Science Slam 2019 in Steglitz: Ärzte und Forscher erklären ihr Fachgebiet – in acht Minuten!
Wenn Ärzte Diagnosen stellen oder aus ihrem Alltag berichten, dann verstehen die Gesprächspartner, die kein Medizin-Studium hinter sich haben, oft nur noch Bahnhof. Die „Götter in Weiß“ haben aber durchaus spannende Dinge zu erzählen. Man müsste sie nur dazu bringen, das auch in verständlicher Form zu tun.
Hier setzt der Science Slam (www.lifescienceday.de) an, der in diesem Jahr ein weiteres Mal im Charité Campus Benjamin Franklin in Lichterfelde ausgerufen wurde. Am 23. November durften von 10 bis 15 Uhr möglichst viele neugierige Bürger vorbeischauen, um den Hörsaal West zu bevölkern. Vor Ort sollte ihnen die „medizinische Forschung vergnüglich und verständlich“ dargeboten werden. Die Teilnahme an der wissensvermittelnden Veranstaltung war völlig kostenfrei. Und nicht nur das: In den Pausen zwischen den drei Durchgängen gab es sogar ein leckeres Frühstück und ein Mittagsessen auf alle wissenschaftlich interessierten Zuhörer, die ihre Ohren nicht auf Durchzug schalten wollten.
Durch das abwechslungsreiche Ärzteprogramm führte wie im vergangenen Jahr der Moderator Raiko Thal vom Berliner rbb, der dort u.a. auch durch eine medizinische Sendung führt und somit bereits Erfahrung mit den Weißkitteln mitbringt. Er berichtete: „Die Veranstaltung war im letzten Jahr passend zum 50-jährigen Jubiläum des Charité-Campus Benjamin Franklin ein voller Erfolg. So kam schnell der Gedanke auf, den Science Slam auch in diesem Jahr noch einmal zu wiederholen. Während im vergangenen Jahr die Ärzte aus dem OP berichteten, stand dieses Mal das wissenschaftliche Arbeiten im Vordergrund. Die medizinische Forschung von A bis Z war das Thema. Wir werden sehen, wie das ankommt und ob diese Science Slam Veranstaltung in Serie gehen kann.“
Das ist zu hoffen, denn auch beim diesjährigen Science Slam konnten die Besucher wieder in kürzester Zeit viel Spannendes lernen, das noch ganz frisch aus den Laboren der Klinik stammt.
Guter Geist hinter und vor den Kulissen war erneut Simon Hauser. Der deutsche Science-Slam-Vizemeister von 2017 stand Reiko Thal in der Moderation zur Seite, hatte aber erneut auch wieder die Aufgabe, die Wissenschaftler bereits im Vorfeld zu coachen. Denn der Auftrag an die Forscher war es, ihr Fachgebiet in nur acht Minuten so vorzustellen, dass auch ein blutiger Laie sofort versteht, um was es da eigentlich geht.
Simon Hauser: „Haben wir die Vorträge im vergangenen Jahr noch von Kopf bis Fuß sortiert, so hielten wir uns in diesem Jahr an das Alphabet und gingen von A bis Z vor. Das Coaching war auch in diesem Jahr wieder eine Herausforderung, manche Ärzte musste ich erst aus der Notaufnahme holen.“
So standen laut ausgeteiltem Vortragsplan zunächst die Allergologen, Anästhesisten und Augenheilkundler im Zentrum des Geschehens, um dann von Chirurgen, Dermatologen und Gastroenterologen abgelöst zu werden. Auch die Geriatriker, die Infektiologen und die Kardiologen kamen ans Mikrofon, um alsbald von Neurologen, Notfallmedizinern, Onkologen und Psychiatern abgelöst zu werden. Am Ende kamen auch die Radiologen und die Zahnmediziner an die Reihe.
