Die Schattenlichter spielten ihr 38. Stück in Zehlendorf: Barbara will rüber!
Die Schattenlichter (www.schattenlichter.info) meldeten sich in diesem Jahr mit einem ganz besonderen Stück zurück. Die Theatergruppe feierte ihr 35-jähriges Bestehen und zugleich ihr 38. Stück auf der Bühne. Das neue Stück wurde traditionell im Paulus-Gemeindehaus am Teltower Damm 6 aufgeführt. Der Saal war vom 20. bis zum 22. Februar einmal mehr komplett ausgebucht.
Die Zehlendorfer waren anscheinend äußerst neugierig auf das neue Stück „Barbara“. Das verstehen die Schattenlichter nämlich als ihren Beitrag zum deutschlandweiten Jubiläum „30 Jahre Mauerfall“.
Elke Brumm, die von Anfang an bei den Schattenlichtern mit dabei ist: „Das Stück ‚Barbara‘ ist ein nach dem bekannten gleichnamigen Kinofilm selbstgeschriebenes Stück, das 1980 in der DDR spielt.“ Elke Brumm selbst hat das Skript für die Hobbytheatergruppe verfasst und dabei den gleichnamigen Film von 2012 für die Bühne adaptiert – übrigens mit Genehmigung u.a. des originalen Drehbuchautors Christian Petzold.
Um was geht es im Stück? Wir schreiben den Sommer 1980 und wir befinden uns in der DDR. Die Ärztin Barbara (Elke Brumm) hat einen Ausreiseantrag gestellt. Sie wird aufgrund dieses Antrags zunächst inhaftiert und dann strafversetzt. Anstatt weiterhin in der Hauptstadt arbeiten zu dürfen, muss sie nun in ein winziges Krankenhaus tief in der Provinz umsiedeln. Hier wird sie äußerst misstrauisch beäugt. Vor allem ihre neugierige Vermieterin (Susanne Wein) spioniert ihr ständig nach und informiert regelmäßig die Stasi-Beauftragte Mirjam Schütz (Kristina Lane), die ebenso regelmäßig die Durchsuchung von Barbaras Habseligkeiten anordnet.
Doch Barbara arbeitet bereits an ihrem ganz eigenen Plan B. Ihr Geliebter aus dem Westen (Jean-Pierre Pactat) bereitet insgeheim ihre Flucht vor – was einige konspirative und für Barbara äußerst gefährliche Treffen erforderlich macht.
Das einzige Positive in der DDR-Welt, die Barbara aus der Perspektive einer unter Dauerverdacht stehenden Staatsfeindin erlebt, ist die Arbeit im Krankenhaus. Der lokale Chefarzt Dr. André Reiser (Justin Becker) entwickelt bei der Pflege der meist sehr jungen Patienten eine ebenso große Empathie wie Barbara selbst. Seine nette Art ist der einzige Lichtblick in Barbaras zerrütteter Welt. Und als der jungen Patientin Stella (Amélie Bylang) ein ungleich härteres Schicksal in den Abgründen des DDR-Systems droht, muss Barbara eine Entscheidung treffen …
Die Schattenlichter spielen ihr neues Jahresstück traditionell immer nur an drei aufeinanderfolgenden Abenden im Jahr. Die Karten, die für fünf Euro nicht einmal besonders teuer kommen, sind in der Regel in kürzester Zeit abverkauft. Vor allem die Älteren aus dem Bezirk nutzen sehr gern die Möglichkeit, ein tolles Theaterstück in der Nachbarschaft zu sehen, sodass eine weite Anreise in die City entfallen kann.
Beim Stück „Barbara“ ist dieser Altersschnitt besonders passend: Viele der an den drei Abenden anwesenden Personen werden sich noch bestens an die Zeit vor der Wiedervereinigung erinnern können. Als West-Berliner hat schließlich jeder so seine ganz eigenen Erfahrungen mit der DDR gemacht. Für die West-Berliner ging es meist darum, ewig an der Transitgrenze zu stehen, um hier die Schikanen der Grenzbeamten zu erdulden. Und wer Verwandte in der DDR hatte, kann sicher noch ganz andere Geschichten erzählen.
„Mit dem Mauerfall verbindet uns viel“, erzählte so auch Elke Brumm, die die erste Schattenlichter-Aufführung noch als Zuschauerin erlebte, aber seit der zweiten Inszenierung mit auf der Bühne steht und die Gruppe seit 1988 managt. „Denn am 9. November 1989 hatten wir zufällig gerade eine Theaterpremiere. In der Pause erzählte jemand, die Mauer sei offen. Wir haben das gar nicht für voll genommen, da wir auf das Theaterstück konzentriert waren.“
Erst nachts zu Hause sahen die Schattenlichter das unglaubliche Geschehen im Fernsehen. „Schon am nächsten Tag war Zehlendorf-Mitte voller Trabis. Abends luden wir Spontangäste aus Teltow und Potsdam zu unserer Aufführung ein, und anschießend gingen wir alle zur Öffnung der Glienicker Brücke. Das war toll!“
Nach zuletzt sehr fröhlichen Stücken wie „Der Vorname“ oder „Boeing Boeing“ ist bei „Barbara“ nun überhaupt gar nichts lustig. Bei diesem Stück fällt einem sofort wieder ein, warum die DDR als Unrechtsstaat galt und wie perfide die Bürger zum Teil ausspioniert wurden. Barbara muss hinnehmen, dass sie eingesperrt, in die Provinz versetzt, bespitzelt und regelrecht überwacht wird, von der Durchsuchung ihrer Habseligkeiten einmal ganz abgesehen. Da fühlt man sofort die Beklemmung aus der alten DDR-Zeit wieder. Die Schattenlichter helfen mit ihrem Stück dabei, dass dies nicht in Vergessenheit gerät.
Der große Gemeindesaal im Gemeindehaus mit seiner elf Meter hohen Decke war auch in diesem Jahr wieder ein toller Ort, um ein Theaterstück aufzuführen. Eine Besonderheit ist stets das Buffet, das in der Pause mit Mettbrötchen und anderen handgemachten Leckereien zum kleinen Preis dafür sorgt, dass keiner von den Gästen hungrig nach Hause geht.
Die Schattenlichter arbeiten übrigens bei den Proben komplett ohne Regisseur: Alle Schauspieler, die gerade auf der Bühne stehen, entwickeln die aktuelle Szene mit – und tragen so gleichberechtigt zum späteren Gelingen bei.
Schade ist – wie in jedem Jahr -, dass die Schattenlichter nur für drei Aufführungen auf der Bühne stehen. Nun muss man wieder ein ganzes Jahr warten, bis man sie wieder zu sehen bekommt. (Text/Fotos: CS)
Dieser Artikel stammt aus „ZEHLENDORF.aktuell“ Ausgabe 72 (3/2020).
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