Wir spielen Go! Jeden Dienstag trifft sich die Spielgruppe „Slaughterlake“ am Schlachtensee
Jeden Dienstag ab 18 Uhr freut sich der Betreiber vom Café Seestern direkt am S-Bahnhof Schlachtensee (S1) über eine volle Hütte: Die Go-Spieler sind da! Sie haben vor Ort ihre Bretter und Spielsteine verstaut – und haben im „Seestern“ seit vielen Jahren eine Heimat gefunden, um sich beim stundenlangen Go-Spiel zu messen, während sie vom Seestern-Team mit dampfender Currywurst und kalten Getränken versorgt werden.
Thorsten Bartelt (58) aus Hermsdorf: „Wir sind kein eingetragender Verein, sondern ein Spieltreff. Ich kümmere mich dabei um die Koordination. Den Spieletreff gibt es seit 16 Jahren, seit 14 Jahren bin ich dabei. Der Spieletreff ist schon immer an wechselnden Standorten am Schlachtensee zu Hause, deswegen nennen wir uns auch ‚Slaughterlake‘ (www.slaughterlake.de). Im Seestern findet man uns seit acht oder neun Jahren. Hier fühlen wir uns sehr wohl. Als man noch in den Gaststätten rauchen durfte, hat der Betreiber seinen Gästen immer – nur für uns – verboten, am Dienstagabend in der Gaststube zu rauchen. Das war sehr nett.“
Dass in den Gaststätten Skat gespielt wird, oft genug auch Poker, das kennt man ja. Aber Go? Das Brettspiel ist in China, in Korea und in Japan überaus populär. Im Fernen Osten ist Go zum Teil sogar Schulfach. Man kann Go studieren. Go-Profis verdienen Millionen im Jahr und sind in Asien so berühmt wie hierzulande die Fußball-Bundesliga-Spieler. Go ist in China eine der „fünf schönen Künste“ und hat eine Bedeutung wie die Teezeremonie in Japan. Go gilt als Spiel des Universums, das den Kosmos und die Astrologie erklärt. Die Regeln sind extrem einfach, das Spiel selbst ist aber überaus komplex.
Das Go-Brett besteht aus 19 senkrechten und 19 waagerechten Linien, die auf diese Weise 361 Schnittpunkte ausbilden. Die beiden Spieler setzen abwechselnd weiße und schwarze Spielsteine direkt auf diese Schnittpunkte. Das Ziel ist es dabei, eigene Gebiete zu sichern und Steine des Gegners „gefangen“ zu setzen. Am Ende erhebt man die Größe des eigenen Territoriums und zählt die Anzahl der gefangenen Spielsteine.
Aufgrund der vielen Schnittpunkte gibt es mehr spielbare Varianten als beim Schach. Und obwohl es nur vier Grundregeln gibt, lässt sich Go auf sehr vielen Ebenen meistern. Thorsten Bartelt: „Viele unserer Spieler kommen vom Schach, ein paar auch vom Kampfsport.“
Ähnlich wie beim Kampfsport gibt es auch beim Go spezielle Bezeichnungen für die einzelnen Spielstärken. Ein Novize beginnt als 30. Kyu. Schnell kann man sich auf den 15. Kyu hocharbeiten. Ziel ist es, sich weiter zu verbessern bis hin zum 1. Kyu. Es schließen sich die Meister-Titel an – vom 1. bis zum 9. Dan.
Thorsten Bartelt (6. Kyu): „Die eigene Spielstärke wird bei Wettkämpfen und auf Turnieren bestimmt, es gibt auch internationale Ratings. Sehr gut ist, dass sich unterschiedliche Spielstärken ausgleichen lassen. Der schwächere Spieler bekommt sogenannte Vorgabesteine, die er auf den neun strategisch wichtigen Vorgabepunkten auf dem Brett platzieren kann. Das ist ein Vorteil, den der bessere Spieler durch seine überlegene Spielweise wieder ausgleichen muss. So bleibt das Spiel für beide Kontrahenten interessant – und auf Augenhöhe.“
Carmen Michalk (70) aus Zehlendorf ist ebenfalls seit 14 Jahren im Spieltreff „Slaughterlake“ mit dabei: „Es gibt in Berlin sehr viele Möglichkeiten, um Go zu spielen. Ich glaube, es gibt an die 13 Spieletreffs. Ich persönlich spiele auch gern im Internet. Da gibt es viele Plattformen, auf denen man direkt gegen andere Spieler antreten kann. Zum Go bin ich selbst über einen Zeitungsartikel gekommen. Ich war auf der Suche nach einer neuen Freizeitbeschäftigung. Bereits nach dem ersten Abend war mir klar: Das ist genau mein Spiel. Es ist eben kein Glücksspiel, sondern erfordert so viel mehr Grips und Geisteskraft. Ich bin jetzt auf einem Niveau angelangt, auf dem mir das Spiel viel Spaß bereitet. Es gibt so viele Varianten und Überraschungen, das ist fantastisch. Man kann zum Thema Go übrigens auch Bücher lesen und Schulungen oder Seminare besuchen. Wer möchte, kann das nutzen.“
Thorsten Bartelt: „Das Go-Spiel kann man auf so vielen Ebenen deuten. Ich sage immer: Jeder verhält sich im Go so wie im wahren Leben. Man kann beim Go also durchaus etwas über den Charakter seines Gegenüber lernen.“
Annette Hempel (53) aus Zehlendorf hat den Spieletreff damals mit begründet. Sie erklärt: „Ich wollte gern vor Ort mit Gleichgesinnten Go spielen, für ein solches Treffen aber nicht bis in die Stadt fahren.“
Thorsten Bartelt: „Wir spielen gern im Seestern, das ist sehr gemütlich hier – und wir verstehen uns bestens mit allen Gästen und mit dem Betreiber. So ein Go-Abend kann schon einmal einige Stunden dauern. Eine Partie kann nach zehn Minuten vorbei sein, sie nimmt aber auch manchmal mehrere Stunden in Anspruch. Durchschnittlich dauert ein Spiel 30 Minuten. Im Turnier kommen Uhren wie im Schach zum Einsatz, um die Spielzeit im Auge zu behalten.“
Go spielen, das kann übrigens jeder. Das Alter spielt keine Rolle. Thorsten Bartelt: „Ich habe schon einmal gegen einen 5-jährigen verloren, das war ein komisches Gefühl, eine Lektion in Demut. Ich habe dem Jungen anschließend beim Zählen der Punkte geholfen, damit er weiß, wie hoch er überhaupt gewonnen hat. Anfänger sind uns sehr willkommen. Man muss bei uns nur gute Laune und den Wunsch, das Spiel zu lernen, mitbringen.“
Klaus Janich (65) ist derjenige, der sich um die neuen Spieler kümmert und ihnen die ersten Züge beim Go erklärt. Er sagt: „Es geht beim Go gar nicht darum, den Gegner zu vernichten wie beim Schach, sondern einfach nur darum, besser zu sein.“
Die Slaughterlake-Spielgruppe stellt inzwischen zwei Bundesliga-Teams und mischt auch bei vielen Turnieren mit. Carmen Michalk: „Es gibt in Berlin sehr schöne Turniere, vor allem in den asiatischen Botschaften.“ (Text/Fotos: CS)
Dieser Artikel stammt aus „ZEHLENDORF.aktuell“ Ausgabe 67 (10/2019).
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