Im Krankenhaus Benjamin Franklin hatten sich übrigens Professorin Dr. Isabella Heuser-Collier und Professor Dr. Martin E. Kreis für das Event stark gemacht. Sie werden erfreut festgestellt haben, dass der Hörsaal erneut gut gefüllt war und die Ärzte ihre Aufgabe mit Bravour und Einfallsreichtum meistern konnten.
Spannende Fakten wurden da einmal mehr zu Gehör gebracht. Prof. Dr. Torsten Zuberbier von der Allergiefolgenforschung erklärte: „Eine unbehandelte Allergie sorgt bei Kindern in der Schule dafür, dass sie im Sommer wenigstens eine Note schlechter sind.“ Aber: „Wer eine Allergie hat, hat auch Glück, denn dann hat er das bessere Immunsystem – und weniger Infektionen und weniger Krebserkrankungen. Das Immunsystem schaut sich eben alles genau an, was vor der eigenen Haustür steht. Manches eben zu genau.“
Prof. Dr. Michael Schäfer ist Forschungsbeauftragter der Klinik für Anästhesiologie. Er wagte den Blick in die Vergangenheit: „Erst vor 200 Jahren hat man schmerzlindernde Morphin-Derivate aus der Mohnplanze isoliert. Vor 1846 gab es noch keine Anästhesie. Da waren bei einer Operation fünf Männer nötig, um den Patienten festzuhalten. Einer hat dann kurz die Halsschlagader abgedrückt, um eine Ohnmacht hervorzurufen.“
Dr. Volkan Aykac ist verantwortlich für die Lehrkoordination in Sachen Geriatrie der Charité. Er kämpft mit diesem Vorurteil: „Warum sich manche Ärzte so gern mit alten Leuten beschäftigen? Da kann man eben viel falsch machen, ohne dass es jemand merkt.“ Sein – nun ernst gemeintes – Thema war aber die Polypharmazie: „Ab einem Alter von 65 Jahren nehmen bis zu 40 Prozent der Menschen wenigstens fünf Medikamente. Wir Geriater sind die Retter – wir setzen die meisten Pillen wieder ab. Denn wir stellen fest: Je mehr Medikamente man einem Patienten verschreibt, umso weniger nimmt er davon.“
Auch visuell gab es wieder Sternstunden in der Medizinaufklärung. Dr. Benjamin Weixler von der Klinik für Allgemein-, Viszeral- und Gefäßchirurgie verwies auf die Problematik, während der Operation eines Lebertumors klar zu erkennen, wo der Krebs anfängt und wo er endet. Er berichtete von einem neu entwickelten Farbstoff, der sich nur im Tumor anlagert und – fluoresziert. So wird einfach das leuchtende Gewebe entfernt – und der Arzt ist auf der sicheren Seite. Um das zu demonstrieren, spritzte sich der Arzt die Flüssigkeit gleich selbst – und zeigte unter der entsprechenden Lupe, wie sie sich leuchtend im Arm ausbreitet: „Weitere fluoreszierende Farbstoffe entwickeln wir gerade für Dickdarmkrebs und für Pankreaskrebs.“
Dr. Katharina Meier von der Klinik für Dermatologie zeichnete zunächst kein erfreuliches Bild ihrer Tätigkeit: „Wir gucken uns den ganzen Tag Pickel an.“ Dafür gab sie etwas an: „Wir Dermatologen kümmern uns dafür aber um das größte Organ des Menschen – die Haut. Ausgebreitet sind das zwei Quadratmeter, vergleichbar etwa mit einem Badehandtuch.“
Wer im Auditorium Angst davor hatte, dass es auf der Leinwandfläche zu blutig wird, musste dieses Mal nicht ganz so oft die Augen schließen. Kritisch wurde es nur bei Dr. Dr. Carsten Rendenbach. Er zeigte ein wenig zu anschaulich, wie ein tumorbefallener Unterkiefer entfernt und gegen ein Stück Knochen aus dem Bein ersetzt wird. (Text/Fotos: CS)
Dieser Artikel stammt aus „ZEHLENDORF.aktuell“ Ausgabe 69 (12/2019).
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