Rüdiger Plarre: „Früher hat man Dächer so gebaut, dass die Tragfähigkeit der Balken auch dann noch gegeben war, wenn nach einem Käferbefall nur noch das Kernholz übrig geblieben ist. So übervorsichtig baut man heute nicht mehr: Heute kann man sich den Käferbefall nicht mehr leisten.“
Dann gibt es da noch den gemeinen Nagekäfer, der auch als „Holzwurm“ bekannt ist. Seine Anwesenheit zeigt sich anhand stecknadelkopfgroßer Löcher im Holz. Dieser kleine Käfer braucht allerdings Feuchtigkeit im Holz. Dr. Rüdiger Plarre: „Früher war das Wohnklima anders. Im alten Berlin befielen die Käfer vor allem die Dielen im Hochparterre – und zwar direkt im Bereich der Außenwand. Da war es nämlich immer ein wenig feucht.“
Beim dritten Schadinsekt handelt es sich um einen eingeschleppten Asiaten – den Braunen Splintholzkäfer. Seine Larven fressen gern im stärkereichen Laubholz. Sie nagen vor allem in edlen Hölzern, die für Fensterrahmen, Parkett oder Wandpanele eingesetzt werden. Das sorgt für einen größeren wirtschaftlichen Schaden.
Dr. Rüdiger Plarre: „Bis Mitte der 90er Jahre gab es eine Verpflichtung vom Institut für Bautechnik, tragende Hölzer vorbeugend vor Insektenfraß zu schützen. Das Schutzmittel musste aber zugelassen und von der BAM auf Wirksamkeit hin getestet sein. Inzwischen möchte man den Einsatz von Bioziden möglichst vermeiden. Konstruktive Maßnahmen wie eine technische Trocknung des Holzes, eine permanente Kontrollierbarkeit der Balken oder aber der Einsatz von Hölzern, die nicht befallen werden, können hier helfen. Aber dort, wo diese Maßnahmen nicht greifen, da muss eben doch wieder ein Holzschutzmittel eingesetzt werden. Und dann kommt die BAM weiterhin ins Spiel.“
Und schon gilt es für Termiten, Hausbockkäfer, Holzwurm und Splintholzkäfer einmal mehr, ihr Leben für den nächsten Test aufs Spiel zu setzen. Im Dienst der Sicherheit. (Text/Fotos: CS)
Dieser Artikel stammt aus „ZEHLENDORF.aktuell“ Ausgabe 72 (3/2020).
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